Verschiedenes
Bote 1988-1
Botschaft
der Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland an die Priester und das Kirchenvolk der Russischen Orthodoxen Kirche
"...nicht in der Vollkommenheit der äußeren Organisation liegt die Kraft der Kirche beschlossen, sondern in der Einheit des Glaubens und der Liebe ihrer treuen Kinder! "
In Christus geliebte Brüder und Schwestern, Kinder der Russischen Orthodoxen Kirche, es naht das tausendjährige Jubiläum der Taufe unserer Vorfahren, die den Grundstein des kirchlichen segensreichen Lebens unseres Vaterlandes legte, und uns, ihre Nachkommen zu rechtgläubigen Christen machte.
Dieses Jubiläum muß ein Fest für jeden russisch-orthodoxen Christen sein, wo immer er auch leben mag und ebenso für jene nichtrussischen Kinder unserer Kirche, die sich ihrem segensreichen Leben angeschlossen haben.
Doch, welch schreckliche Zeiten machte und macht unsere Mutterkirche sogar bis zum heutigen Tage durch. Es gibt keine Einheit in ihrer Herde Christi. Ihr Kleid ist getränkt vom Blut der Millionen Märtyrer für Christus und die Treue zu seiner Kirche. Ihre alten Heiligtümer sind entweiht und die Kirchen zerstört. Sie weint um ihre Kinder. Sie empfingen eine neue Bluttaufe am Ausgang ihrer 1000-jährigen christlichen Geschichte.
Die Verfolgungen und Nachstellungen ihrer gläubigen Kinder gehen weiter und die Tore der Lager und Gefängnisse stehen auch heute noch weit für sie offen. Das von den Atheisten, den Regierenden unserer Heimat offiziell anerkannte Moskauer Patriarchat ist nicht im Stande, den Verfolgten beizustehen und in irgend einer Form seine eigene Lage zu verbessern. Nicht voller Freude können wir das 1000-jährige Jubiläum begehen, wenn auch angeblich in unserer Heimat aus diesem Anlaß "ein großes Fest" vorbereitet wird.
Die erstaunlichen Worte von einer angeblichen "allumfassenden Erneuerung" des Lebens unseres Landes lasen die Gläubigen in der Osterbotschaft des Moskauer Patriarchen. Wollen wir hoffen, daß diese Erneuerung in erster Linie das Leben der schwer leidenden Kirche betrifft. Im offensichtlichen Glauben an eine derartige Erneuerung sprechen Mitglieder des Moskauer Patriarchats in einer Vorbotschaft zum Jubliäum vom 21. Juni 1987 davon, daß "das bevorstehende Jubiläum ein Fest auch für jene Kinder der Russischen Kirche sein soll, die sich derzeit aus verschiedenen Gründen nicht in ihren rettenden Mauern befinden... weshalb sie sich an die Hierarchen, den Klerus und die Laien wenden, die die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland bilden... mit dem brüderlichen Aufruf, den Geist der Verbitterung und der Trennung zu überwinden und mit einem Mund und mit einem Herzen den allheiligen Namen unseres Herrn und Erlösers zu preisen... damit das herannahende Jubiläum zu einem Fest der Fülle der Russischen Kirche werde..."
Wir begrüßen den guten Wunsch und danken für die Einladung. Doch diejenigen, die uns rufen, sprechen in ihrer Botschaft selbst von "verschie-denen Gründen", die uns trennen.
Hier ist der erste Grund: das Moskauer Patriarchat sagt sich von den Märtyrern und Bekennern unserer Zeit los. Man kann nicht davon sprechen, daß es bei uns keine Märtyrer für den Glauben gegeben habe, wie wir dies häufig aus dem Mund von Vertretern des Moskauer Patriarchats hörten. Ihre Standhaftigkeit darf nicht verschwiegen, nicht mit Schweigen übergangen werden, besonders nicht zum 1000-jährigen Jubiläum der Taufe, womit die Kirchengeschichte der letzten Zeit entstellt würde.
Die Fülle der Kirche beschränkt sich ja nicht auf die auf Erden lebenden Gläubigen. Sie ist undenkbar ohne alle russischen Heiligen, darunter auch die Märtyrer der letzten Jahrzehnte. Aus diesem Grunde wurden die Feierlichkeiten zum Jubiläum auf den Tag des Gedenkens im Gebete aller Heiligen, die im russischen Lande erstrahlten, festgelegt. Die Eine Russische Kirche, die himmlische und die irdische stellen ihre Fülle (Pleroma) dar.
So schlagen wir unsererseits denen, die uns einladen, unter Berücksichtigung der "allumfas-senden Erneuerung", an die sie glauben, vor, unerschrocken und offen die Standhaftigkeit der nun verherrlichten Neomärtyrer und Bekenner unserer Kirche zu bezeugen.
Ohne die inbrünstigen Gebete zu ihnen, ohne einen Mund und ein Herz mit ihnen, kann es kein Jubiläum und keine Fülle der Kirche geben. Denn sie sind unsere Brüder und Schwestern im Blute und im Glauben, sie sind der Ruhm der Kirche und ihr Sieg, ihre Standhaftigkeit ist die Rechtfertigung der 1000-jährigen Geschichte des Christentums in Rußland.
Der zweite Grund ist darin zu sehen, daß die Erklärung des Metropoliten (und späteren Patriarchen) Sergij über die Identität der Interessen der Kirche und des atheistischen Staates bis heute die Grundlage zu deren Beziehungen darstellt. Sie beraubt das Moskauer Patriarchat der Freiheit und rechtfertigt die völlige Willkür der Herrschenden in den Angelegenheiten der Kirche.
Wir wissen, daß die Erklärung seiner Zeit von der Mehrheit der bekennenden Hierarchen, des ihnen treuen Klerus und der Gläubigen abgelehnt wurde, weshalb sie alle ihr Leben als Märtyrer in den furchtbaren Todeslagern beendeten.
Noch im Lager von Solowki wandten sich diese dem todgeweihten Bekenner an die Sowjetregierung mit einer Denkschrift, in der sie von der "Unvereinbarkeit der religiösen Lehre der Kirche mit dem Materialismus der offiziellen Philosophie der kommunistischen Partei und der von ihr beherrschten Regierung" sprachen. Die Seele der Kirche, die Bedingung ihres Daseins und der Sinn ihrer Existenz ist gerade das, was der Kommunismus kategorisch ablehnt. Keinerlei Kompromisse, Zugeständnisse und einzelne Änderungen in der Glaubenslehre oder ihre Neuauslegung im Geiste des Kommunismus befriedigen die agressiven Atheisten". Die Stimme der Hirten, die diese historische Denkschrift unterzeichneten war damals - 1925 - die Stimme der noch freien Russischen Kirche.
In der sich damals entwickelnden Lage erblickten die Solowetzker Gefangenen den einzigen Ausweg aus der Situation in der "vollkommenen und folgerichtigen Anwendung des Gesetzes von der Trennung der Kirche vom Staat."
Das wollen jetzt, nach etwas mehr als sechzig Jahren, die besten Menschen Rußlands. So schreibt das Mitglied der Akademie, D.S. Lichatschow in dem Artikel "von der Reue zum Handeln" (Literaturnaja Gaseta vom 9.9.87) mutig und aufrichtig, daß "wenn man von der Kirche in unserer Zeit spricht, besonders heute, am Vorabend des 1000-jährigen Jubiläums der Taufe Rußlands, betont werden muß, daß wir für die wirkliche und vollkommene Trennung von Kirche und Staat eintreten".
Solche Veränderungen im Leben der Mutterkirche erwarten die Gläubigen in Rußland, sie erwarten, daß die Vertreter des Moskauer Patriarchats in der Periode der "allumfassenden Erneuerung" die Kraft aufbringen das schwere Joch, das der Kirche durch die Erklärung des Metropoliten Sergij auferlegt wurde abzuwerfen.
Der dritte Grund liegt darin, daß die Botschaft des Moskauer Patriarchats, obwohl sie uns Kirche nennt ausdrücklich behauptet, wir befänden uns "außerhalb der rettenden Mauern der Mutterkirche".
Ist das richtig? Unsere Auslandskirche gründet auf einer festen und unerschütterlichen kanonischen Basis, dem Erlaß Nr. 362 des Heiligsten Patriarchen Tichon vom 7./20. 11.1920. Dieser historische Erlaß ist einer der letzten, besser gesagt prophetischen Akte der Freien Russischen Kirche, der angesichts der Tatsache, daß das Moskauer Patriarchat bis heute unfrei und von Atheisten unterjocht ist, seine Bedeutung bis zum heutigen Tage nicht verloren hat.
Die Verfasser der Botschaft rufen uns auf, dorthin zurückzukehren, von wo wir uns niemals entfernt haben. Wir betrachteten uns niemals als außerhalb der Mutterkirche stehend, da wir die geistliche und im Gebet ruhende Einheit mit den Märtyrern, den Leidenduldern für den Glauben, mit denen, die sich in die Katakomben zurückzogen, mit allen wahren und rechtgläubigen Christen und mit der Fülle der Russischen Kirche, für die Raum und Zeit nicht existieren, bewahrt haben - "der Geist weht, wo er will". Wenn wir auch außerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes leben, so haben wir doch den russischen Namen niemals verleugnet, uns keiner fremden oberhirtlichen Macht unterstellt und haben dafür in all diesen Jahren Verunglimpfungen und Verachtung von falschen Brüdern und Neidern nicht nur unserer Kirche, sondern auch unserer Heimat erduldet. Und nun ruft man uns auf zurückzukehren - aber wohin...?
Wir bleiben dem Vermächtnis der Solowetzker Gefangenen treu, worin es heißt, daß "nicht in der Vollkommenheit der äußeren Organisation die Kraft der Kirche beschlossen liegt, sondern in der Einheit des Glaubens und der Liebe ihrer treuen Kinder! "
Das sind die wesentlichsten Gründe dafür, daß wir bislang nicht mit einem Mund und einem Herzen zusammen mit denen, die uns rufen, den heiligsten Namen unseres Herrn und Erlösers zu preisen vermögen.
Doch neben diesen so bedeutenden Hindernissen bedrückt uns eine andere nicht minder wichtige Richtung der offiziellen Vertreter des Moskauer Patriarchats auf dem Gebiet des Bekenntnisses der Wahrheit und Einzigartigkeit unseres orthodoxen Glaubens. Mit tiefer Besorgnis beobachten wir eine immer stärkere Einbindung der Patriarchats in eine Form des Ökumenismus sogar mit Heiden und Götzendienern (wir erinnern an das ökumenische Treffen von Assisi).
In großer Beklommenheit verfolgen alle russischen Menschen, was derzeit in der Heimat geschieht, denn wir möchten an die "allumfassende Erneuerung" im kirchlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben unseres Landes glauben. Zu gerne sähen wir Anzeichen dieser Veränderung.
Mutige Stimmen erheben sich, die furchtlos die Fehler und Verstöße der vergangenen Jahrzehnte des Lebens in Rußland verurteilen und eine bessere Zukunft wünschen. Jene, die in unserer Heimat über ethische Probleme der modernen Gesellschaft, über die Gründe der geistlichen Armut, der Lüge, des Verfalls, der Ehrlosigkeit nachsinnen, beginnen, sich darüber Rechenschaft abzulegen, daß sich früher die Kirche gegen das Böse stemmte, daß sie über die Erfahrung der sittlichen Erziehung verfügte, welche die kommunistische Moral nicht zu bieten vermag. Es erheben sich Stimmen, die fordern, nach dem Gewissen zu leben, die feste und zuverlässige Grundlagen zur Erneuerung des Lebens suchen, wohl jene Grundlagen des Glaubens, von denen sich die Erbauer des gottlosen Staates stolz lossagten. Man beginnt zu suchen, man fordert Wahrheit.
Im gleichen Artikel "Von der Reue zum Handeln" betont D.S. Lichatschow, daß "Wahrheit nottut. Wahrheit nicht nur über die Vergangenheit und die Gegenwart... Wenn wir die Wahrheit nur im Nachhinein sagen, feit uns das nicht vor der Wiederholung der vergangenen Fehler. Nur Vertrauen und Offenheit sind fähig, sich der Ausübung von Zwang und Verbechen zu widersetzen".
Das erwarten die Kinder der Kirche in der Hoffnung darauf, daß sich zu diesen tapferen Stimmen die freie Stimme der Russischen Kirche gesellt. Eine Stimme, die religiöse Freiheit fordert, Freiheit der christlichen Verkündigung, Freiheit, in der die "Kultdiener" Hirten der Kirche werden können, die das Wort der Göttlichen Wahrheit ähnlich den Aposteln mutig überall und allen verkünden, die ungehinderten Zugang zu den Gläubigen, der Jugend, den Kindern, den Kranken, Leidenden, zu Krankenhäusern, Privatwohnungen, den Unglücklichen, Einsamen, zu den in Gefängnissen und Lagern Eingekerkerten haben.
Hoffen wir alle auf die allmächtige Hilfe Gottes, denn was den Menschen unmöglich ist, ist Gott möglich, Der Wunder tut. Warten wir auf die Ergebnisse der "allumfassenden Erneuerung" im Glauben daran, daß das was heute unmöglich ist, morgen möglich wird.
Metropolit Vitalij
Erzbischof Antonij
Erzbischof Antonij von Westeuropa
Erzbischof Laurus
Bischof Hilarion
Bote 1988-1
Über ein Interview und die "kurzen Beine" gewisser Briefe
Über ein Interview und die "kurzen Beine" gewisser Briefe
In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung (Nr.12 vom 16.1.88, S. 21) legte der "Exarch für Berlin und Zentraleuropa" des Moskauer Patriarchats, der in Karlshorst residierende Erzbischof German (Timofejeff), seine "nächsten Aufgaben" folgendermaßen dar:
"Wir müssen erst einmal unsere Identität klären. Wir wollen nicht länger mit den exilrussischen Gemeinden verwechselt werden. Diese sind stark politisiert und haben märchenhafte Vorstellungen von einer Restauration des Zarenreiches und geben sich als die legitime russische Kirche aus. Deshalb haben wir letztes Jahr in einem Brief an die Landesregierungen der BRD darauf aufmerksam gemacht, daß allein die russisch-orthodoxe Kirche des Patriarchats von Moskau 'kanonisch' ist, d.h. von Konstantinopel und der gesamten orthodoxen Christenheit anerkannt."
Da dies Teil einer Antwort auf die Frage nach Verbesserung des "Zusammenhalts mit den anderen orthodoxen Kirchen in der Bundesrepublik" war, zeigt sich in diesen Worten, wie das Moskauer Patriarchat solche "Verbesserungen" voranzutreiben sucht. Das skandalöse Schreiben der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland mit Datum vom 26.02.1987, über das wir seinerzeit im "Boten" ausführlich berichteten, erweist sich nun eindeutig als geboren aus einer Zielsetzung des Moskauer Patriarchats, die im übrigen nicht seit gestern, sondern seit langem vorangetrieben wird - nämlich, die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland zu diffamieren. Mit diesem Ziel wurde sie unter solche eingereiht, "die sich orthodox nennen, es aber nicht sind und so ein falsches Bild von der Orthodoxie abgeben" bzw. "die keinen kanonischen Status haben und daher auch keine eucharistische Gemeinschaft mit den kanonischen orthodoxen Kirchen" (so das erwähnte Schreiben, s. "Informationen aus den Orthodoxen Kirchen" Nr.1/1987).
Diese falschen Behauptungen wurden u.a. durch das Bischofskonzil der Serbischen Orthodoxen Kirche widerlegt, das sich veranlaßt sah, einer solchen infamen Lüge die traditionell guten Beziehungen zu unserer Kirche gegenüberzustellen. S.E. Bischof Amfilohije vom Banat fügte hinzu, die Einstellung "gegenüber einer Kirche, die 'die Wunden Christi' trägt, konnte und durfte nicht anders sein" (s. "Bote" 5/87 S. 18). In dieser Auffassung ist unsere Kirche ein lebendiger Teil der leidenden Russischen Kirche. Ganz andere Vorstellungen bringt das Moskauer Patriarchat, auftraggemäß, mit seinen Diffamierungen in die Gemeinschaft der Orthodoxen Kirchen ein. Damit klärt es seine "Identität". Wer kann diesen Verleumdungen bei Christen und Landesregierungen Erfolg wünschen?
Das Schreiben macht dennoch weiterhin die Runde. Es wird u.a. bis heute noch aktiv vertrieben von einem Vertreter des Moskauer Patriarchats, Dr. Werner Günther (Baden-Baden), der seinen Doktortitel mit einer Arbeit erworben hat, die die Hitlersche Rassen- und Wirtschaftspolitik verficht (u.a. in Bezug auf die "Ostgebiete"), und nach dem Zusammenbruch des einen totalitären Régimes jetzt durch seine Aktionen dem anderen ebenso totalitären Régime allerlei Handreichungen macht. Dem Moskauer Patriarchat ist all solches lieb und wert: es schätzt und ehrt "seinen Kirchenältesten", der unsere Kirche konsequent als "rechtsradikal" und "faschistisch" verunglimpft.
