Lk 12,16-21 (17.11.2019_1. Sonntag der Adventsfastenzeit)
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,
heute begehen wir den ersten Sonntag der Adventsfastenzeit. Advent (lat. adventus) bedeutet Ankunft und verweist uns auf das Kommen Jesu Christi, dem angekündigten Messias und König dieser Welt. In dieser Adventsfastenzeit bereiten wir uns auf die Geburt Christi vor und hoffen dabei, dass auch in unserer Seele Christus ankommt und jeden Tag neu geboren wird. Da diese Ankunft Christi in unserem Herzen aber voraussetzt, dass unser Herz entrümpelt und gereinigt wird, ist uns zu Beginn dieser Fastenzeit das Gleichnis des reichen Kornbauern (Lk 12,16-21) gegeben.
Das Gleichnis des reichen Kornbauern in Kürze
Das Gleichnis beginn damit, dass ein reicher Kornbauer den Segen einer reichen Ernte erfährt. Es war ein gutes Jahr. Sein Feld hat gut getragen und die Ernte ist bereit eingeholt zu werden. (V.16) Soweit so gut – denn möge jeder Mensch sich über den reichen Segen Gottes freuen, welcher ihm in seiner „Ernte“ zukommt. Doch nun beginnt der reiche Mann sich darüber Gedanken zu machen – Gedanken darüber, wo er die Früchte seines Feldes einlagern kann. Seine aktuellen Scheunen reichen nicht aus, um die Menge der neuen Ernte darin unterzubringen. Und so beschließt der reiche Mann schließlich die alten Scheunen abzureißen und neue zu bauen. (V.17-18) In diesem geplanten Ausbau weiß er, dass dieser Vorrat nun für viele Jahre ausreichen wird und er nun das Leben genießen kann. Und so beschließt er dieses Vorhaben und spricht zu seiner Seele: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre. Ruhe aus, iss, trink und sei fröhlich!“ (V.19) Und in diesem Moment, wo nun die Zukunft gesichert scheint, spricht Gott zu diesem reichen Menschen: „Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?“ (V.20) Und so erstirbt die Seele und trägt keinen Nutzen von der reichen Frucht, die Gott dem Kornbauer geschenkt hat.
Das Ersterben der Seele im Moment der Hingabe an die Laster
In diesem Gleichnis wird deutlich wie unsere Seele erstirbt, wenn wir uns in Habsucht dem Materiellem hinwenden. (vgl. V. 15) Denn in der Nacht, als sich der reiche Mann der Seele zuwendet und zu ihr sagt: „Nun hast du für viele Jahre genug. Ruh dich aus, iss, trink und sei fröhlich!“, erstirbt die Seele. Denn die Seele findet in dem Festhalten an dem Materiellen weder Ruhe noch Sättigung noch wahre Freude, sondern wird dunkel, stumpf und erstirbt schließlich.
In diesem Sterben des reichen Kornbauern erkennen wir aber auch die feinfühlige Reaktion unserer Seele. Unsere Seele reagiert auf unser Wollen und Denken. Und so kommt es dazu, dass auch unsere Seele erstirbt, während wir leben – an jedem Tag und in jedem Moment, in dem wir uns der Seele zuwenden und in Habgier und Eigennutz sprechen: „Ruhe dich aus, meine Seele. Du hast nun mehr als genug. Freude dich und genieße es für dich!“ Und so ist der Tod der Seele im Gleichnis ein warnender Hinweis darauf, dass auch unsere Seele in dem Moment erstirbt, in welchem wir die Sehnsucht unserer Seele mit Materiellem füllen.[1]
Das Auferstehen der Seele im Moment der Hingabe an die Tugenden
Doch das Gleichnis gibt auch den Ausblick darauf, dass es die Möglichkeit gibt bei Gott reich zu sein. (V.21) Unsere Seele ist nicht dazu verdammt abzusterben. Denn genauso wie unsere Seele erstirbt, wenn wir unser Wollen und Handeln den Lastern/Irdischem hinwenden, so wird unsere Seele von neuem geboren, wenn wir uns den Tugenden/dem Ewigen hinwenden. Angesichts der Adventsfastenzeit erhalten wir wieder die Möglichkeit diesen Lastern der Habsucht, aber auch der Gaumenlust oder Unzucht mit dem rechten Maß entgegenwirken. Nutzen wir den ungerechten Mammon (das Geld) und unsere Zeit (vgl. Lk 16,9!), um in dieser Fastenzeit unsere Seele in den Tugenden wachsen zu lassen und reich im Hinblick auf Gott zu werden.
Möge unsere Seele wirkliche Ruhe in Gott finden, in Ihm gesättigt werden und eine geistliche Freude tragen, wenn sie merkt, dass in ihr die Tugenden wachsen und sie darin reich bei Gott wird. (vgl. V.21)
Dies schenke Christus, unser Gott, auf dessen Ankunft wir warten und welcher auch in unsere Herzen kommen will. Amin.
[1]An dieser Stelle sei auf die Laster hingewiesen, welche unserem begehrenden Seelenteil zugesprochen werden. Der hl. Evagrius Ponticus (345-399) nennt hierbei neben der Habsucht (philarguría) die Fress- bzw. Gaumenlust (gastrimargía) und die Unzucht (porneía). Diese Laster entsprechen unserem materiellen, sinnlichen und körperlichen Verlangen, welches nicht im richtigen Maß erfüllt wird und dann maßlos nach immer mehr strebt. Des Weiteren lauten die anderen Laster nach dem hl. Evagrius wie folgt: Der Kummer (lúpe), die Wut (orgé) und der Überdruss (akedía) sind die Laster unseres emotionalen Bereichs der Seele. Diese sind durch eine ehrliche Auseinandersetzung mit unseren Gedanken in ein Gleichgewicht zu bringen. Zuletzt bleiben der eitle Ruhm (kenodoxía) und der Hochmut/Stolz (huperephanía), welche unseren geistigen Teil der Seele befallen, wenn wir den Segen Gottes als eigenen Verdienst verstehen.