Predigt zum 18. Herrentag nach Pfingsten (2. Kor. 9: 6-11; Lk. 7: 11-16) (23.10.2016)
Liebe Brüder und Schwestern,
die Apostel-Lesung für den heutigen Tag handelt von der Barmherzigkeit und ist auf ihre Art eine Weiterführung des Schlusswortes der Evangeliums-Lesung der letzten Woche: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ (Lk. 6: 36). Der hl. Apostel Paulus schreibt in der heutigen Lesung an die Korinther: „Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; wer reichlich sät, wird reichlich ernten“ (2. Kor. 9: 6). Im Zusammenhang mit einer Sammelaktion für die notleidende Gemeinde in Jerusalem ergeht vordergründig ein Aufruf an die Spendenbereitschaft der wohlhabenden Korinther, doch o.a. Worte lassen sich hintergründig auch sehr passend auf unser gesamtes Verhältnis zu unserem Schöpfer ummünzen. Viele meinen, sie seien schon gute Christen, wenn sie keine schlimmen Sünden begehen, also nicht töten, stehlen, ehebrechen oder betrügen. Dieser auf humanistischem Mist gewachsene dämonische Trugschluss setzt die Messlatte bewusst tief, um dem Menschen die Illusion zu lassen, mit ihm sei alles in Ordnung. Wer so lebt, braucht keine Buße zu tun, folglich ist sein Bedarf an Umkehr und Hinwendung zu Gott (Beichte, Kommunion, Beginn eines geistlichen Lebens) gleich null. Sein wirkliches Ziel – die lebendige, und nicht bloß eingebildete Gemeinschaft mit Gott, bleibt für ihn so unerreichbar. Das Erstaunliche dabei ist jedoch, dass die Erwartungshaltung solcher nomineller Mehrheitschristen an Gott diametral entgegensetzt wächst: „Ich habe mein Kind getauft, jetzt muss es ganz bestimmt gesund, artig, gut in der Schule und erfolgreich im Berufsleben sein“ oder „Wir haben kirchlich geheiratet, also werden wir von Schicksalsschlägen verschont und unsere Ehe wird traumhaft glücklich bis an das Lebensende sein“. Je weniger man gibt, desto mehr erwartet man!.. Das ist die Mentalität derer, die erst dann wieder zur Kirche kommen, wenn die Flamme unter dem Hausdach lodert. Aber kann man so mit Gott umgehen? - Der wahre Christ richtet sein Augenmerk auf die Befolgung der Gebote und legt sein Schicksal vollkommen in die Hände Gottes: „Dein Wille geschehe!“ Dieser Wille ist immer vollkommen und zielt stets auf unser Heil ab, so dass uns keine Anstrengung zu groß sein darf, diesen Willen zu erfüllen.
Wir lesen: „Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang; denn Gott liebt einen fröhlichen Geber“ (2. Kor. 9: 7). Wenn wir Gott und unseren Nächsten lieben (s. Mt. 22: 36-40; Mk. 12: 33; Lev. 19: 18; Dtn. 6: 5), dann werden wir gerne etwas von unserem Geld, unserer Tatkraft, unser Zeit geben. Eine Abgabe unter Zwang läuft der Liebe Gottes jedoch zuwider (s. Hos. 6: 6; Mt. 9: 13). Wie beschämend ist es aber zu sehen, dass Fußballfans Woche für Woche zu Tausenden ihre Mannschaft zu Auswärtsspielen in ganz Deutschland begleiten, während Christen den einzig freien Tag am heimischen Herd verbringen! Kann es sein, dass der Eifer dieser Schlachtenbummler für ihren Verein größer ist als unsere Liebe zu unserem Herrn und Erlöser (s. Mt. 6: 21; Lk. 12: 34)?..
Wenn wir also noch einer Motivation für ein gottgefälliges Leben bedürfen, dann, bitteschön, dieser: „In Seiner Macht kann Gott alle Gaben über euch ausschütten, so dass euch allezeit in allem alles Nötige ausreichend zur Verfügung steht und ihr noch genug habt, um allen Gutes zu tun, wie es in der Schrift heißt: ´Reichlich gibt Er den Armen; Seine Gerechtigkeit hat Bestand für immer`“ (2. Kor. 9: 8-9; s. Ps. 111: 9).
Gottes Wort ist untrüglich. Niemanden unter den Heiligen reute es jemals, Gutes getan und Gottgefälliges verwirklicht zu haben. „Gott, Der ´Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung`, wird auch euch das Saatgut geben und die Saat aufgehen lassen; Er wird ´die Früchte eurer Gerechtigkeit` wachsen lassen. In allem werdet ihr reich genug sein, um selbstlos schenken zu können; und wenn wir diese Gabe überbringen, wird sie Dank an Gott hervorrufen“ (2. Kor. 9: 10-11; vgl. Jes. 55: 10; Hos. 10: 12). Der Samen, aus dem die Saat aufgeht, stammt bekanntlich von Gott, also sind materielle Güter das „Saatgut“ für das Vollbringen von Werken der Barmherzigkeit. Wir säen reichlich, dann wird Gott auch die Saat reichlich aufgehen lassen (s. 2. Kor. 9: 6). Wir selbst werden selig sein (vgl. Apg. 20: 35) und der Name des Herrn wird unter den Menschen gepriesen sein (vgl. Mt. 5: 16). Wenn das kein Ansporn für uns ist...
Nun kommen wir also wieder zum Ausgangspunkt: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ (Lk. 6: 36). Wir sprachen ja eingangs davon, dass sich ein komfortables Selbstgerechtigkeitsgefühl bei denen einstellt, die einfach nur (aus ihrer Sicht) nichts Böses tun und meinen, schon dadurch Gottes Gesetz zu erfüllen. Sicher ist so ein Mindestmaß an Gesetzestreue in Bezug auf staatliche Gesetze ausreichend, aber auch da nur in friedlichen und stabilen Zeiten. In Russland 1917 oder in Deutschland 1933 gab es viel zu viele von der passiven Sorte, die zu stillschweigenden Wegbereitern derer wurden, die unseren Kontinent später in Blut tränken sollten. Gott hat uns mehr zugedacht als die Zuschauerrolle (s. Lev. 19: 2; Mt. 5: 48). Christus ist das Maß aller Dinge (s. Mt. 11: 29)! Er ist ja nicht bloß gerecht, sondern barmherzig. Wäre Er nämlich nur gerecht, würde keiner von uns gerettet werden: „Wenn Du auf das Unrecht acht hättest, Herr, Herr, wer könnte bestehen?“ (Ps. 129: 3).
Barmherzigkeit äußerst sich nicht nur in materiellen Dingen. Man kann auch barmherzig sein, wenn man z.B. auf berechtigten Groll oder auf seine eigene Rechthaberei zugunsten eines schwachen Mitmenschen verzichtet. Wir alle hoffen ja, dereinst auf einen barmherzigen Richter zu treffen. Er wird allen Seine Barmherzigkeit erweisen, die selbst Barmherzigkeit geübt haben, aber die bestrafen, die keine Barmherzigkeit gezeigt haben (s. Jak. 2: 13). Amen.