Was die "märchenhaften Vorstellungen" betrifft, so übertrifft der hohe Moskauer Vertreter selbst die militant-atheistische Propaganda der letzten Jahre, die immerhin auch demokratisch-parlamentarische Auffassungen unter unseren Gläubigen ausfindig machte (s. N. Gordienko, "Krescenije Rusi..."). Tatsache ist aber, daß es über die Zukunft Rußlands vielerlei Vorstellungen geben kann - warum nicht auch monarchische, schließlich geht es unseren Gemeinden im Königreich Großbritannien, Dänemark u.s.w. nicht schlechter als in der Bundesrepublik, während über den neuen "Märchenprinzen" der KPdSU bei Menschen, die mit Rußland eng verbunden sind, wenig Illusionen herrschen. Im übrigen sieht es unsere Kirche, der Staatsbürger vielerlei Länder angehören, gar nicht als ihre Aufgabe an, politische Aussagen zu machen. Dagegen ist es für verantwortliche Christen wohl nur zu berechtigt, einem erklärtermaßen gottlosen Régime kritisch gegenüberzustehen. Daß wir von Vertretern dieses Régimes, seinen Handlangern und Sympathisanten dafür als faschistisch-militaristisch-imperialistisch-kon-terrevolutionär-rechtsradikal und sogar märchenhaft-monarchistisch bezeichnet werden, sollte niemanden erstaunen, der mit den Methoden eines totalitären Staates vertraut ist. In christlicher Sicht jedoch gibt es Lüge und Wahrheit. Der letzteren dienen weder die Erklärungen der Vertreter des Moskauer Patriarchats, noch das von Moskau bestellte infame Schreiben, unter das - aus welchen Gründen auch immer - auch der griechische und serbische Bischof in Deutschland ihre Unterschriften setzten.
Mit ihren kurzen Beinen können Lügen aber auch gelegentlich zur Klärung gewisser Sachverhalte beitragen... Für diejenigen, die noch Zweifel hatten, wer hinter dem besagten Streich wohl stünde, dürfte klar geworden sein, daß Punkt 6 der Erklärung unseres Diözesanrats vom 25. März 1987 nicht ganz danebenliegt. Da heißt es: "Die drei Unterzeichner des Schreibens machen sich zu Sprachrohren des Alleinvertretungsanspruchs Moskaus für die russische Orthodoxie, den sie durch geschickt mißverständliche Formulierungen zu untermauern suchen. Das ist eine höchst fragwürdige Vorgehensweise. Sie fügt sich widerspruchslos dem politischen Auftrag des Sowjetrégimes an das Moskauer Patriarchat im Ausland: dem unbequemen Phänomen der Kirche im Exil mit eleganten Begriffsverwischungen wie nebenbei die Existenzberechtigung zu entziehen. Grund genug darüber nachzudenken, ob solches Vorgehen der Orthodoxie wirklich dienlich sein kann oder ob es nicht vielmehr ihren Verfolgern dient." (s. Bote 3/87, S.18).
Bote 1988-1
Kalender der Veranstaltungen zum Millennium der Taufe Rußlands:
Kalender der Veranstaltungen zum Millennium der Taufe Rußlands:
in unserer Diözese:
1 a. In Zusammenhang mit dem Millennium der Taufe Rußlands werden in diesem Jahr alle Feiertage der russischen Heiligen besonders feierlich begangen. Auch in den Gemeinden, in denen gewöhnlich während der Woche selten Gottesdienste stattfinden, sollten alle Feiertage der russischen Heiligen gefeiert werden.
b. Am dritten Pfingsttag, d.18./31. Mai 1988, findet in München ein feierlicher Gottesdienst unter Teilnahme aller Geistlichen unserer Diözese statt. Am Abend dieses Tages gibt die Diözese für Gäste aus den Gemeinden und offizielle Vertreter des Staates einen Empfang im "Künstlerhaus" unweit unserer Kathedralkirche. Einzelheiten werden noch rechtzeitig mitgeteilt.
c. Am 6. Juli abends wird in Frankfurt eine große Ausstellung eröffnet, die von unserer Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Museum besorgt wird. In den folgenden Tagen findet eine Reihe von Vorträgen zum Thema der Tausendjahrfeier statt.
d. Vom 7.-9.Juli findet in Frankfurt die ordentliche Diözesanversammlung statt, an der alle Geistlichen, Kichenältesten und gewählte oder zu bestimmende Vertreter der Gemeinden teilnehmen.
e. Am 10. Juli findet in Frankfurt ein feierlicher Gottesdienst unter Teilnahme aller Geistlichen unserer Diözese statt - an diesem Tag entfallen alle anderen Gottesdienste in der Diözese zugunsten dieses zentralen Gottesdienstes aus Anlaß der Tausendjahrfeier.
f. Am 4./17. Juli, dem Tag der kaiserlichen Neomärtyrer findet ein feierlicher Gottesdienst in der vom Märtyrerzaren Nikolaus II. errichteten Kirche in Darmstadt statt.
2. Die Bischofssynode hat ab Große Fastenzeit 1988 die Einfügung besonderer Bitten für die Inständige Ektenie beschlossen.
"In der Inständigen Ektenie, nach: Wir beten auch für die seligen und heiligsten Patriarchen...: fügen wir folgende Bitten ein:
Mit Deinem barmherzigen Auge schau gütig herab, menschenliebender Gebieter, auf die Seufzer, Tränen und Hilferufe Deiner getreuen Knechte, unserer Brüder, die unter schwerem Joch im russischen Lande leben, wie Du auf das Volk Israel schautest, als es in Ägypten war, und befreie sie bald, wir bitten Dich eifrig mit zerknirschtem Herzen, erhöre uns und erbarme Dich.
Deine heiligen Altäre, o Herr, wurden von Deinen elenden Feinden verwüstet, Kirchen geschändet, Deine getreuen Knechte entwürdigt. So schau herab vom Himmel und weise uns nicht vollends von Dir, sondern reinige bald das Land Deiner Menschen von der Gottlosigkeit Deiner Widersacher, so bitten wir in demütigem Geiste zu unserem Gott, Der stark ist in Seiner Macht und wunderbar in Seiner Weisheit, wir bitten Dich, Barmherziger, erhöre uns und erbarme Dich.
Der Du Deine Jünger lehrtest, einander zu lieben, erneuere dieses Gebot durch den Heiligen Geist in den Herzen Deiner Knechte, die in der Vertreibung und Verstreuung leben, und erlöse uns von allen seelenverderbenden Leidenschaften, damit wir immer um Dein Wohlgefallen, die Rettung und den Nutzen unserer Nächsten Sorge tragen, wir bitten Dich, erbarmungsvoller Wohltäter, erhöre uns und erbarme Dich."
Ebenso wurde beschieden, ab 1. Januar 1988 im Verlauf des gesamten Jubiläumsjahres bei den Entlassungen den Erleuchter des Russischen Landes, den "Heiligen Apostelgleichen Großfürsten Vladimir" zu kommemorieren.
Bei Bittgottesdiensten (moleben) an den Gedenktagen der Russischen Neomärtyrer, Aller Heiligen des Russischen Landes und der Kaiserlichen Märtyrer sind ebenso besondere Bitten in die Inständige Ektenie einzufügen.
...und in anderen Diözesen:
11/24.April: Weihe des neuen Glockenturms der Maria-Schutz-Kirche in Nyack, New Jersey.
25. April/8.Mai: Jubiläumsfeiern der Westeuropäischen Diözese in Paris, in der Kirche der rumänischen Gemeinde in Anwesenheit der Wundertätigen Ikone der Allerheiligsten Gottesmutter von Lesna, unter Teilnahme des gesamten Klerus der Diözese.
4/17. Juli: Jubiläumsfeiern mit Vorträgen und Ausstellung in London.
11./24. Juli - Hl. Ol'ga - Weihe der Gedächtnis-Kirche des Hl. Vladimir in Jackson, New Jersey.
15./28. Juli - Hl. Großfürst Vladimir - Am Vorabend Vigil in der Gedächtniskirche, am Feiertag selbst feierliche Göttliche Liturgie mit festlichem Umzug um die Kirche.
16./29 - 17/30. Juli: Jugendtreffen in Lakewood.
18/31 Juli : allgemeiner Festtag zum Gedenken des Hl. Vladimir, des Erleuchters der Rus', in der Gedächtniskirche in Jackson. Zur Liturgie versammeln sich alle Bischöfe unserer Kirche. Nach der Liturgie Prozession und Wasserweihe am See. Festversammlung.
19. Juli/1. August - Hl. Seraphim: Beginn des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland.
25. Juli/7. August: Feiern in der Synodalkathedrale in New York. Nach der göttlichen Liturgie Dankgebete an Gott für Seine Barmherzigkeit gegenüber dem russischen Volk im Laufe von tausend Jahren. Nach dem Gottesdienst um 14.00 Jubiläumsbanket im Hilton Hotel, Grußworte und Ansprachen anläßlich des Jubiläums.
1./14. August: Weihe der neuen Maria-Schutz-Gedächtniskirche in der Hauptstadt Kanadas Ottawa.
8/21. August: Feierlichkeiten im Skit zur Verklärung des Herrn in Mansonville in Canada.
22. August/4. September: Weihe des neuen Glockenturms im Hl. Dreifaltigkeitskloster in Jordanville.
29. August/11. September: Enthauptung des Hl. Johannes d. Täufers - Weihe der Kirche des Hl. Johannes d. Täufers in der Hauptstadt der USA in Washington.
26. September/9. Oktober: Feierlichkeiten der Kanadischen Diözese in Montreal.
1./14. Oktober: Schutz-Fest der Allerheiligsten Gottesmutter - Feier des 100-jährigen Bestehens der Kirche der Hl. Maria Magdalena in Gethsemane in Jerusalem. Pilgerfahrt ins Hl. Land unter Leitung des Erzbischofs Laurus.
3./16. Oktober: Feierlichkeiten in San Francisco.
Bote 1988-1
Aus anderen Kirchen
Aus anderen Kirchen
Vom 8. bis 10. Oktober letzten Jahres versammelte sich das Bischofskonzil der Serbischen Orthodoxen Kirche zu einer außerordentlichen Sitzung, die ausschließlich der Analyse der aktuellen Probleme der Kirche und der Gläubigen und dem Verhältnis zwischen Kirche und -Staat gewidmet war. Die Bischöfe verliehen ihre Sorge über den anhaltenden Druck auf die Schüler in den Schulen Ausdruck, welche religiöse Unterweisung erhalten und am kirchlichen Leben teilnehmen wollen. Sie vermerkten auch, daß es den Wehrpflichtigen während der gesamten Dauer ihres Wehrdienstes verboten ist, die Kirche zu besuchen und ihren Glauben zu bekennen. Mehrere Wehrpflichtige wurden in letzter Zeit zu Gefängnisstrafen wegen angeblichen Verstoßes gegen die "politische Ordnung" verurteilt. Den Priestern ist es verboten Krankenhäuser zu besuchen, um dort den Gläubigen die Beichte abzunehmen und die Heiligen Gaben zu reichen.
Das Bischofskonzil ist besonders darüber beunruhigt, daß der Atheismus weiterhin als einzige "wissenschaftliche Erklärung aller Probleme der Menschheit propagiert wird und die Gläubigen aus diesem Grund in Universitäten und kulturellen Einrichtungen Pressionen unterworfen werden. Die Kirche hat keinen Zugang zu Rundfunk und Fernsehen.
Einige Diözesanbischöfe traten mit Mitteilungen über die Einengung der konstitutionellen Rechte der Kirche an die Öffentlichkeit, die sich z. B. in der illegalen Enteignung kirchlichen Besitzes und der systematischen Verweigerung von Baugenehmigungen für kirchliche Gebäude ausdrücken. Die Serbische Orthodoxe Kirche konnte bisher immer noch nicht die Priesterseminare in Sarajevo und Sremski Karlovci wieder aufbauen, wie auch die alte Patriarchats Bibliothek in Sremski Karlovci.
Besondere Besorgnis der Kirche ruft die tragische Entwicklung in Kosovo hervor, wo die Regierung, trotz vielfacher Versprechen nichts zum Schutz der orthodoxen Bevölkerung vor den Übergriffen der moslemischen Schiptaren unternimmt. Die Bischöfe sagten dem Bischof von Rascha und Prizren, Paul, ihre moralische Unterstützung zu , und riefen die Gläubigen in Kosovo dazu auf, ihre angestammte Heimat nicht zu verlassen. (SOP Nr. 123 u. Banatski Vesnik 4/87).
Während der letzten Monate unternahm der Patriarch von Konstantinopel, Dimitri I. eine Reihe von Besuchen in den übrigen Orthodoxen Nationalkirchen. Nach Abschluß dieser Reisen besuchte der Patriarch auch das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, den Erzbischof von Canterbury, sowie den Papst von Rom. Während des Aufenthaltes des Ökumenischen Patriachen in Rom ereigneten sich einige für das orthodoxe Empfinden erstaunliche Dinge. Nach einigen Berichten zelebrierten der Papst und der Patriarch halbwegs gemeinsam eine Liturgie, wobei sie sich offensichtlich zum eucharistischen Kanon und zur Kommunion trennten. Nach unserem Verständnis kann eine solche seltsame Handlungsweise nur zur Verwirrung der Gemüter führen. Doch verfügen wir bis jetzt über keine genauen Nachrichten und können daher auch keine richtige Einschätzung der Ereignisse geben.
Nach seinem Besuch in Rom besuchte der Ökumenische Patriarch auch den Weltrat der Kirchen in der Schweiz und das Orthodoxe Zentrum der Kirche von Konstantinopel in Chambésy (SOP Nr. 123).
Zur 1200- Jahrfeier des Siebenten Ökumenischen Konzils, das im Jahr 787 die Verehrung der Ikonen festlegte, fanden vom 10. bis 17. Oktober 1987 in Istambul Feierlichkeiten statt, die mit einem historischen und theologischen Symposium verbunden waren. Dieses Symposium wurde von der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung der Konzilsgeschichte veranstaltet. Am Sonntag den 11. Oktober zelebrierte der Ökumenische Patriarch unter Konzelebration einer großen Zahl von Bischöfen, die aus dem Ausland angereist waren, die göttliche Liturgie. Am 12. Oktober besuchten die Teilnehmer des Symposiums die alte Stadt Nicäa (das heutige Iznik), in welchem das 1. und 7. Konzil stattgefunden hatte. Hier wurde in der alten Kirche der Hl. Sophia, die von den Türken in ein Museum verwandelt wurde, die Liturgie gefeiert. Dies war das erste Mal, daß die türkischen Behörden dem Patriarchen gestatteten, an einer internationalen Konferenz in der Türkei teilzunehmen und einen Gottesdienst in einer der alten christlichen Kirchen zu feiern (SOP Nr. 123).
Bote 1988-1
Aus dem Leben der Diözese
Aus dem Leben der Diözese
Am 6/19. Dezember 1987 fand aus Anlaß des Patronatsfestes ein bischöflicher Gottesdienst in der St-Nikolaus Gemeinde in Frankfurt statt. Mit dem Hochgeweihten Bischof Mark zelebrierten der Vorsteher dieser Kirche, Erzpriester Dimitry Ignatiew, sowie Erzpriester Paul Echinger, Priester Evgenij Sapronov, Mönchsdiakon Agapit und Diakon Slawomir Iwaniuk.
Jugendtreffen der Deutschen Diözese
Wie in den vergangenen Jahren fand auch in diesem Dezember in der Zeit nach dem westlichen Weihnachtsfest in München das Jugendtreffen der Deutschen Diözese statt. Im folgenden geben wir die Eindrücke eines Teilnehmers wider, der wohl micht alles so erfaßte, wie es gesagt wurde, aber dennoch ein sehr lebendiges Bild vermittelt:
Vom 27. -29. Dezember 1987 fand im Münchener orthodoxen Kloster des Hl. Hiob von Pocaev ein Treffen Orthodoxer Jugend statt. Das Treffen wurde nun bereits zum fünften Mal auf Initiative von S.E. Mark, des Bischofs von Berlin und Deutschland, durchgeführt. Wenn dieser Kongreß auch formal im Rahmen der Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland organisiert wird, nehmen daran doch in steigendem Maße auch junge Menschen aus anderen europäischen Ländern teil. Der Kongreß wird auf diese Weise zu einem multinationalen Treffen junger Orthodoxer, bei weitem nicht immer russischer Herkunft, die darum bemüht sind, ihre Kenntnisse von der Orthodoxie zu vertiefen, durch die Vertrautheit mit dem Kloster im kirchlichen Leben Wurzeln zu schlagen. Deshalb stellen die Gottesdienste einen wichtigen Teil des Treffens dar.
Unter den Vorträgen dieses Jahres möchten wir auf die drei grundlegenden eingehen. Das erste, "Die Taufe Rußlands und das gottlose Zeitalter", hielt Vater Nikolai Artemoff. Er richtete das Augenmerk auf Momente des Umbruchs in der Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche in Zusammenhang mit der allegemeinen europäischen Geschichte. Nachdem Rußland noch vor der Trennung der Christenheit in West und Ost die Traditionen des geistlichen Lebens und Gebets aus Byzanz übernommen hatte, war es durch seine gesamte Geschichte aufs engste und in besonderer Weise mit den allegemein-europäischen geistlichen Strömungen und Entwicklungen verbunden. So wurde die Russische Kirche stark in den westlichen Streit der Epoche der Reformation einbezogen, ohne dessen Verständnis es auch schwer ist, unser Altgläubigen-Schisma recht zu verstehen. Schon hier beginnt das russische Westlertum, meint Vater Nikolai, denn Peter I. ist eine Antwort auf Nikon.
Die Petrinische Reform der Kirchenverwaltung war dem Wesen nach eine autoritär-protestantische Konzeption der Kirche als Teil des Staates. In der Theologie der Russischen Kirche dagegen überwogen seit dem Schisma bis Ende des 19. Jh. katholische scholastische Tendenzen - es reicht, darauf hinzuweisen, daß während dieser ganzen Zeit Theologie an den geistlichen Schulen in lateinischer Sprache gelehrt wurde, in Loslösung von den eigenen Wurzeln.
Das bedeutet, daß in der Russischen Kirche ebenfalls katholische und protestantische Strömungen aufeinanderstießen, wobei eigentlich bis zum Ende des 19. Jh. die Orthodoxie in den Hintergrund gedrängt war, meint Vater Nikolai. Es ist charakteristisch, daß einer der ersten Denker, die die Abnormalität dieser Situation erkannten, Chomjakov, gezwungen war, seine Arbeiten im Ausland zu veröffentlichen. Doch als die Russische Orthodoxe Kirche allmählich ihr wahres Gesicht fand, reiften in der Gesellschaft neue Probleme, die mit der Tätigkeit der sozialistischen Parteien verbunden waren. Und diese Probleme forderten andere Antworten, die zu finden zunächst nicht leicht war.
Vater Nikolai bemerkte in seinem Vortrag, daß weder Marx noch seine Anhänger in Rußland mit der Orthodoxie vertraut waren. Sie polemisierten stets mit dem westlichen, nicht aber dem orthodoxen, Verständnis von Gott. Auf die Orthodoxie war ihre Kritik nicht anwendbar, doch die Russische Kirche konnte als Folge ihrer langwierigen falschen Situation dieser Kritik keinen würdigen Widerstand leisten. Die Wiederherstellung des Patriarchenamtes und der Unabhängigkeit der Russischen Orthodoxen Kirche erfolgte zu spät - das Landeskonzil 1917 hielt seine Sitzungen schon unter der Kanonade bolschewistischer Geschütze ab... Natürlich ist die Einberufung dieses Konzils mitnichten das Verdienst der Bolschewiken, wie sie das jetzt behaupten. Es wurde unter der Provisorischen Regierung einberufen. Die Wiederherstellung des Patriarchenamtes war lange vorbereitet worden, und daran kommt das größte Verdienst Metropolit Antonij Chrapovickij zu.
Die beiden anderen Vorträge auf dem Münchener Jugendtreffen waren konkreten Fragen des orthodoxen Lebens gewidmet, die die Jugend besonders beschäftigen. Dies waren Fragen des Verhältnisses zu Leib, Geschlecht, Ehe. Gehen wir näher darauf ein, da man in der sowjetischen Presse wohl unlängst begann, darüber offener zu schreiben, von der geistlichen Beleuchtung dieser Fragen jedoch nicht die Rede sein kann.
Der zu dem Treffen eingeladene Professor der Athener Universität Johannes Panagopoulos hielt ein Referat über "Die orthodoxe Theologie des Leibes", in dem er sich auf die Werke der Heiligen Väter stützte. Er unterstrich, daß für die Orthodoxie die Trennung von Leib und Seele, wie dies im Platonismus auftritt, nicht charakteristisch ist. Im Gegenteil: die Orthodoxie lehrt von der Realität der menschlichen Auferstehung im Leibe - und darin unterscheidet sie sich von allen anderen Religionen. Die Orthodoxie betrachtet Geist und Leib in ihrer Einheit, was auch im kirchlichen Leben seinen Ausdruck findet, wie z.B. in der Verehrung der Ikonen.
Eben diese Annahme des Leibes macht das lichte Verhältnis der Heiligen Väter zum Leben aus, sagt Professor Panagopoulos. Der Leib des Menschen ist zur Teilnahme an der Fülle des kosmischen Lebens geschaffen. Der Mensch vereint in sich die geistige und materielle Welt und wirkt in dieser wie in jener. Ist im Platonismus der Körper das Gefängnis der Seele, so ist er für die Heiligen Väter ihr Tempel, Ort der Erscheinung der göttlichen Energie, die berufen ist, die Welt zu verändern - in erster Linie durch die Liebe. Die Askese in Hinsicht auf den Körper muß man als das Erreichen größerer Freiheit in dieser schöpferischen Tätigkeit sehen, damit der Leib, befreit von Unmäßigkeit und Lastern, leichter seiner Bestimmung gerecht werden kann.
Noch konkreter war der Vortrag von Erzpriester Ambrosius Backhaus. Dieser geistliche Würdenträger ist zugleich Arzt und wirkt als Hafenarzt im Hamburger Hafen. Das Thema seines Vortrags - "Mann und Frau in der Orthodoxie" - rief eine sehr lebendige und offenherzige Diskussion unter den Teilnehmern des Jugendtreffens hervor.
Es ist nicht richtig, anzunehmen, wie das einige christliche Strömungen tun, daß die Ehe nur durch die Kinderzeugung gerechtfertigt sei, sagt Vater Ambrosius. Was bleibt dann den Ehepartnern, die über 50 oder 60 sind? Eine solche Betrachtensweise des Menschen als Erzeuger ist irgendwie materialistisch. Die Orthodoxie segnet die Ehe als die Liebe zweier Menschen, und zwar auch körperliche. Sie edelt dabei die Ehe und faßt sie als eine Form der Askese auf: für die Ehepartner gibt es nur einen Mann und eine Frau - sie allein - alle anderen Menschen sind aus ihrem Geschlechtsleben ausgeschlossen, sie sind einfach Menschen. Kinder betrachtet die Orthodoxie als Bürger des Reiches Gottes. Denn der Mensch lebt auf der Erde zeitweilig, er wird für ein größeres, ewiges Leben geboren. Daher nimmt der Mensch durch die Kinderzeugung teil an der Schöpfung Gottes. So etwa verstand die Kinderzeugung auch Dostoevskij.
Im Rahmen des Treffens war auch Zeit gelassen für intimere Gespräche unter gleichaltrigen Verheirateten mit denen, die sich noch auf die Ehe vorbereiten. Vorallem wurde das gegenwärtige Problem der Geburtenregelung angeschnitten - wie verhält sich dazu die Orthodoxie? Die Referenten waren sich darin einig, daß der orthodoxe Seelsorger die Antwort auf diese Frage gibt, auf der Grundlage nicht von mechanischen oder juristischen Überlegungen, sondern aus der individuellen Kenntnis des Einzelnen, mit Rücksicht auf die individuelle Situation der Ehepartner, in erster Linie mit dem Ziel der Vervollkommnung ihrer geistlich-körperlichen Natur. Diese Natur ist hierarchisch, in ihr nimmt der Geist die höchste Stufe ein, der Körper die niedrigste. Das orthodoxe Ideal der Ehe ist die Keuschheit. Aber Keuschheit ist ganzheitlich zu verstehen, in der Einheit von Geist und Leib, und hierhin gehört nicht nur die sexuelle Sphäre, sondern der Körper als solcher. Der Körper als Instrument, dessen wir uns zum Leben in dieser Welt bedienen, zum Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen.
An einem der Tage der Begegnung gesellte sich Igor' Ogurzov zu der orthodoxen Jugend, der vor kurzem nach Beendigung seiner 20-jährigen Lagerhaft, die ihm die Gründung der "Sozial-Christlichen Union zur Befreiung des Volkes" eingetragen hatte, aus der Sowjetunion nach München kam. Ogurzov unterstrich, daß die wahre Alternative für den kommunistischen Kollektivismus der christliche Personalismus ist, die geistliche Wiedererweckung unseres Landes. Die Anwendung des Christentums auf das soziale Leben ist die menschliche Freiheit, die Heiligkeit der Familie, brüderliche Beziehungen unter den Menschen, echte und freiwillige Einmütigkeit der Völker unseres Landes, die diese rußländische Einheit wünschen.
"Die Erfahrung des Totalitarismus, der von Rußland durchlebt wird, ist einzigartig", sagte Igor' Ogurzov in seiner Ansprache. Die Zukunft wird keine Kopie eines westlichen Modells sein, Rußland hat seine eigenen Varianten der Entwicklung, dahin bewegt sich auch der Westen, er steht nicht still. Die Entwicklung der Ereignisse im heutigen Rußland, das Anwachsen der Aktivität einer unabhängigen Öffentlichkeit, darunter auch einer religiösen, läßt einige Hoffnung auf das Entstehen einer christlich-sozialen Bewegung aufkommen, die den christlich-sozialen Parteien im Westen vergleichbar ist. Die Verwirklichung der Ideale dieser Bewegung in Rußland würde eine harmonische Vereinigung mit den westlichen christlichen Nationen ermöglichen.
Zum Abschluß die Eindrücke einer Teilnehmerin des Treffens, die erst als Erwachsene getauft wurde und zum ersten Mal an einer so offenen Diskussion wichtiger Probleme des Lebens aus orthodoxer Sicht teilnahm. Sie heißt Nila Ramayya; bevor sie in den Westen kam, war sie Schauspielerin des Moskauer Kreistheaters. "Mich beeindruckte die geistliche Harmonie der Teilnehmer des Treffens, ihre tiefschürfende Fragestellung zu lebenswichtigen Problemen, das harmonische Ineinandergreifen der Vorträge, Diskussionen, Gottesdienste... Ich fühlte, daß wir alle in der Kirche wirklich der eine Leib Christi sind".
Wenn man solche Äußerungen über das Münchener Jugendtreffen hört und deutlich erkennt, daß nur auf dem christlichen geistlichen Fundament alle anstehenden Probleme der sowjetischen Gesellschaft zu lösen sind, denkt man: wann wird sich endlich die Jugend in Rußland so zu Diskussionen über die wichtigsten Fragen des Sinns unseres Lebens versammeln können? Wann wird es der Russischen Kirche in der Heimat gestattet sein, an der "Perestrojka" teilzunehmen?
M.N.
Das gesamte Jugendtreffen verlief in einer äußerst freundschaftlichen und herzlichen Atmosphäre, in der die ca. 100 Teilnehmer vom ersten Moment an alle eine gemeinsame Sprache und gegenseitiges Verständnis fanden. Besonderer Dank gebührt der Schwesternschaft der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in München, die unter Leitung der Ältesten Schwester, V.G. Monditsch, an allen drei Tagen für eine schmackhafte, und doch den Fastenregeln entsprechende, Verpflegung der Jugendlichen sorgte.
Das nächste Jugendtreffen findet vom 26.-28. Dezember 1988 statt.
Am 28. Dezember/ 10. Januar 1988 wurde in Frankfurt der Diakon Slavomir Ivaniuk zum Priester geweiht. Vater Slavomir wurde 1958 im heutigen Polen geboren, studierte an der Philosophischen Fakultät der Warschauer Universität und floh 1981 nach Deutschland. Am 6./19. Dezember 1985 wurde er zum Diakon geweiht und diente seitdem in der St.-Nikolaus-Kirche in Frankfurt. Als Priester wird er unsere Gemeinden in Wiesbaden und Darmstadt betreuen.
Nach der Priesterweihe, am 10. Januar besuchte Bischof Mark mit seiner Begleitung und dem neugeweihten Priester die Weihnachtsfeier für die Kinder der St-Nikolaus Gemeinde.
Am 17. Januar veranstaltete die Nikolaus Gemeinde in München ihre Weihnachtsfeier. Wie in Frankfurt, so sangen die Kinder der Gemeindeschule und unseres Kindergartens auch hier Weihnachtslieder und rezitierten Gedichte.
Bote 1988-2
Osterbotschaft
an die gottfürchtigen Gläubigen
der Diözese von Berlin und Deutschland
Christus erstand von den Toten - mit diesen siegreichen Worten auf den Lippen schritten viele der Neomärtyrer Rußlands zu ihrem Martyrium. Wieviel Kraft schöpften sie aus der Gewißheit der Auferstehung Christi! Wieviel stille Freude vermittelte ihnen das Bewußtsein der gemeinsamen Auferstehung der Menschheit! Wieviel Entschlossenheit gab ihnen die sichere Erwartung des neuen gottmenschlichen Lebens!
Das ruhige Leben in einem christlichen Staat, so mag es scheinen, bereitete weder die Geistlichen noch die Laien in irgendeiner Weise auf das Martyrium vor. Umso erstaunlicher kann uns jene ruhige Würde erscheinen, mit der sie die verschiedensten Arten von Qualen aus den Händen der Atheisten annahmen: die einen wurden in der Königspforte der Kirche gehenkt, andere gekreuzigt, an Schiffsschrauben gefesselt, mit eiskaltem Was-ser bis zum Erstarren in einer Eissäule übergossen, vergewaltigt, in Stücke geschnitten, lebendig begraben, in die Öfen von Lokomotiven geworfen, in unerträglicher Zwangsarbeit langsam zu Tode gequält. All dies geschah im Namen der neuen Ordnung oder perestrojka, zugunsten einer besseren Zukunft, die wir heute vor uns sehen als die in der vollendeten Anwendung subtilster Mittel vollkommenste Sklavenhaltergesellschaft. Und all das wird heute mit der beschönigenden Bezeichnung "Fehler der Vergangenheit" überdeckt.
Wenn auch auf den ersten Blick niemand und nichts die russische orthodoxe Gesellschaft auf das Martyrium vorbereitete, so nahm sie diesen Weg doch vollkommen organisch und selbstverständlich an.
Diese ruhige Gelassenheit war allein deshalb möglich, weil unmittelbar mit der Taufe des Hl. Vladimir und des russischen Volkes der Weg und das Bewußtsein der innigen Verquickung von Kreuz und der Auferstehung aufgenommen und im gesamten Verlaufe der tausend Jahre des Christentums in Rußland nie dem Vergessen anheimgegeben wurde. Die christliche Predigt stieß in Rußland auf die unterschiedlichsten Schwierigkeiten und Hindernisse, doch der russische Priester und das orthodoxe Volk vergaßen niemals, daß die Auferstehung auf die Kreuzigung folgt. Daher war das Martyrium ein organischer Bestandteil des christlichen Weges unserer Brüder, die im Laufe der letzten siebzig Jahre durch die Hände der Gottlosen gepeinigt wurden und das leiderfüllte russische Land in das Purpur ihres Blutes tauchten. Sie verliehen dem russischen Land die zweite Taufe, die Bluttaufe, indem sie mit sicheren Schritten vom Taufbecken zur Kreuzigung und Auferstehung gingen, darum wissend, daß es keine bleibende Stadt auf der Erde gibt und unser Vaterland sich dort befindet, wo Christus ist.
Wenn wir, liebe Brüder und Schwestern, in diesem tausendsten Jahr nach der Taufe Rußlands die triumphierenden Worte des Auferstehungs-Tropars hören: "Christus erstand von den Toten, Er zertrat den Tod durch den Tod und schenkte den in den Gräbern Weilenden das Leben", müssen wir dann nicht die Frage fürchten, wie fest wir auf dem Boden dessen stehen, was die tausendjährige christliche Erfahrung in Rußland vorzeichnete? Können wir auf die ruhige Gewißheit der Richtigkeit unseres Weges vertrauen, die nicht nur unsere Neomärtyrer auszeichnete, sondern genauso alle vorhergehenden Helden russischer orthodoxer Frömmigkeit im Laufe der vergangenen tausend Jahre? Stehen wir fest und unbesiegbar auf den Grundlagen unseres reinen orthodoxen Glaubens, unverfälscht und ungetrübt von jeglichen Kompromissen und Abstrichen gegenüber Unglauben, Kleingläubigkeit, Glaubensverfälschung und allen anderen Arten vermeintlicher Erneuerung?
Ist unser Glaube an die Auferstehung Christi stark und wirksam?
Denn wirkliche österliche Freude kann uns erst auf dem Kreuz- und Auferstehungs-Weg kraft unseres persönlichen Todes am Kreuz des Fastens erfassen: nach wahrhaft-geistlicher Verneigung vor dem lebenspendenden Kreuz, die in unserer freiwilligen Kreuzigung aller unserer Leidenschaften - persönlicher, moralischer, nationaler, politischer - beschlossen ist.
Dies ist der einzige Weg der für uns so notwendigen, rettungbringenden Gemeinschaft mit den uns am nächsten stehenden Heiligen Neomärtyrern in der Einen Kirche der Heiligen. Dies ist wahrhaftig der Weg, auf dem uns der Herr und Wegbereiter Selbst führt und auf dem nach der Finsternis der Beerdigung das nicht Abend-werdende Licht der Auferstehung aufleuchtet - für jeden von uns, der in der lebendigen Gemeinschaft der Askese im Namen des Einen Lichtspenders Christus gereinigt, geläutert und erleuchtet ist.
Auf diesem Weg ergießt sich die lichte Auferstehung Christi in unseren Willen und Verstand, läßt ihre Strahlen in unsere Herzen fließen, durchdringt unsere Leiber wie Licht und Kraft, vereinigt uns mit den gesamten, viele Tausende zählenden, Heerscharen der Heiligen, und läßt uns so zu Söhnen Gottes Selbst werden. Der Gottessohn stieg aus Mitgefühl für uns bis zur Unterwelt herab, um den menschlichen Körper zu verherrlichen und über die Engel zu erheben, um uns in Seinem Leib, der Kirche, zu vereinigen. Daher stimmen wir als lebendige Glieder Seines Leibes mit den Engeln in den freudigen Gesang ein: "Alles ist jetzt mit Licht erfüllt, Himmel und Erde und Unterwelt. So soll denn alle Schöpfung Christi Erweckung feiern, in der sie Bestand gefunden hat".
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Ostern 1988
MARK, Bischof von Berlin
und Deutschland
Bote 1988-2
Aus dem Leben unserer Diözese
Aus dem Leben unserer Diözese
Übertragung der Gebeine
Am Vorabend des diesjährigen Feiertags der Neomärtyrer und Bekenner Rußlands, dem 24. Januar/ 6. Februar 1988 zelebrierte in der Hl. Nikolaus-Kathedrale in München den abendlichen Gottesdienst S:E. Mark, der Bischof von Berlin und Deutschland, assistiert von Priester Anastasij Drekopf und den Diakonen der Kathedrale. Zu Beginn der Vigil brachte Bischof Mark aus dem Kloster des Hl. Hiob von Pocaev in Obermenzing Teilchen der Hl. Reliquien der Neomärtyrerinnen Elisabeth und Barbara.
Die Großfürstin Elisabeth, von Geburt eine Darmstädter Prinzessin - Schwester der Zarin-Mär-tyrerin Alexandra - gründete nach der Ermordung ihres Mannes, des Großfürsten Sergij 19 eine monastische Gemeinschaft, deren Vorsteherin sie selbst wurde. Als die gottlosen Bolschewiken sie verhafteten, wollte ihre Gehilfin, die Nonne Barbara, ihre Äbtissin nicht verlassen. Obwohl letztere ihr riet, fortzugehen und die Bolschewiken ihr drohten, daß sie das schwere Schicksal der Großfürstin teilen werde, wenn sie sich nicht entferne, bewahrte die einfache russische Bäuerin, die Nonne Barbara, ihrer Äbtissin bis zum schrecklichen Ende die Treue und nahm mit ihr gemeinsam aus den Hän-den des Heilands den Märtyrerkranz entgegen.
Am Tag nach der Ermordung der Zarenfamilie in Ekaterinburg, am 5/18. Juli 1918, wurde die Äbtissin Elisabeth mit anderen Märtyrern in einen Bergwerksschacht in der Nähe des Städtchens Alapaevsk geworfen, worauf ihnen Handgranaten nachgeschleudert wurden. Einige dieser Märtyrer starben nicht sofort, sondern wurden schwer verletzt - unter ihnen befand sich auch die Hl. Elisabeth. Das schloß man daraus, daß noch einige Zeit nach der grausamen Tat in dem Bergwerk leiser Kirchengesang zu vernehmen war. Die Hl. Märtyrerin mühte sich, um die Schmerzen der anderen Verwundeten zu lindern. Als die weißen Truppen nach einiger Zeit wieder die Gegend um Alapaevsk einnahmen, fanden sie die sterblichen Überreste der Großfürstin ELisabeth und ihrer Assistentin Barbara und überführten sie über den Fernen Osten, China, ins Heilige Land, nach Jerusalem. Hier wurden sie in der Kirche der Hl. Apostelgleichen Maria Magdalena im gleichnamigen Kloster beigesetzt, womit der Wunsch der Großfürstin in Erfüllung ging, die bei der Einweihung dieser großartigen Kirche in Gethsemane zugegen gewesen war und damals den Wunsch geäußert hatte, hier ihr Leben zu beschließen. Zur Verherrlichung der Heiligen Neomärtyrer und Bekenner des Russischen Landes wurden Teilchen der Reliquien dieser beiden Neomärtyrerinnen aus Jerusalem in die Synodalkirche der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland in New York gebracht, und alle Bischöfe erhielten kleine Teile davon. Aus diesen Teilen, die jetzt in unserem Kloster in München ruhen, trennte Bischof Mark zum Fest der Neomärtyrer in diesem Jahr kleine Teilchen heraus, um sie in die neuangefertigte Ikone der Neomärtyrer in der Kathedralkirche einzulassen.
Während des Polyeleos trug Bischof Mark, in rote Gewänder für Märtyrer-Feste gekleidet, auf einem Diskos die Teilchen der Reliquien aus dem Altar zu der in der Mitte der Kirche befindlichen großen Ikone der Neomärtyrer und Bekenner Rußlands. In der Ikone war vorsorglich eine Vertiefung für die Reliquien angebracht. Die Altardiener brachten ein kleines Gefäß mit heißem Wachs, das mit aromatischem Weihrauch, Rosenwasser u.s.w. gemischt war, welches der Bischof unter Assistenz von Erzpriester Alexander Nelin und Priester Anastasij in diese Vertiefung goß, um dann vorsichtig die heiligen Reliquien einzusetzen. Heilige Ehrfurcht umfing alle Betenden. Die Verneigung vor dem schrecklichen Martyrium der Neomärtyrer der Russischen Orthodoxen Kirche, die uns zeitlich so nahestehen, wurde plötzlich ganz deutlich faßbar, unsere Verbindung mit ihnen greifbar. Sie sind unter uns. Sie beten für uns. Und das ist für uns im Jahr des tausendjährigen Jubiläums der Taufe Rußlands besonders wichtig. Heilige Neomärtyrerinnen Elisabeth und Barbara, betet zu Gott für uns!
Baden-Baden
In Baden-Baden entschied das Gericht bereits vor längerer Zeit, daß die Verklärungs-Kirche unserer Diözese gehört. Dennoch ist bisher die Lage hinsichtlich der Benutzung unserer Kirche nicht endgültig geklärt, und wir müssen immer noch die Gottesdienste abwechselnd mit den unkanonischen Vertretern des Moskauer Patriarchats durchführen. Zu Beginn des Jahres 1988 setzte das Gericht einen neuen Suquester ein, der für die ordnungsgemäße Absprache zwischen beiden Par-teien und für technische Fragen zu sorgen hat. Unsere Diözese konnte jedoch diesen Sequester nicht akzeptieren, da er früher mehrfach als Fürsprecher für die Moskauer Seite aufgetreten war. Der "Kirchenälteste" des Moskauer Patriarchats, Günther - bekannt als Verfechter der hitlerschen Politik, insbesondere der Rassenpolitik und der Pläne der Nazis für die "Ostgebiete" - erwähnte in seinen Schriften den jetzt ernannten Sequester lobend als Mitglied und Vertreter seiner Gemeinde. Als unsere Diözese diesen Sequester ablehnte, nahm das Gericht die Schlüssel der Kirche zu-rück, und unsere Gemeinde, die erst am Tag vor dem Anfang Februar anberaumten Gottesdienst vom Fehlen der Kirchenschlüssel erfuhr, stand am Sonntag morgen vor den verschlossenen Türen der eigenen Kirche in der winterlichen Kälte. Der Vorsteher der Gemeinde, Vater Miodrag Glisic, feierte vor der Kirche einen Bittgottesdienst zur Befreiung des russischen Volkes von der Herrschaft der gottlosen Kirchenverfolger. Die Gemeinde bittet alle Gläubigen der Diözese um Unterstützung - wenigstens im Gebet.
Bote 1988-2
Aus anderen Diözesen
Priester in Rußland unterstellen sich der Auslandskirche
Zum Ableben von S.E. Bischof Innokentij
Ökumene mit den Augen eines islamischen Denkers und eines jüdischen Professors
Unsere Kirche in der Heimat
Aus anderen Diözesen
Ableben des Hochgeweihten Nikandr, des Bischofs von São Paulo und Brasilien
Am 2. Dezember 1987 verstarb im Flugzeug S.E. Nikandr (Paderin), der Bischof von São Paulo und Brasilien. Vladyka hatte sich schon im Sommer vergangenen Jahres einer Krebs-Operation in den Vereinigten Staaten unterzogen und wollte nun zur weiteren Behandlung nach San Francisco fliegen. Auf dem Weg verstarb er. Das Flugzeug mit dem Körper des Bischofs landete in Perú, wo eine Obduktion erfolgte und die ihn begleitenden Hypodiakone ihn in bischöfliche Gewänder kleideten. Danach wurde er nach San Francisco gebracht, wo der Beerdigungsgottesdienst und die Beerdigung stattfanden. Vladyka Nikandr war erst 60 Jahre alt.
Priester in Rußland unterstellen sich der Auslandskirche
Das Informations-Bulletin "Keston News" vom 5.11.87 teilt mit, daß sich zwei Priester der"Wahren Orthodoxen Kirche", d.h. der Katakombenkirche, die mit den Namen "Priester Gurij und German" unterzeichneten, an Metropolit Vitalij ein Gesuch um Aufnahme in seinen Jurisdiktionsbereich stellten. Anlaß zu diesem Gesuch war die Sorge, ohne hierarchische Führung zu bleiben.
Dies ist nicht das erste Mal, daß der Bischöfliche Synod derartige Gesuche erhält. Neu ist daran je-doch, daß bisher solche Gesuche vertraulich an den Synod gerichtet wurden, während nun im Fall dieser beiden Priester davon eine weltliche und nicht einmal orthodoxe Agentur berichtet.
Keston News erhielt ebenfalls die ersten zwei Ausgaben einer neuen Untergrundzeitschrift (religiöser Samizdat) unter dem Titel "Für Orthodoxie und Selbstherrschaft". Die Redaktion dieser Zeit-schrift teilt ihren Lesern mit, daß sie sich der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland verbunden fühlt und sich der Autorität ihres Ersthierarchen, Metropolit Vitalij, unterstellt.
Zum Ableben von S.E. Bischof Innokentij
Am 22. Dezember 1987 verstarb in Buenos Ai-res an Krebs S.E. Innokentij, der Bischof von Bue-nos Aires und Argentinien und Paraguay (vormals Erzpriester Ioann Petrov). Bischof Innokentij war als junger Mensch Soldat und nahm am Bürgerkrieg in den Reihen der Freiwilligen-Armee teil. Er gehörte zu der Abteilung, die als erste in das Ipa-t'ev-Haus gelangte, in dem in Jekaterinburg die Za-ren-Familie und ihr Gefolge den Märtyrertod erlitten. Damals nahm sich Vladyka ein Stück der Stukkatur, auf dem sich Blut der Neumärtyrer befand, und hütete dieses Heiligtum all diese Jahre, indem er es in einem kleinen Gefäß auf der Brust trug. Nach seinem Ableben wurde diese Reliquie durch Bischof Hilarion an Metropolit Vitalij weitergereicht.
Anfang letzten Jahres fühlte sich Bischof Innokentij bereits so schlecht, daß er seine Diözese nicht mehr leiten konnte, und er bat um Versetzung in den Ruhestand. Dennoch reiste er zwischen Argentinien und Paraguay, um die Gemeinden zu betreuen. Zum letzten Mal holte ihn Erzpriester Vladimir Schlenev mit dem Auto aus Paraguay nach Argentinien, doch schon während der Reise setzten starke Blutungen ein, und Vladyka wurde sofort ins Krankenhaus in Buenos Aires eingeliefert. Hier konnte er sich noch vor seinem Tod von seinem aus Jugoslawien herbeigeeilten Sohn verabschieden. Bischof Innokentij war ein großer Patriot. Er kämpfte sowohl im Bürgerkrieg als auch im Zweiten Weltkrieg gegen die kommunistischen Machthaber. In Jugoslawien, wo er in der Emigration lebte, hinterließ er Frau und Sohn, konnte aber dorthin nach1945 nicht zurückkehren. In Argentinien wurde er dann zum Priester geweiht und, nachdem er verwitwet und in den Mönchsstand eingetreten war, empfing er 1984 die Bischofsweihe.
Im Jahre 1987 verlor unsere Kirche drei Bischöfe - im Juli verstarb Erzbischof Seraphim von Chicago, im November Bischof Nikandr von São Paulo und Brasilien und im Dezember Bischof Innokentij von Buenos Aires, Argentinien und Paraguay.
Ewigen Angedenken den treuen Dienern Gottes!
Ökumene mit den Augen eines islamischen Denkers und eines jüdischen Professors
In ihrem Ursprung war die Ökumenische Bewegung getragen von dem Traum, daß die großen christlichen Kirchen durch grundlegende Überlegungen zu ihren jeweiligen dogmatischen und historischen Entwicklungen zumindest zu einem besseren gegenseitigen Verständnis, wenn nicht sogar zu einer gewissen Einheit gelangen könnten. In diesem Sinn konnte sich auch die Orthodoxe Kirche mit der Zielsetzung dieser Bewegung identifizieren und zumindest als Beobachter an Tagungen teilnehmen. In den letzten Jahren nun wurde die ursprüngliche Zielsetzung weitgehend verändert. Nachdem nicht nur die großen Kirchen, sondern alle Sekten an dieser Bewegung teilnahmen, wurde schließlich auch die außerchristliche Welt einbezogen. Deutlichstes Zeichen dafür war wohl in letzter Zeit das ökumenische Treffen von Assisi, bei dem alle Weltreligionen vertreten waren. Zweifellos gibt es Probleme, zu deren Beantwortung alle Menschen aufgerufen sind, wobei letzt-endlich gleichgültig ist, ob sie religiös veranlagt sind oder nicht. Durch die Einbeziehung außerchristlicher Religionen in solche Gespräche und Tagungen, die bisher als ökumenisch bezeichnet wurden, scheint jetzt jedoch eine Begriffsverwirrung zu entstehen, die die bisher christliche Ökumene, wenn sie sich auch bereits weit von ihrer ursprünglichen Zielsetzung entfernt zu haben schien, noch mehr in Frage stellt. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen zweier nicht-christlicher Wissenschaftler von Interesse:
In der Zeitung Jewish Press vom 4. 12.87 erschien ein Artikel des Professors für Politologie Paul Eidelberg. Der Autor stellt zunächst fest, daß der Ökumenismus, der innerhalb des Christentums entstand, keinerlei Berührungspunkte mit dem Judentum hatte. Jetzt aber nehmen sowohl Rabbiner als auch Moslems aktiven Anteil daran. Israel nahm aus dem Wunsch, die gespannte politische Atmosphäre in Palästina zu entladen, religiöse Kontakte mit den Moslems auf. Obwohl Prof. Eidelberg gewissen Nutzen für die Juden erkennt, ist er ganz offensichtlich mit diesen "ökumeni-schen Kontakten" nicht einverstanden. In seiner Analyse des Ökumenismus und der Kontakte sei-ner verschiedenen Träger zitiert Eidelberg teilweise die Aussagen des bekannten islamischen Philosophen und Professors der Islamistik an der George Washington University, Sayed Hussein Nasr. Letzterer bezeichnet den Ökumenismus als "transzendente Einheit der Religionen". Der Ökumenismus, schreibt er, "wird zur Waffe einfacher Relativität und weiterer Verweltlichung".
Prof. Eidelberg selbst meint, daß "der Ökumenismus zu der Überzeugung tendiert, daß keine Religion die vollkommene Wahrheit besitzt". Da-her, schreibt er weiter, "unterstützt der Ökumenismus die Lehre von der kulturellen Relativität, bei der es kein Ziel und keinen weltweit anerkannten Standard gibt, mit denen man feststellen könnte, wieweit der Glauben und die Praktiken eines Vol-kes über denen eines anderen stehen können"... "Darüber hinaus führt die Relativität, da sie eine transzendente Wahrheit negiert, lediglich zur Verweltlichung. Daß einige Vertreter der Religionen sich auch zur Relativität bekennen, beweist nur, daß sie Popularität suchen".
Der von Eidelberg zitierte Prof. Nasr meint, daß "der Ökumenismus, ähnlich der Relativitäts-Theo-rie, sich nicht um die Wahrheit und die transzendente Ordnung kümmert, sondern mehr um die sentimentale äußere Seite, die die Religion auf den geringsten Nenner bringt".
"Im Ökumenismus, fährt Nasr fort, macht sich die Tendenz bemerkbar, die Religion auf das Ni-veau der Moral herabzuschrauben, und die Moral auf das der karitativen Tätigkeit. In diesem Prozeß wird die Göttliche Offenbarung und Autorität durch menschliche Begriffe und Übereinkünfte ersetzt... Das bedeutet, daß der Ökumenismus unweigerlich in eine Art von Humanismus verfallen muß, der lediglich das auflöst, was noch von der Religion übrig ist. Eigentlich ist das einfach eine andere Form des Säkularismus" (Cerkovnye Novosti 1/88).
Wir wissen sehr wohl, daß viele Anhänger des ökumenischen Gedankens um eine echte Klärung und Lösung der zwischen den christlichen Religionen entstandenen Probleme bemüht sind, sehen aber gerade am Beispiel der Veröffentlichungen auch nicht-christlicher Denker, welchen Gefahren diese ursprünglich positive Idee heute ausgesetzt ist, zumal wenn sie sich auf nicht-christliche Religionen erstreckt. Hier muß man sich deutlich fragen, ob man am Christentum und an der Einen Wahrheit in Jesus Christus interessiert ist, oder ob es um ei-nen allgemeinen Humanismus geht, der alle "Men-schen guten Willens" umfaßt. Dieser hat in seinem eigenen Kontext durchaus seine Daseinsberechtigung und sein Nutzen ist keineswegs zu leugnen. Doch liegt alles, was damit verbunden ist, auf einer anderen Ebene als unser kirchliches Verständnis der Welt und ihrer Probleme.
Unsere Kirche in der Heimat
Im Laufe des Jahres 1987 hörte man von Entlassungen einer Reihe von Personen aus sowjetischen Konzentrationslagern und Gefängnissen, die dort wegen ihres Glaubens gefangengehalten wurden. Es wurde bekannt, daß die meisten von ihnen unterschreiben mußten, daß sie sich nicht wieder gegen das sowjetische Herrschaftssystem betätigen würden. Dies geschah, obwohl sich die Betreffenden keiner gegen das Regime gerichteten Tätigkeit bewußt waren oder sich dazu jemals in ihren Prozessen bekannt hatten. Die so gewonnene Entlassung aus Lagern und Gefängnissen oder Verbannung ist daher psychologisch sehr zwiespältig und bringt viele dieser Menschen in neue innere wie äußere Konflikte.
Die Entlassungen sind jedoch keineswegs umfassend. Weiter befinden sich, soviel uns bekannt ist, wegen ihres orthodoxen Glaubens folgende Personen in Haft::
Priester Joseph Rynkevitsch - geb. 1926, inhaftiert seit 1973; davor war er seit 1959 sechs Mal inhaftiert.
Diakon Vladimir Russak - geb. 17.6.1949, inhaftiert seit 22.4. 1986 wegen Erstellung einer "Ge-schichte der Russischen Orthodoxen Kirche im 20. Jh." - 7 Jahre strenges Konzentrationslager und 5 Jahre Verbannung.
Mönch Andrej (Anatolij Schtschur) - inhaftiert seit Jan. 1984; bereits früher wegen religiöser Betätigung inhaftiert: 1961-62, 1964-67, 1982-83.
Vasilij Schipilov - geb. 1922, inhaftiert seit 1949 (!) in einer Nervenklinik - eines der bei den Macht-habern beliebtesten Mittel, mit ungenehmen Menschen, insbesondere Gläubigen, abzurechnen.
Lev Tabelev - geb. 1957, inhaftiert seit 1982.
Valerij Timochin - geb. 1947, inhaftiert seit 1975.
Valentina Pailodze, Kirchenchordirigentin - geb. 11.9.1923, seit März 1983 - 8 Jahre Lager, 3 Jahre Verbannung; früher inhaftiert und in Verbannung wegen religiöser und politischer Betätigung 1974-75, 1978-80.
Ein verzweifelter Aufschrei eines der 1987 entlassenen vormalig wegen seines Glaubens Inhaftierten erreichte die freie Welt: es ist der Priester Vasilij Romanjuk, der nach seiner Entlassung wei-ter verfolgt wird, deshalb keinerlei Arbeit bekommt und nun um Hilfe zur Ausreise aus der Sowjetu-nion bittet.
Noch 21 Personen befinden sich wegen ihres orthodoxen Glaubens in sowjetischen Konzentrationslagern und Gefängnissen. Über diese haben wir jedoch im Moment noch keine genaueren Angaben.
Wir, der freie Teil der Russischen Orthodoxen Kirche, können diese Menschen durch unser inständiges Gebet unterstützen. Gleichzeitig sind wir aber auch gehalten, die Weltöffentlichkeit von dem Schicksal dieser um ihres christlichen Glaubens willen schwersten Verfolgungen ausgesetzten Brüder und Schwestern zu informieren. Wir bitten alle gläubigen Christen um ihre Fürbitte für diese Glaubenszeugen. Wir bitten die Verantwortlichen in Politik, Kirchen und Medien darauf hinzuwirken, daß dieser Verfolgten gedacht und ihr Los erleichtert wird. Mit diesem Aufruf wenden wir uns insbesondere an Politiker, die Kontakte mit der sowjetischen Führung pflegen, sowie an jene Vertreter der Kirchen, die in diesem Jahr in Zusammenhang mit dem Millennium der Taufe Rußlands das Land besuchen werden, in dem solche Verfolgungen immer noch an der Tagesordnung sind und in dem die offizielle Kirche des Moskauer Patriarchats da-zu - aus welchen Gründen auch immer - schweigt.
Der Presserat der Diözese
Bote 1988-3
Aus dem Leben der Diözese
Am Großen Sonnabend weihte Bischof Mark während der Göttlichen Liturgie in der St. Nikolaus-Kathedrale in München Alexej Schau zum Diakon, und am Ostermontag wurde Vater Alexej bei der Liturgie im Kloster des Hl. Hiob zum Priester geweiht. Vater Alexej ist 39 Jahre alt. Er stammt aus Ostdeutschland, wo er auch seine theologische Ausbildung erhielt. Vater Alexej wird unsere Gemeinden in Regensburg und Ingolstadt betreuen.
"Seminar für orthodoxe
Liturgie und Spiritualität"
Das vierzehnte "Seminar für orthodoxe Liturgie und Spiritualität", das vom 30. März bis 10. April in Frankfurt am Main stattfand, stand unter dem Zeichen des großen Ereignisses für die gesamte Christenheit, besonders aber für die russischen orthodoxen Christen, - des 1000-jährigen Jubiläums der Taufe der Rus'. Die Deutsche Diözesese der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland organisiert seit 1975 dieses Seminar, das allen Interessierten die Möglichkeitbietet, sich theoretische und praktisch über die Orthodoxie zu informieren. Etwa 110 Teilnehmer versammelten sich zur festlichen Eröffnung des Seminars am Nachmittag des 30, März im modern anheimelnden Gemeindesaal der katholischen St-Raphaelsgemeinde in Frankfurt-Hausen, gegenüber der russischen orthodoxen St. Nikolaus-Kirche. Nach der Eröffnung des Seminars durch den Hochgeweihten Mark, Bischof von Ber-lin und Deutschland, und der Begrüßung der Seminarteilnehmer durch die Ehrengäste begann das Seminar mit dem Festvortrag des Hochgeweihten Bischofs Mark zu dem Thema: "Der Einfluß der Orthodoxie auf die russische Kultur". Der Hochgeweihte Bischof Mark brachte eine Fülle plastischer Beispiele aus der Literatur, die den tiefgreifenden Einfluß der Orthodoxie auf die größten russischen Dichter und Schriftsteller zeigten. Einer davon: der gewiß in seiner Art einmalige Austausch grundlegender Gedanken über den Sinn des Lebens und des Todes zwischen dem Dichter Alexander Puschkin und seinem Zeitgenossen, dem Metropoliten von Moskau Philaret. Auch die Werke von Feodor Dostoevskij, die Bischof Mark skizzierte, zeigen, wie tief die russische Literatur von der Orthodoxie beeinflußt wurde. Aber nicht nur die Literatur und die Kunst, sondern auch die Gesetzgebung, ja alle Aspekte des öffentlichen Lebens waren im alten Rußkand durch die Orthodoxie geprägt, nachdem die in den ersten Jahrhunderten nach der Christianisierung allmaählich im humanen Sinn verändert worden waren. Bischof Mark malte in der kurzen Zeit, die für ein Referat zur Verfügung steht, ein die Zuhörer zutiefst beeindruckenden Kolossalgemälde eines christlichen Staates und stellte sich dann den Fragen der Seminarteilnehmer.
Danach folgte der Vortrag des Protopresbyters Prof. Dr. Dr. Georgios Metallinos von der Theolo-gischen Fakultät der Universität Athen "Jesus Christus unser Friede", dem der Redner aktuelle Aspekte verlieh, indem er auch über den "Kampf für den Frieden" sprach, der heute von zahlreichen Organisationen geführt wird. Vater Georgios betonte, daß die Wiederherstellung der gespaltenen Menschheit nur in Christus erfolgen kann und schilderte das Kreuz als die Waffe des Friedens, eine Waffe, die Gott und die Menschen versöhnt.
Der Vormittag des nächsten Tages war für die Einführung in den orthodoxen Gottesdienst durch den Vorsteher der orthodoxne St.-Nikolaus-Ge-meinde in Frankfurt, Erzpriester Dimitrij Graf Ignatiev, vorgesehen. Vater Dimitrij beeindruckte mit einer Fülle von Gedanken, über die die Seminarteilnehmer noch lange nach seinem Vortrag spra-chen, z.B. schilderte er den Kranz des Jahres in der Liturgie als zwei ineinandergreifende Kreise - einen feststehenden und einen beweglichen - und erläuteret die christliche Bedeutung der Wo-che und den Aufbau des Gottesdienstes. Am Nachmittag folgten zwei Vorträge: "Das Verhältnis von Kirche und Staat aus der Sicht der Orthodoxen Kirche" von Vater Georgios Metallinos und "Die Theologie des Leibes" von Prof. Dr. Johannes Panagopoulos, die beide sehr gut besucht waren und großes Interesse der Seminarteilnehmer weckten. Am Freitag, d. 1. April, sprach Prof. Panagopoulos über "Die Verehrung der Gottesmutter in der Orthodoxen Kirche". Da der Hierodiakon Andrej Cilerdzic nicht zu dem Seminar kom-men konnte, übernahm Erzpriester Dimitrij Ignatiev das vorgesehene Thema "Die Liturgie als Theologie des Wortes"Den Vortrag "Das Wesen der orthodoxen Heiligen" am folgenden Tag übernahm dankenswerterweise Prof. Panagopoulos, der sich außerordentlich intensiv um die Seminarteilnehmer kümmerte und tatkräftig das Seminar unterstützte. Bereits am Freitag besuchten die Seminarteilnehmer den Morgengottesdienst in der St. Nikolaus Kirche, womit die Einführung in den liturgischen Teil des Seminars begann. Am Samstag der Auferweckung des Hl. Lazarus folgte nach der morgendlichen göttlichen Liturgie am Abend die Palmweihe zu Palmsonntag. Am Sonntag fuhren alle Interessenten mit der Leiterin des Seminars, Frau Oxana Antic, nach Bad Homburg, um in der Allerheiligenkirche dem Abend- und Morgengottesdienst beizuwohnen.
Am Montag, d. 4. April sprach Prof. Panagopoulos über "die Theologie der Ikonen", während am Nachmittag der Hamburger Erzpriester Dr. Ambrosius Backhaus ein ganz aktuelles Thema behandelte: "Orthodoxie im Alltag". Sein nächster Vortrag am 5. April über das Thema "Das Volk under Einzelne in der Geschichte der Mission", in welchem er die Missionstätigkeit der Orthodoxen Kir-che umriß, fand eine bemerkenswerte Ergänzung in dem Referat von Dr. Peter Plank (Universität Würzburg) "Theologie und Mission der Kirche", in welchem der Vortragende insbesondere über die Missionstätigkeit der Russischen Orthodoxen Kir-che sprach. Den Vortragende von Emmanuel Ba-nu "Die Zeit als liturgischer Begriff" fanden viele Seminarteilnehmer besonders beeindruckend.
Damit fand der Referatteil des Seminars sein Abschluß und die Hörer wurden systematisch in die orthodoxe Liturgie eingeführt indem sie den großen Gottesdiensten der Karwoche beiwohnten. Wie immer klang der Seminar mit dem Besuch des Ostergottesdienstes in der Kirche des Hl. Nikolaus und der anschließenden gemeinsamen Agape im Gemeindesaal dieser Kirche aus. Zum Ostergottesdienst fanden sich überraschend viele Seminarteilnehmer zusammen, die sich dann herzlich bis zum nächsten Seminar 1989 voneinander verabschiedeten.
O. Antic
Panichida in Plattling
Am Samstag, den 17./30. April 1988 fand auf dem Friedhof des niederbayerischen Städtchens Plattling ein Panichida statt. Etwa 70 Gläubige hatten sich zu dem Gottesdienst versammelt, den Erzpriester Alexander Kiselew aus New-York zusammen mit Erzpriester Alexander Nelin, Priester Nikolai Artemoff und Mönchsdiakon Agapit zelebrierte. Die Gemeinde betete für die Seelen von 4000 Angehörigen der Russischen Befreiungsarmee (ROA), die hier nach dem Ende des 2. Weltkrieges an die Sowjets ausgeliefert wurden, und für alle, die ihr Leben im Kampf gegen die gottlose Herrschaft ihr Leben ließen. Die ROA bestand aus übergelaufenen und kriegsgefangenen Rotarmisten und aus Rußland zwangsverschleppten "Ost-arbeitern" sowie Angehörigen der ersten russischen Emigration, die mit dem ehemaligen sowjetischen General Wlassow an der Spitze hofften, eine patriotische Armee aufzubauen. Diese sollte mit einem eigenen politischen Programm (Manifest) an der Ostfront auftreten und sie durcbrechen. Im Zuge der daraus entstehenden Volksbefreiungsbewegung sollte Rußland als freier, unabhängiger Staat errichtet werden. Wenn davon auch nicht öffentlich gesprochen werden konnte, so sa-hen die Patrioten ein Rußland voraus, das dem Untergrundaufruf entsprach: "weder Deutsche - noch Bolschewiki". Auf der Grundlage eines freien Rußland wäre auch eine Welt ohne totalitäre Systeme - ob nazistisch oder kommunistisch - möglich, dachten die, welche das bittere Los beider Regime gekostet haben und ihre historische Verantwortung darin sahen, alles in ihren Kräften stehende für diese Möglichkeit einzusetzen. Der Versuch scheiterte. Die Geschichte ging einen anderen Weg. Auf deutscher Seite unterstützten die Idee einer Russischen Befreiungsarmee Kreis, die denen des 20. Juli 1944 nahestanden. Der nazistischen Führung aber behagten die Bestrebungen General Wlassows nicht, der die Überläufer, die bereits an verschiedenen Fronten eingesetzt wur-den, sowie die Kriegsgefangenen unter die Fah-ne des russischen Befreiungskampfes sammeln wollte und bei Verhandlungen unabhängige Positionen einnahm. Die Auslieferung an Sta-lin von abertausenden dieser aufrechten Patrioten und Antikommunisten durch die westlichen Alliierten gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Nachkriegsgeschichte, über das zwar seit der Öffnung der Archive et-was geschrieben wur-de, welches jedoch bis heute auch im Westen praktisch totgeschwiegen wird.
Protopresbyter Alexander Kiselew war als junger Priester Zeuge dieses tragischen Kampfes für die Freiheit Rußlands und bei der Verkündigung des Manifests des "Komitees zur Befreiung der Völ-ker Rußlands" in Prag im November 1944 zugegen, als - schon kurz vor dem Ende - die Nati-onalsozialisten den Bestrebungen der Russen, welche zu dem Zeitpunkt wohl den ideellen Sinn bewahrten, aber praktisch aussichtslos waren, schon weniger Widerstand entgegensetzten. Vater Alexander kannte Wlassow persönlich und schrieb ein Buch "Die geistliche Gestalt des General Wlassow". Am Schluß der Panichida wandte sich Vater Alexander an die Gläubigen und die offiziellen Gäste: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir haben uns hier heute versammelt, nicht um irgendeine politische Position zu verkünden. Wir haben uns hier nicht versammelt zum Zwecke der Verurteilung... weder jener, die die Gefangenen machten, noch jener , die die Auslieferung dieser Gefangenen forderten, und auch niemanden sonst wollen wir mit einem unguten Wort bedenken. Wir sind heute hierhergekommen, um zu weinen. Darüber zu weinen, was wir Menschen fähig sind zu tun. Doch gibt es auch größeres als Tränen. Unser heutiges Gebet am Grabe der uns Nahestehenden begannen wir mit dem österlichen Gesang, in dem es heißt, daß der Herr "den Tod durch den Tod zertrat". Hier ist die Gabe gemeint, die dem Menschengeschlecht durch den Tod und die Auferstehung Christi geschenkt wurde, dadurch aber auch: daß das Böse unter den Menschen nur durch den Tod besiegt werden kann. Nicht das Schwert, nicht der Krieg, nicht sonst irgendein - vom Bösen vergiftetes - Bestreben, dem erhofften Guten zu dienen, erreicht das ersehnte Ziel. Das Gute wird nur erreicht, wenn der Mensch sich selbst stirbt. Nur durch den Tod, den der Mensch darbringt... durch den Tod, mit dem der Mensch bereit ist, dafür zu bezahlen, daß die anderen das Leben haben, wird das Ziel des Guten erreicht. "Er zertrat den Tod durch den Tod!" So gedenken wir heute dieser Menschen, die ihr Glück, ihre menschlichen Freuden, ihr Leben hingaben, damit ihre Heimat auferstehe und lebe. Deshalb ist es nicht Trauer, sondern Hoffnung, sondern Glauben an den christlichen Weg des Sieges des Guten in der Welt, was wir, die wir uns hier versammelten, bekennen. Und deshalb laßt uns jetzt das Gebet an den Herrn der Kräfte sin-gen, über das ewige Gedenken bei Gott für die, die durch ihr Opfer dieses Gedenkens vor dem Angesicht Gottes - so glauben wir - würdig wurden. Amen."
Nach der Panichida wurde ein Gedenkstein zur Erinnerung an die denSowjets ausgelieferten Soldaten geweiht, und junge russische Pfadfinder sangen gemeinsam mit ROA-Veteranen "Kol' Sla-ven".
Beim anschließenden Mittagessen begrüßte der Plattlinger Bürgermeister die Anwesenden. Er sagte, daß die Stadtverwaltung gerne die Aufstellung des Gedenksteines ermöglichte und daß man einen würdigen - endgültigen - Aufstellungsort fin-den werde. Viele Redner erinnerten an die Begeisterung und die Hoffnungen der ROA-Kämpfer und an die Verpflichtung, den Kampf gegen die gottlose Macht mit anderen Mitteln fortzusetzen.
Vater Alexander Nelin sprach von der Notwendigkeit des inneren, geistigen Widerstandes ge-gen die Gottlosigkeit. Ein ROA-Veteran, der da-mals in Plattling der Auslieferung entgangen war, erzählte sichtlich erschüttert, wie er in den vielen Jahren, die seitdem vergangen sind, auf den heutigen Tag gehofft hatte, an dem seiner verratenen Kameraden im Gebet und mit einem Mahnmal gedacht wurde.
Ewiges Gedenken den tragisch umgekommenen Kämpfern für die Freiheit Rußlands!
Theologische Gespräche
Mit einem Bittgottesdienst zum Semesterbeginn wurde am 1. Mai 1988 auch das Theologische Colloquium eröffnet, das aus dem alljährlichen Münchner Orthodoxen Jugendtreffen (jeweils 26-28. Dezember) herauswuchs. Professor J. Panagopoulos hielt den Einführungsvortrag über "Die Bibelexegese der Heiligen Väter", dem eine rege Diskussion folgte. Sie wurde bei einer Tasse Tee in der Trapeza des Klosters bis in den Abend fortgesetzt. Für das nächste Treffen am 3. Juli 1988 sind Referate der Studenten vorgesehen, die das Thema vertiefen. Die Colloquien sollen regelmäßig stattfinden.
Bote 1988-3
Zur Ausstellung "1000 Jahre Kirche in Rußland"
G.Seide
Im Boten (1987) 6, S.14 f. erwähnten wir bereits kurz eine Ausstellung zur 1000 Jahrfeier, die von der EKD organisiert in 27 Orten der Bundesrepublik gezeigt wird. In München war sie vom 15. bis 30.Januar zu sehen. Viele unserer Gemeindemitglieder nutzten die Gelegenheit zu einem Besuch. Im ausgelegten Gästebuch gab es viele nichtssagende Kommentare zur Ausstellung, darunter ein Eintrag, der mit den Worten endete "krasivaja vystavka".
Schön ist die Ausstellung sicherlich, allerdings hat sie - wie auch der dazu gehörende Katalog einige Schönheitsflecken. Auch die Begleitumstände der Ausstellungseröffnung waren nicht unbedingt "schön" zu nennen. So konnte man in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit einem Herrn Timofeev lesen,der vom Reporter mit Eminenz angesprochen darauf hinwies, daß er nach sowjetischem Recht der "Privatangestellte Timofe-ev" sei, als Erzbischof der Patriarchatskirche konn-te man ihn dennoch identifizieren, da ein Photo beigefügt war. Herr Timofeev, alias Erzbischof Ger-man, nutzte das Interview zu heftigen Ausfällen gegen die Auslandskirche, aber auch bundesdeutsche Behörden. Den auslandsrussischen Gemeinden warf er vor, sie seien stark politisiert und verfolgen ”märchenhafte Vorstellungen von einer Restauration des Zarenreiches". Von den Sowjetbehörden wußte Herr Timofeev zu berichten, daß ihm von diesen keine Visaschwierigkeiten bereitet werden, hingegen von bundesdeutschen Behörden... So mancher Sowjetbürger wäre froh, dies zu erfahren. Immerhin gibt es noch viele andere Länder, für die sie gern Visa beantragen würden, selbst wenn die Bundesrepublik Schwierigkeiten machen sollte. Oder gilt diese Reisefreizügigkeit nur für privilegierte Privatangestellte aus der Sowjetunion,dann ist das Angebot bei der überwiegend verstaatlichten Sowjetwirtschaft natürlich be-grenzt für Auslandsvisa.
Eine Wiedererrichtung der Monarchie anstelle der Sowjetherrschaft erscheint natürlich vielen Angehörigen der Auslandskirche als "märchenhafte Vorstellung". In Spanien wurde durch die Wieder-errichtung der Monarchie immerhin das faschistische Franco-Regime abgelöst und das Land wieder ein demokratischer Staat. Warum sollte also eine Monarchie - es gibt noch eine ganze Reihe davon in Europa, deren demokratisches Selbstverständnis durchaus nachahmenswerte Züge tragen -, nicht auch das sowjetische Regime ablösen?
Die evangelischen Christen bezeichnete Timofeev als "Brüder, die uns (d.h. das Moskauer Patriarchat) unterstützen, wo sie nur können". Hier hat er recht, die Ausstellung macht dies deutlich. Von den katholischen Christen wußte er nur zu berichten, daß sich das ”Verhältnis zu ihnen verbessert” habe, als Brüder wollte er sie aber nicht titulieren. Vielleicht hat diese etwas krasse Unterscheidung die katholische Seite nicht ruhen lassen, denn zwei Wochen später mußte Timofeev schon wie-der nach München. Dieses Mal als Gast des Erzbischofs von München, Kardinal Wetter. Dafür brachte Timofeev beim zweiten Besuch seinen Vorgesetzten, Metropolit Filaret von Minsk, mit. Bleibt abzuwarten, ob es den katholischen Christen nach diesem Besuch auch vergönnt sein wird, "Brüder” genannt zu werden.
Doch zurück zur Ausstellung: eröffnet wurde sie durch ein orthodoxes Abendamt in einer evangelischen Kirche, das von Erzbischof German zelebriert wurde. Hier erhebt sich nun die Frage, warum man dieses Abendamt nicht in der ”Kathedral-kirche” des für München zuständigen "Metropoli-ten Irinej" (Herr Susemihl) zelebrierte? Immerhin wird in der Ausstellung eine Karte mit Gemeinden des Patriarchats in der Bundesrepublik gezeigt (Katalog S. 215), wo München als Bischofssitz des Patriarchats ausgewiesen wird. Sollte diese "Ka-thedralkirche" vielleicht nicht vorzeigbar sein ? Gibt es sie überhaupt? Befremden mußte dann auch, daß die Veranstalter zu einem russischen Gottesdienst in das Hiob Kloster einluden. Ein Hinweis, daß dieses der Auslandskirche untersteht, fehlt. Wenn man also in München einen russischen Gottesdienst besuchen möchte, erscheint selbst den Veranstaltern die Patriarchatskirche nicht vorzeigbar zu sein? Der Herausgeber des Katalogs ist die Evangelische Akademie Tutzing, die Verfasser der Beiträge sind Theologen. Ihnen scheint zwar be-wußt zu sein, daß die russischen Gemeinden in der Bundesrepublik allein durch die Auslandskirche repräsentiert werden, sie scheuen sich aber dies einzugestehen. So mogelt man auch bei der erwähnten Karte mit den Gemeinden. Man "ver-gißt" über 20 Gemeinden der Auslandskirche einzutragen. Dadurch entsteht der Eindruck, als ob beide Teile der Russischen Kirche in Gesamtdeutschland etwa gleich stark vertreten sind, da die russischen Kirchen in der DDR nach 1945 zwangsweise mit dem Patriarchat vereint wurden. Die fehlenden Eintragungen bezüglich der auslandsrussischen Gemeinden können nicht damit erklärt wer-den, daß man die ”kleineren" auslandsrussischen Gemeinden unberücksichtigt gelassen hat, denn vom Patriarchat werden auch bloße Adressen zu denen keine Gemeinden gehören als " Gemeinden” aufgeführt. München ist hierfür ein Beispiel! In der Ausstellung sind zusätzlich zu der Karte auch die russischen Kirchen in Deutschland abgebildet: keine einzige dieser Kirchen gehört dem Patriarchat.
Man könnte noch vieles an dieser Ausstellung korrigieren oder hinterfragen: Auf einer Schautafel (Katalog S. 135) wird eine Statistik zur Patriarchatskirche aufgeführt: Im Jahre 1945 gab es in der Sowjetunion 104 Klöster mit 5000 Mönchen und Nonnen, nicht ca. 70 Klöster, wie in der Statistik behauptet wird. Im Jahre 1958 gab es lt. Katalog 4886 Mönche und Nonnen, 1967 nur noch 1273. Doch beim Jahre 1975 findet sich keine Zahlenangabe, obgleich wir für dieses Jahr die Zahl von 1275 Mönchen und Nonnen kennen, von denen 877 bereits über 50 Jahre alt waren, so daß Gleb Jakunin die "Klöster als Heim für Halbinvalide" charakterisierte. Warum dies so ist? Die Antwort kann man wiederum im Furov-Bericht nachlesen, demzufolge die "Regulierung des Personalbestandes eine komplizierte und heikle Angelegenheit” bil-det. Hinter diesen sarkastischen Äußerungen verbirgt sich nichts anderes als die Aufnahmesperre für jüngere Bewerber und die Vertreibung von München und Nonnen aus ihren vom Staat geschlossenen Klöstern. Laut Furov hat auch die Kirchenleitung bei "der Schließung einiger Dutzend Klöster aktiv mitgewirkt! Aufgrund des hohen Alters der Klosterbewohner im Jahre 1975 dürfte ihre Zahl seit damals weiter rückläufig gewesen sein. Dies bestätigte auch Erzbischof Feodosij von Astrachan', der in seinem Brief an Gorbacev den Zustand der Klöster beklagte und schrieb,daß "an-stelle von zehn bis zwölf verstorbenen Mönchen und Nonnen eine oder zwei Personen" neu angemeldet werden können (vgl. "Bote" 1988, 2, S. 13). Man kann also mit Sicherheit davon ausgehen, daß die Zahl der Mönche und Nonnen seit 1975 rückläufig gewesen sein wird und heute weit darunter liegen dürfte. Laut Katalog und Ausstellung gibt es hingegen im Jahre 1985 1500 Mön-che und Nonnen, also 300 mehr als im Jahre 1975. Woher stammt nun die Angabe für 1985 im Katalog? Lebt die Differenz von fast 300 etwa im wiedereröffneten Danilov Kloster? Auch weitere Zahlen in dieser statistischen Übersicht stimmen nachdenklich: im Jahre 1967/1969 gab es lt. Übersicht 7500 Kirchen und 6694 Priester (d.h. 806 Kirchen ohne Priester). Im Jahre 1974 sah die Bilanz so aus 7062 Kirchen und 5994 (d.h. 1068 Kirchen ohne Priester). Nun für 1985 stimmt das Verhältnis laut Katalog wieder: 7000 Kirchen und 7000 Priester. Damit soll der Eindruck erweckt werden als habe sich die Situation günstig verändert (Perestrojka und Glasnost'!). Doch wo ist die Zahl von 7.000 Priestern belegt? Nirgends! Ganz im Gegenteil, es gibt eine aktuelle Zahl von sowjetischer Seite (vergl. Nauka i religija 1987, II, S. 23). Dieser Anga-be zufolge gab es 1976 7038, 1981 7007 und 1986 6794 Kirchen. Wenn nun die Tutzinger Zahl stimmt und das wollen wir einmal annehmen, dann würde dies bedeuten, daß nach einer Periode der Toleranz in den Jahren 1975 bis 1985 - also seit dem Amtsantritt Gorbacevs - wieder Kirchen in größerem Umfang geschlossen wurden, nämlich 200 in einem Jahr! Ein Hinweis auf die Zahl der Priester wird in dieser Sowjetstatistik nicht gegeben. So bleiben diese Zahlen des Katalogs rein spekulativ und ungesichert. Was verfolgt man damit? Sollen sie die von den Mitarbeitern des Katalogs immer wieder festgestellten "großzügigen Gesten" (Katalog S. 41) des Staates gegenüber der Kirche zahlenmäßig belegen? Dieser Eindruck entsteht auch bei einer anderen Zahl.
Auf S. 188 werden beeindruckende Zahlen von Bibelpublikationen aufgeführt. Gleichzeitig heißt es, daß zum ersten Mal 1882 ein Bibeldruck mit 20 000 Exemplaren erfolgte (S.187). Wenn man bedenkt, daß es 1882 90 Mio Gläubige gab, muß man staunen, daß im vorrevolutionären Rußland die Gläubigen mit so wenig Bibeln auskamen. Die 1882 Ausgabe war lediglich eine "moderne, russische Ausgabe". An kirchenslavischen Bibeln mangelte es natürlich nicht. Trotz der angeblich hohen Bibelauflagen, speziell in den 70er Jahren, zahlte man "horrende Preise" (Katalog S. 188) für Bibeln. Sind vielleicht die hohen Auflagen nur ein geschickter Propagandatrick? Standen die Druckmaschinen zwischen der Nr.1 und Nr. 100.000 der Auflage vielleicht einige Zeit still? Man wirft keine Fragen auf. Denn die Zahlen belegen wiederum die Behauptung von dem "geradezu atemberaubenden Tempo" der Entwicklung der Verlagsabteilung des Moskauer Patriarchats ( Katalog S. 42 ) . Dies ist der Verdienst des "respektierten... und von den Gläubigen hochverehrten Metropoliten Pitirim" (Katalog S. 42) . Man sollte allerdings wis-sen, daß der Metropolit ständiger Besucher und Gesprächspartner der EKD und häufiger Gast in Tutzing, so oft im Ausland weilt, daß ihn die Gläubigen seiner Diözese nur selten zu Gesicht bekommen. Seine Gläubigen wären vermutlich auch überrascht zu erfahren, daß Pitirim die Erteilung von Religionsunterricht an Kinder "als eine sittliche Vergewaltigung ihres Gewissens und ihrer Persönlichkeit betrachtet" und auf einer Veranstaltung der EKD unwidersprochen erklären kann, daß Meldungen von der Verhaftung von Priestern "absolut falsch" sind (Vergl. Osteuropa 1983, S. 867 f).
Die Ökumene wird in dieser Ausstellung auch mehrmals bemüht: der erstaunte Besucher sieht auf einer Schautafel die orthodoxe göttliche Liturgie und einen protestantischen Sakramentsgottesdienst gegenübergestellt. Laut Anzeigetafel(Katalog S. 151f) läuft auf jeder Ebene von den Vorbereitungsgebeten bis zum Segen der Entlassung alles ganz parallel ab. Man ist sich also viel näher als allgemein angenommen. Allerdings verwundert es auch nicht, daß man von Besuchern der Ausstellung, die später zu einer göttlichen Liturgie in die Nikolaj-Kirche in München kamen, et-was verunsichert gefragt wird, warum die orthodoxe Liturgie solange gedauert habe. Irgendetwas kann da auf der Tafel wohl doch nicht stimmen! An anderer Stelle wird die Ökumene oder Gemeinsamkeit noch einmal strapaziert: die Ermordung des evangelischen Pfarrers Traugott Hahn und des orthodoxen Bischofs Platon in Riga 1919 kann Solovjov wohl kaum als "erste Verwirklichung sei-ner Sicht von einer neuen, aus dem Leiden der Verfolgung erwachten Ökumene" (Katalog S. 122). Doch die Veranstalter scheinen über viele Fakten tatsächlich nicht so genau informiert zu sein. Sie haben auch nicht bemerkt, daß Patriarch Pimen die Errichtung des Patriarchats um 100 Jahre vorverlegt hat, nämlich auf das Jahr 1489, anstatt auf 1589. Sollte es vielleicht nur ein Druckfehler gewesen sein? Nein. Der Patriarch behauptet nämlich: " Im Jahre 1448 wurde die Selbständigkeit der Russischen Kirche deklariert; ein halbes Jahrhundert später, im Jahre 1489, wurde das Moskauer Patriarchat gegründet". Mathematisch stimmt es auch. Ein doppelter Druckfehler? Aber mit Zahlen nimmt man es nicht so genau, weder beim Veranstalter der Ausstellung noch im Moskauer Patriarchat.
G.Seide
Bote 1988-4
Zum Millennium der Taufe Rußlands
Anthony, Erzbischof von Genf und Westeuropa
Geliebte Brüder und Schwestern!
Das Jahr 1988 ist ein besonderes Jahr in der Vorsehung Gottes, ein hervorragendes Jahr in der Geschichte der Kirche Christi. Es ist das Geburtsjahr einer neuen, großen Landeskirche - der Russischen. Ihre Geburt sah der Hl. Apostel Andreas der Erstberufene prophetisch voraus. Dies war der Wille des himmlischen Vaters, da niemand zu Mir kommen kann, wie Sein Göttlicher Sohn sagte, wenn ihn Mein Vater nicht zu Sich zieht. Er zog das russische Volk zur Teilnahme am Leben der Kirche Christi herbei. Das Siegel des Hl. Geistes besiegelte die Neue Kirche. Wie eine Braut kleidete sie sich in das lichte Gewand der Göttlichen Gnade.
Aus dem geweihten Wasser des Dnjepr kamen neue Menschen hervor, geboren aus dem Wasser und vom Hl. Geist. Über den Dnjepr, den Kiewer Bergen, der ganzen Weite der Rus' ging die Morgenröte eines neuen Lebens auf, das das den Vorfahren bisher unbekannte Ideal der Heiligkeit mit sich trug.Dies war der Beginn der tausendjährigen Geschichte der Kirche Rußlands.
Dunkel war noch für die neuerleuchteten Christen der Rus' die Zukunft ihrer Kirche, die Verantwortung ihrer Berufung. Aber das allsehende Auge Gottes sah auf tausend Jahre voraus. Der Herr wußte, was Er auftat, wozu Er Seine neue Kirche rief und welche Aufgabe sie in Zukunft zu erfüllen hatte.
Viele Völker sind ja bis zum heutigen Tage noch nicht durch die göttliche Gnade erleuchtet, viele haben Christus noch nicht erkannt, und ver-harren im Dunkel des Heidentums, falscher Reli-gion und verderblichen Verirrungen. Doch unser Volk hat der Herr vor tausend Jahren durch das Wort des Evangeliums erleuchtet und sich zum Dienst berufen.
Und wenn der Herr rief, so rief Er offensichtlich mit einem bestimmten Ziel. Mit welchem aber? Auf diese Frage antwortet uns dieses Jahr.
1988 ist auch ein besonderes Jahr. Es ist das Jahr des Jubiläums für die Russische Kirche, das Jahr ihres Triumphes und ihrer Unbesiegbarkeit. Sie vergrub das ihr vom Schöpfer gegebene Ta-lent nicht in die Erde, sondern gab es zum Wachs-tum allen Heiligen ihres Landes, und diese brachten die große Frucht der Heiligkeit, der Schönheit, der geistlichen Askese, des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes, des Duldens und der Bereitschaft für Christus zu leiden und zu sterben. Tausend Jahre vergingen für unsere Kirche nicht ohne Nutzen. Sie schritt von Kraft zu Kraft, besiegte Schismen, Häresien, innere und äußere Feinde, im himmlischen Lichte der großen Asketen glänzend. Das Ideal der Heiligkeit war jener nicht untergehende Stern, der diejenigen zu Christus führte, die Ihn liebten. Zum Jahr 1988 hat die Russische Kirche ihre Berufung unter Beweis gestellt.
Wie und auf welche Weise, wird man uns fra-gen? Worin sehen Sie den Triumph der Russischen Kirche, die Unerschütterlichkeit ihres Dienstes an Christus? Sind von ihr in unseren Tagen nicht nur Ruinen übriggeblieben, deren Bild Millionen von geschändeten Kirchen im russischen Land darstellen, mit abgebrochenen Kreuzen, zerstörten Kuppeln, von Gras und Unkraut überwucherten Eingängen? Zeigt unsere Kirche nicht das Bild der Niederlage und Zerstörung? Müssen wir nicht das jetzige Jubiläumsjahr mit bitteren Tränen begehen, uns in Buße an die Brust schlagen, Trauer um unsere Mutter-Kirche tragen?
Doch so könnnen nur jene denken und sprechen, die nicht an der himmlischen Freude und dem geistlichen Triumph der Verherrlichung von Millionen heiliger Märtyrer und Bekenner der Russichen Kirche zum Ende ihrer tausendjährigen Geschichte teilhatten. Sie - diese zeitgenössischen Märtyrer stellen den Sieg und die Unerschütterlichkeit der Russischen Kirche dar, was unser Jubiläum zu einem Fest der Freude macht.
Die göttliche Vorsehung wählte offensichtlich unsere Kirche schon im Jahre 988 dazu aus, daß sie Kraft schöpfe und zum Ende der tausend Jahre die ganze Macht des Bösen in der Welt für sich und die gesamte Christenheit niederwerfen wür-de. Furchtbare Kräfte der Zerstörung, des Hasses, des Bösen, der Gotteslästerung sammelte der Fürst dieser Welt an für den letzten, wie er meinte, und entscheidenden Schlag gegen die Kirche. Und den dämonischen Schlag richtete er auf die Russische Kirche, als die stärkste.
Die Kräfte waren ungleich. Einerseits die gesamte Kraft der Willkür des neuen atheistischen Staates, der zu jedem Verbrechen bereit war, die Kraft der in ihrem Wahnsinn stolzen Pseudo-Wissenschaft, die den Schöpfer verleugnete, die Lüge der der Gnade beraubten Philosophie,die den menschlichen Verstand zu einem Gott proklamierte.
Andererseits die in dem gotteslästerlichen Staat aller Rechte beraubten hilflosen Kinder, Gläubigen, Mönche und Nonnen, Geistlichen, Bischöfe, der Patriarch, der Zar - alle reich an Liebe zu Christus und Glaube an Ihn, die jeglicher Selbstverteidigung mit menschlichen Mitteln entsagten, nicht das Schwert nahmen, sondern wie sanftmütige Lämmer zum Schlachten gingen.
Doch zu diesem furchtbaren Moment bereitet der Herr Seine Kirche. Er bereitete sie vollends zur Kreuzigung mit Sich auf dem schrecklichen Golgotha des 20. Jahrhunderts. Und die Kirche nahm ihr Kreuz auf und wurde gekreuzigt, doch durch die Kraft der göttlichen Liebe starb sie bis zum heutigen Tage am Kreuz nicht. Das Blut von Millionen von Märtyrern tränkte und festigte die Kirche, so daß sie die Tore des Hades nicht besiegen konnten. Deshalb ist unser Jubiläum, das uns heute zusammengeführt hat, ein Fest und ein Sieg. Kapituliert hat nicht die Kirche, sondern die Gottlosigkeit auf der russischen Erde, indem sie in unseren Tagen ihre Ohnmacht, Lüge und Niederlage offenbart.
Doch man fragt uns, was heute die Russische Kirche darstellt. Wo sehen Sie sie? Etwa im Antlitz des von den Feinden unterjochten ruhmlosen und versklavten Moskauer Patriarchats, oder etwa im Antlitz unserer freien, aber so kleinen Auslandskirche, oder der nicht zu fassenden Katakombenkirche in unserer Heimat? Wo ist sie - diese sieg-reiche Kirche? Wo ist das unabhängige und freie Zentrum ihrer Verwaltung? Wo ihr über alle von den Canones vorgesehehenen Rechte verfügendes Haupt?
Auf diese Frage antworten wir so: während der grausamen und rücksichtslosen Verfolgungen der Gläubigen, wenn der Name der Christen selbst ver-haßt ist, kann es kein frei wirkendes kirchliches Zentrum, noch ein unabhängiges Oberhaupt geben. Deshalb hinterließen die in das Todeslager von Solovki zusammengetriebenen Bischöfe der Russischen Kirche im Jahre 1926, als sie sich auf ihren Märtyrertod vorbereiteten, den Gläubigen das Vermächtnis darüber, wie sie leben sollten, ohne die Kirche zu verlieren, und wo sie in der Zeit der Verfolgungen zu suchen ist.
"Nicht in der Vollkommenheit der äußeren Organisation liegt die Kraft der Kirche beschlossen, schrieben sie aus dem Lager, sondern in der Einheit des Glaubens und der Liebe ihrer treuen Kin-der, die in erster Linie ihr Vertrauen auf die unbesiegbare Kraft ihres göttlichen Gründers und auf Sein Versprechen über die Unüberwindlichkeit Seiner Schöpfung setzen". So, in der Einheit des Glaubens und der Liebe lebte die Kirche zur Zeit der Apostel. Damals konnte man auch fragen, wo ist die äußere kirchliche Organisation, wo ist ihr Verwaltungszentrum? So etwas gab es nicht. Die Apostel zerstreuten sich in verschiedene Wind-richtungen, und jeder schuf sein Werk, in vollem Einverständnis untereinander, aber unabhängig voneinander. Jeder Apostel verkörperte in sich die Kirche. Und ungeachtet einer solchen Situation war das Niveau des geistlichen Lebens der Christen so hoch, daß sie nach dem Wort des Apostels Lukas ein Herz und eine Seele hatten und unter Bewahrung der Einheit des Glaubens und der Liebe danach strebten, um des von ihnen geliebten Christus Willen den Märtyrerkranz zu erhalten.
So war es auch in den Tagen der Christenverfolgungen seitens des römischen Kaisers und der heidnischen Gesellschaft, und trotzdem besiegte die Kirche die Macht des alten heidnischen Roms. Die äußere Organisation der kirchlichen Verwaltung schuf man erst, als die Verfolgungen nachließen und friedliche Zeiten für die Christen eintraten.
So hat auch jetzt zur Zeit neuer Verfolgungen die Russische Kirche, die geistlich den Sieg davon getragen hat, keine äußeren Formen ihres Seins. Sie existiert durch die Einheit des Bekenntnisses des orthodoxen Glaubens und durch die gegenseitige Liebe ihrer treuen Kinder. Die Zahl ihrer Gläubigen ist groß: Millionen in der Heimat und Tausende im Ausland. Das sind ihre treuen und gehorsamen Kinder, zeitgenössische Bekenner und vielleicht künftige Märtyrer in der Heimat.
Niemand kann sie der Liebe Christi berauben, da Er, obwohl schon über 70 Jahre verfolgt, in ihren Herzen lebt, versteckt von Seinen Verfolgern. Sie kennen Ihn und verraten Ihn nicht.
Und ungeachtet der vollständigen Vernichtung der Geistlichen bewahrte unsere Kirche ihre kanonischen Bischöfe, die ihre gesetzmäßige Weihe von den russischen Heiligen erhielten, die ihre Gewissensfreiheit bewahrten, keine Kompromisse mit den Feinden kannten, der Mutterkirche treu blieben.
Wir sahen und sehen sie nicht in den Palästen der von den Machthabern offiziell anerkannten, von ihnen aber der Freiheit beraubten Moskauer Patriarchie, die gezwungen wird die Unwahrheit zu sagen. Wir sahen und sehen sie in den Gefängnissen, Lagern, psychiatrischen Kliniken, versteckt in den Katakomben des unermeßlichen russischen Landes und außerhalb seiner Grenzen, wo sie unfaßbar für ihre Verfolger ein freies Zentrum der kirchlichen Verwaltung bilden und sein Oberhaupt wählen konnten. Auf sie setzen die Gläubigen ihr Vertrauen.
Wir alle sind die verstreuten Schafe der einen Herde Christi. Wir sind der Leib der Russischen Kirche, die sich den Feinden nicht ergeben hat. Wir feiern unseren Sieg zusammen mit den rhumreichen und unbesiegbaren Märtyrern. Wir alle, gute und schlechte russische Christen freuen uns heute, da es den Gottlosen nicht gelungen ist unsere Kirche zu zerstören, all ihre Hirten zu ermorden, unser Heimatland zu einem Nest der Gottlosigkeit und der Dämonen zu machen.
Wir setzen auch weiterhin unser Vertrauen auf die unüberwindliche Kraft des göttlichen Gründers der Kirche und auf Seine Verheißung von ihrer Unbesiegbarkeit. Und wenn dies Gottes Wille ist und die Christenverfolgungen im russischen Land aufhören, so wird die Kirche in all ihrer Kraft auferstehen, in all ihrer geistlichen Schönheit und den kanonischen Formen ihres irdischen Daseins.
Gott steht auf und Seine Feinde zerstieben.
Anthony,
Erzbischof von Genf und Westeuropa
Bote 1988-4
Zum Millennium der Taufe Rußlands
Gleb Rahr
(Ansprache beim Empfang im Künstlerhaus in München am 31.5.1988)
Unser Millennium, das Ereignis, dessen 1000. Wiederkehr wir in diesem Jahr begehen, bezeichnen wir als "Krescenie Rusi", als "Taufe Rußlands". Natürlich hat Ludolf Müller recht, wenn er im Vorwort zu seinem Buch über die "Taufe Rußlands" darauf hinweist, daß das Wort "Rußland" in diesem Zusammenhang "eine etwas andere Bedeutung hat als in der Moskauer und Petersburger Epoche der Geschichte der ostslawischen Völker". Doch eben diesen Begriff - "Russkaja Semlja", Russisches Land, Rußland - benutzt schon in ihrem Titel die Chronik des Kiewer Mönchs Nestor "Geschichte der vergangenen Zeiten, wie das Russische Land entstanden, und wer im Russischen Lande zuerst geherrscht hat", jene Chronik, der wir sowohl die Jahreszahl der Taufe Rußlands, als auch die übliche Beschreibung dieses Ereig-nisses mit all den schönen Bereicherungen legendären Charakters verdanken. Taufe der "Kiewer Russj" sagen manche. Doch ist das die Bezeichnung einer Zeitspanne, einer Periode in der Geschichte Rußlands, nicht aber der Name eines Staatswesens. Der Staat hieß entweder "Russj", was eine grammatikalische Sammelform für den Volksbegriff der Russen darstellt, oder , wie bereits erwähnt - Russkaja Semlja, Russisches Land, Rußland. Das Ereignis der allgemeinen Taufe der Russen hat damit sehr viel zu tun. Denn bis dahin fühlten sich die Untertanen der Nachkommen Ruriks, des Herrschergeschlechts aus Nowgorod, das 880 seine Macht auf Kiew ausdehnte und von hier aus nicht nur alle ostslawischen Stämme unterwarf, sondern auch den Versuch unternahm, ein russisch-bulgarisches Großreich zu errichten, als Angehörige ihrer jeweiligen Stämme - Slowenen im Norden, Poljanen im Süden, Drewljanen im Westen, Wjatitschen im Osten. Nicht das gemeinsame Herrscherhaus, sondern die neue christliche Religion einigte sie und machte aus ihnen eine Nation. Lesen wir die berühmte Lobrede des ersten Kiewer Metropoliten russischen Volkstums Hilarion auf den heiligen Fürsten Wladimir, will uns die von ihm geschilderte Hochblüte der christlichen Kultur in Kiew zur Zeit Jaroslaws des Weisen, des Sohnes Wladimirs, unglaubhaft erscheinen. Doch selbst der Bruchteil der erhaltenen Bauwerke, selbst die wenigen Fresken und Mosaiken jener Zeit, die uns geblieben sind, selbst die kargen Berichte der Nowgoroder und Kiewer Chroniken zeugen davon, daß mit der Taufe Rußlands tatsächlich das Fundament gelegt wurde, auf dem die ganze russische Kultur, einschließlich Puschkin und Dostojewjskij, einschließlich Tschajkowskij und Rachmaninow, heute noch steht. Es gibt weder ein russisches National-, noch ein russisches Staats- oder Geschichtsbewußtsein, das sich nicht auf diesen Fels gründen würde. Wir wissen, daß der Fels des Bekenntnisses Petri zu Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes, schon immer infrage gestellt worden ist, historisch gesehen - zuerst wohl im Westen Europas, dann auch im Osten. Es ist sicherlich keine Anmaßung zu behaupten, daß wir alle heute Zeugen von Vorgängen sind, die dem Zusammenbruch eines der größten Versuche gleichkommen, einen auf dem Fels des Bekenntnisses zu Christus gewachsenen Bau zu zerstören und statt dessen auf Flugsand ein Reich des Bösen zu errichten. Auch sehen wir alle Zeichen der Zeit, die uns hoffen lassen. Doch seien wir vorsichtig, lassen wir uns nicht von Wunschträumen leiten.
Wenn ein ständig ins Ausland reisender sowjetischer Bischof, der zu Zeiten Breznevs dadurch aufgefallen war, daß er öffentlich behauptete, karitative Tätigkeit sei keine Aufgabe der christlichen Kirche und erübrige sich, weil im Sowjetstaat alle sozialen Nöte von Staats wegen behoben würden, und darüber hinaus erklärte, die Kirche erteile keinen Religionsunterricht, weil das eine Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit bedeuten würde, heute (oder, genauer gesagt, vor wenigen Tagen) in einem Interview mit "Glaube in der 2. Welt" erklärt, die Einflußnahme des Sowjetstaats auf die Besetzung der Priesterstellen sei "sehr wichtig", weil ein Bischof ja nicht wissen könne, ob der Betreffende einen guten Leumund hat, dann zeigt das leider, daß bei manchen Hierarchen des Patriarchats die Uhrzeiger noch keineswegs auf Perestrojka weisen. Wissenschaftler beklagen heute offen das tragische Schicksal Wawilows, der zur Zeit Stalins umkam. Militärs schreiben von den blutigen stalinistischen "Säuberungen" in ihren Reihen kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges. Schollenverbundene Schriftsteller decken die ungeheuerlichen Verbrechen nicht nur Stalins, sondern auch schon Lenins am Bauerntum auf und die Zeitschriften wetteifern miteinander in der Veröffentlichung dieser Anklagen. Selbst die Partei versucht es, Opfer der Blutrünstigkeit Stalins aus ihren Reihen weißzuwaschen und als unschuldig darzustellen. Nur die Kirche - ich meine natürlich die offiziellen Hierarchen des Patriarchats - schweigt immer noch über ihre eigenen Märtyrer. Der Patriarch von Moskau und Allrußland Pimen und der Geheiligte Synod der Kirche in der Heimat hat uns am 21. Juni vorigen Jahres durch ein Rundschreiben aufgefordert, das zu überwinden, was uns trennt und das Millennium zum Anlaß zu nehmen, unseren Herrn und Heiland gemeinsam mit dem Patriarchat, mit einem Mund und eines Herzens zu preisen. Der Bischofssynod der Russischen Kirche im Ausland konnte nicht anders antworten, als mit dem Hinweis auf die Märtyrer der letzten 70 Jahre, die wir als Heilige, als heiligstes Gut unserer Kirche überhaupt verehren, die vom Patriarchat jedoch, auch jetzt noch verschwiegen, ja sogar verleumdet werden. Denn was sonst, als nicht Blasphemie und Verleumdung sind Behauptungen, die erschossenen und in Lagern umgekommenen Priester, Bischöfe, Nonnen und Mönche, seien an ihrem Schicksal selbst schuld gewesen, weil sie sich dem neuen Regime politisch widersetzt hätten? Nun, erstens kamen die Bolschewiki durch einen gesetzeswidrigen Staatsstreich an die Macht. Es war Pflicht jedes rechtsbewußten und patriotisch gesinnten Bürgers Widerstand zu leisten. Zweitens begannen die neuen Machthaber schon in den ersten Tagen nach der Machtergreifung mit der Verfolgung der Geistlichkeit, als von einem politischen Widerstand noch keine Rede sein konnte. Der Vater der Lüge mag heute noch argumentieren, die Märtyrer seien selbst schuld. Ein Mann der Kirche, der sich von den Blutzeugen Christi abwendet und sie verleugnet, ist Anathema. Und wir wissen, daß unser ganzes Kirchenvolk hüben und drüben mit uns so denkt und diese unsere Überzeugung teilt. Es ist jetzt schon Jahre her, daß ein besonders erschütterndes Dokument in den Westen gelangte: ein Bericht des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR Furov an die höchsten Träger der Staatsgewalt. Unter anderem führte Furov in seinem Bericht aus, die Bischöfe der Russischen Orthodoxen Kirche in der Heimat könne man in drei Gruppen einteilen: ein beträchtlicher Teil versuche es immer wieder, die sowjetische Religionsgesetzgebung zu umgehen und kämpfe gegen die Vertreter der Staatsgewalt mit allen Mitteln an. Eine weitere Gruppe von Bischöfen halte sich zwar an die Gesetze, versuche aber dennoch, die ihnen unterstellte Geistlichkeit zu größerer Aktivität anzuspornen und im Rahmen der formellen Legalität die Religion so weit es geht zu festigen. Dann gäbe es aber noch eine dritte Gruppe. Das sind, ich zitiere, "Bischöfe, die sowohl mit Worten, als auch mit Taten nicht nur ihre Loyalität, sondern auch ihren Patriotismus gegenüber der sozialistischen Gesellschaftsform beweisen, die Gesetze über die Kultausübung genau befolgen und in diesem Geiste sowohl die Gemeindepriester, als auch das Kirchenvolk erziehen, die sich realistischerweise bewußt sind, daß unser Staat an einer Stärkung der Rolle der Religion und der Kirche in unserer Gesellschaft kein Interesse hat, und die dieses verstehen und daher keine sonderliche Aktivität an den Tag legen, um den Einfluß der Orthodoxie unter der Bevölkerung auszuweiten". Ende des Zitats. Furov nannte auch Namen. Zu der letztgenannten Gruppe jener, die keine sonderliche Aktivität an den Tag legten, den christlichen Glauben zu fördern, zählte er nicht sehr viele Bischöfe: nur 17. Wohl die Hälfte von ihnen lebt nicht mehr. Doch die noch Lebenden halten immer noch die wichtigsten Schlüsselstellungen im Patriarchat inne,von den beiden Philarets abgesehen, dem von Kiew, und dem von Minsk, die zur Zeit der Abfassung des Furov-Berichtes noch keine bedeutende Stellung einnahmen und von Furov in seiner Wertung übergangen wurden. Natürlich konnte auch Furov falsch urteilen. Natürlich konnten sich manche der Betroffenen inzwischen zu Besseren geändert haben. Natürlich sind wir nicht befugt, ein Urteil über sie zu fällen. Was wir aber befugt sind zu tun, und was unsere Pflicht ist, das ist Vorsicht und Besonnenheit. Während wir von den Bischöfen unserer Kirche in der Heimat eigentlich nur zwei Dinge erwarten und erhoffen - ihr offenes Bekenntnis zu den Märtyrern der letzten 70 Jahre und eine Haltung gegenüber dem Staat, die der Würde und dem Wesen der Kirche Christi entspricht, - stellen wir auch an die Politiker der Perestrojka in unserem Lande keine überspitzten Forderungen.
Vier Dinge sind es im wesentlichen. Freilassung aller, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden und ihrer Freiheit beraubt sind. Beispiel: Diakon Vladimir Russak. Er hat Material über die Kirchenverfolgungen unter Lenin, Stalin und Chruscov gesammelt, er hat offen zur Verehrung der Märtyrer aufgerufen, er hat ein Buch geschrieben, das jetzt im Kloster der heiligen Dreifaltigkeit in Jordanville gedruckt worden ist. Im Februar vergangenen Jahres hat man ihm angeboten, seine Freiheit durch die Abgabe einer Reueerklärung zu erkaufen. Diakon Vladimir hat das abgelehnt. Er ist immer noch seiner Freiheit beraubt. Solange er nicht frei ist, haben wir keinen Grund, an die Perestrojka zu glauben. Solange Russak- und er ist bei weitem nicht der Einzige - nicht freigelassen wird, glauben wir nicht, daß es den Politikern der Perestrojka ernsthaft um Recht, Gerechtigkeit, Wiederherstellung der Menschenwürde geht. Zweitens: 1909, 8 Jahre vor Einbruch der Katastrophe, zählte man in Rußland 75.556 Kirchen. 839 von ihnen waren neu, das heißt im Jahr davor errichtet worden. Heute gibt die Nachrichtenagentur "Nowosti" die Zahl der orthodoxen Gotteshäuser mit 6.893 an. Vor 2 Jahren waren es laut Charcev, dem Vorsitzenden des Rates für religiöse Angelegenheiten, 6.794. In 2 Jahren ist also die Zahl der "arbeitenden" Kirchen um 99 gestiegen. Die Diskrepanz zwischen den Zahlen von 1909 und denen unserer Zeit zeigt, wie ungeheuer groß die Vernichtung, die Zerstörung war und ist. Es ist klar, daß selbst beim besten Willen (und dieser "beste Wille" ist bei Sowjetfunktionären auch heute noch nur in den seltensten Fällen vorauszusetzen) eine Wiedergutmachung, ein Wiederaufbau nur sehr langsam vorangehen kann. Niemand hat die Mittel, alles Zerstörte wieder aufzurichten. Doch braucht das christliche Kirchenvolk Beweise, daß es die Perestrojka-Leute ernst meinen. Im Jahr des Millenniums dürfte man erwarten, daß wenigstens die Kirchenbauten jener Zeit, die Sophienkathedrale in Kiew, die Sophienkathedrale in Nowgorod, vor allem aber das Kiewer Höhlenkloster der Kirche und dem gläubigen Volk zurückgegeben werden. Stattdessen erniedrigt man die Gläubigen, indem man in der Sophia von Nowgorod Konzerte veranstaltet. Über die Lavra, das Höhlenkloster redet man drum herum, es scheinen noch nicht alle Widerstände gegen dessen Rückgabe gebrochen zu sein. Und dabei wäre das ja nur eine symbolische Geste der Ehrlichkeit des guten Willens, der guten Absichten der Perestrojka. Nummer Eins - Freilassung der Gefangenen - Nummer Zwei - Rückgabe der wichtigsten Heiligtümer, Nummer Drei - Aufhebung der Verbote vom 8. April 1929, des Verbots kirchlicher Wohltätigkeit und Fürsorge, des Verbots jeglichen Religionsunterrichts und jeglicher Jugendarbeit. Nicht eine neue Religionsgesetzgebung des atheistischen Sowjetstaats ist fällig, sondern ganz einfach eine Aufhebung von ungesetzlichen Verboten. Wir kommen zum vierten und letzten Punkt: die Sowjetmedien fordern die gläubigen Bürger auf (der prozentmäßige Anteil der gläubigen Christen und Moslems an der Gesamtbevölkerung wird von sowjetischen Soziologen auf 20 %, von der Oxfordschen "World Christian Encyclopaedia" auf 40 % geschätzt), sich selbst nicht mehr als Bürger zweiter Klasse zu betrachten. Leichter gesagt, als getan. Will man aber allen Ernstes eine Gleichstellung gläubiger Bürger mit den Atheisten erreichen, muß zuallererst die Sowjetverfassung dran. Da heißt es, die Atheisten hätten ein Recht auf Propaganda, die Gläubigen jedoch nur auf "Ausübung des Kults". Natürlich müssen beide ein gleiches Recht auf Verbreitung ihrer Überzeugungen haben. Natürlich muß der Staat von der Partei abrücken und eine weltanschaulich neutrale Haltung beziehen. Natürlich muß das staatliche Schulsystem von der Verpflichtung entbunden werden, den Atheismus zu predigen und aufzuzwingen.
Bescheiden, wie unsere Erwartungen gegenüber der Perestrojka sein mögen, verlangen sie doch von den Trägern der Perestrojka viel, ja - sehr viel. Wir haben Verständnis dafür. Wir schauen zwar auf die Uhr, aber nicht unbedingt auf den Sekundenzeiger. Wir im Ausland, wir in der Bundesrepublik, wir in Bayern - wir könnten warten. Kann aber das Volk in Rußland weiter so leben, wie bisher? Ist es nicht im dringendsten und ureigensten Interesse jener, die die klägliche Wirklichkeit verändern wollen, dies mit dem größtmöglichen Grad von "Uskorenije" - Beschleunigung zu tun? Gott stehe ihnen bei.
An der Schwelle des zweiten Jahrtausends: stehe Gott uns allen bei und segne unseren weiteren Weg.
Bote 1988-4
Aus dem Leben der Diözese
Am 7. Mai fand in der Kirche des Hl. Alexander Newskij in Kopenhagen ein feierlicher bischöflicher Gottesdienst zum Gedenken an das tausendjährige Jubiläum der Taufe Rußlands. Während der Göttlichen Liturgie war Ihre Königliche Hoheit Margareth, die Königin von Dänemark mit ihrem Gatten, Prinz Henrik, sowie viele Gläubige und hohe Ehrengäste anwesend. Nach Beendigung der Liturgie überreichte Bischof Mark der Dänischen Königin die silberne Medaille, die von der Deutschen Diözese zum tausendjährigen Jubiläum geprägt wurde. Königin Margareth und ihr Gemahl besuchten die Ausstellung, die in den Vorräumen der Kirche bis zum Ende dieses Jahres gezeigt wird. Die Ausstellung besteht aus sieben großen Holztafeln, auf denen in Photographien und Texten in dänischer Sprache die geistliche Entwicklung Rußlands von der Taufe bis zum 20. Jh. dargestellt wird. Eingeschlossen sind Photographien der Neumärtyrer, von der Zerstörung von Kirchen mit statistischen Angaben und von Protodiakon Wladimir Russak, der in der UdSSR immer noch eingesperrt ist. Auf der ersten Tafel wird das Leben der Kirche in Copenhagen geschildert, auf der letzten - die Geschichte und das Leben der Russischen Kirche im Ausland. Die Ausstellung befindet sich im weitläufigen Treppenhaus, das zu der auf der ersten Etage gelegenen Kirche führt. Im Erdgeschoß befindet sich eine russische Bibliothek, Schulzimmer, die Wohnung des Priesters u.a. Die Kirche wurde auf Geheiß des Zaren Alexander III zu Ehre seiner Gemahlin Maria Feodorowna, der Mutter des Märtyrer-Zaren Nikolai gebaut. Sie ist mit Goldornament geschmückt, und über den Glockenturm erheben sich drei vergoldete Kuppeln. - Nach der Liturgie gab die Gemeinde einen Empfang, und am Nachmittag wurde ein Vortrag über die Russische Orthodoxe Kirche im 20. Jh. gehalten.
Am folgenden Tag, Sonntag den 8. Mai, nahm Bischof Mark an den Feierlichkeiten aus Anlaß der Tausendjahrfeier teil, die von der Westeuropäischen Diözese unserer Kirche in Paris veranstaltet wurde. Die Göttliche Liturgie zelebrierte der Hochgeweihte Antonij, Erzbischof von Genf und Westeuropa, Mark, Bischof von Berlin und Deutschland und Hilarion, Bischof von Manhatten unter Konzelebration von 23 Priestern und 7 Diakonen. Die Gottesdienste fanden in unserer Rumänischen Kirche statt, wohin 2 Wundertätige Ikonen kamen: die von Lesna und die Myronspendende von Iveron. Die Liturgie wurde von dem Chor der Genfer Kathedralkirche unter Leitung von I. Diakov gesungen.
S.E. Erzbischof Antonij hielt eine bewegende Predigt über den Einfluß der Taufe Rußlands auf das Leben des russischen Volkes, über den Märtyrertod von Millionen Unschuldiger in der Heimat, über die Zerstörung und Schändung von Kirchen und Klöstern, über die Anzeichen von Glauben und religiösem Suchen in der heutigen Generation und über die Rolle der russischen Emigration bei der Bewahrung und Verbreitung des Orthodoxen Glaubens. Erzpriester Benjamin Joukoff übersetzte die Predigt ins Französische.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen, das in einem nahegelegenen großen Saal stattfand, hielt der Hochgeweihte Erzbischof Antonij eine Ansprache über die gegenwärtige Lage der Russichen Kirche, und danach hielt Fürst A. N. Gedroitz einen Vortrag über den Einfluß des Orthodoxen Glaubens auf die schöpferischen Kräfte des russischen Volkes. Nach der Pause gab der Chor des Kathedralkirche in Genf ein Konzert. Ihm folgte der Männerchor der Christi-Auferstehungskirche in Meu-don unter Leitung von K. Malinin. Zu den Feierlichkeiten in Paris war eine bedeutende Zahl von Pilgern aus der Schweiz, Österreich, Belgien und Holland gekommen. Alle waren dankbar für die hervorragende Organisation dieser Zusammenkunft, die in den Händen von Vater Benjamin Joukoff lag.
Am 10. Mai fand ein feierlicher Gottesdienst in der Grabkapelle auf dem Rottenberg bei Stuttgart statt. Bischof Mark und Bischof Hilarion zelebrierten die Göttliche Liturgie mit Klerikern der Deutschen Diözese. Nach dem Gottesdienst gab die Gemeinde einen Empfang im Saal einer evangelischen Gemeinde, die sich neben unserer Kirche des Hl. Nikolaus in Stuttgart befindet. Anlaß zu diesen Feiern, die unter der Schirmherrschaft Seiner Königlichen Hoheit, Herzog Karl von Württemberg verliefen, bot das 200-Jährige Jubiläum des Geburtstages der russischen Großfürstin und Königin von Württemberg Katharina Pawlowna. Herzog Karl widmete ihrer Persönlichkeit und ihrer Bedeutung, die in Württemberg bis zum heutigen Tage fühlbar sind, eine ergreifende Rede. Bei dem Empfang hielt Gleb Rahr einen kurzen Vortrag über die familiären Verbindungen zwischen dem russischen Kaiserhaus und dem Württembergischen Königshaus. Der Bürgermeister Lehmann sprach ein Grußwort. Unter den Gästen waren Vertreter der Landesregierung, der Stadt und der Römisch-Katho-lischen und Evangelischen Kirche.
Am 15. und 16. Mai veranstaltete unsere Maria-Schutz-Gemeinde in Berlin eine Reihe von Vorträgen aus Anlaß der Tausendjahrfeier der Taufe Rußlands. Am Sonntag Abend, den 15. Mai, wurden die Feierlichkeiten durch einen Gebetsgottesdienst an alle Heiligen des russischen Landes eröffnet. Erster Vortragende war G. A. Rahr mit einem Referat über die Zusammenhänge der Taufe Rußlands durch den Heiligen Wladimir. Der Abend wurde beschlossen durch einen Vortrag von Bischof Mark über die Bedeutung des Gebets in der Tradition des russischen Mönchtums. Am Montag Morgen zelebrierten die Priester Nikolai Artemoff und Evgenij Sapronov die Göttliche Liturgie. Am Nachmittag hielt Vater Nikolai Artemoff ein Referat über die Entwicklung der russischen orthodoxen Theologie und ihre Befreiung von den Einflüssen der Scholastik, insbesondere von der Tätigkeit des Metropoliten Antonij Chrapowitzkij in dieser Hinsicht. Es folgte die Demonstration von Lichtbildern russischer Kirchen vor und nach ihrer Zerstörung und von den Starzen von Optina in Verbindung mit Farblichtbildern der Optina Pustyn' und des Klosters von Solowki in ihrem jetzigen Zustand. Am Abend gab die Gemeinde einen Empfang im Saal einer katholischen Kirche, an dem u.a. auch Vertreter des Berliner Senats teilnahmen. Mit einem Grußwort von dem evangelischen Bischof Dr. Martin Kruse wandte sich Propst Uwe Hollm an die Anwesenden. Im musikalischen Teil des Abends gelangten Kompositionen Sergej Rachmaninov und des zeitgenössischen Komponisten Arvo (Arefa) Pärt - unseres Gemeindemitglieds - zur Aufführung. Solist am Cello war der Musiker D. Schwalke, der im Chor unserer Gemeinde singt.
Am dritten Tag des Pfingstfestes, dem 31. Mai, versammelten sich die Geistlichen der deutschen Diözese in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in München um die Tausendjahrfeier der Taufe Rußlands zu begehen.
Zu diesem Tag waren alle Geistlichen mit dem Kreuz des Hl. Wladimir auf schwarz-rotem Band mit der Darstellung des Hl. Wladimir und den Jahreszahlen 988-1988 ausgezeichnet wor-den. Während des Kleinen Einzugs der Göttlichen Liturgie wurde Vater Bozidar Patrnogic mit dem Recht zum Tragen der Kamilavka, und Vater Nikolai Artemoff mit dem Recht zum Tragen der Skufia ausgezeichnet. Der Liturgie wohnten offizielle Gäste bei, Vertreter des Landes, der Stadt und der örtlichen Kirchen. Am Nachmittag eröffnete Bischof Mark in einem an unserer Kirche angrenzenden Saal eine Ausstellung, die von der Jugend der Münchener Gemeinde unter Leitung von Priester Nikolai Artemoff zusammengestellt worden war. Vater Nikolai Artemoff hielt einen Vortrag über die geistliche Entwicklung des russischen Volkes.
Am Abend fand ein Empfang im "Künstlehaus" statt, zu dem Vertreter unserer Gemeinden, der Katholischen und Evangelischen Kirchen, des Staates und der Stadt geladen waren.
Nach der Begrüßung durch Bischof Mark hielt G.A. Rahr einen kurzen Vortrag über die Bedeutung des Millenniums für uns.(siehe Seite 3)
Bote 1988-5
Jubiläumsbotschaft des Bischofskonzils
an die Gläubigen der Russischen Orthodoxen Kirche
"Mit uns ist Gott, vernehmt es, ihr Gottlosen, und unterwerft euch unserem Gott"
Im Jubiläumsjahr 1988, dem 1000. Jahr nach der Taufe Rußlands, erheben wir, die Bischöfe der Russischen Orthodoxen Kirche, die wir uns zu un-serem Bischofskonzil in New York versammelt ha-ben, unsere Stimme und wenden uns an alle Kin-der unserer Kirche mit den Worten: "Christus ist unter uns und wird unter uns sein".
"Leuchte, o leuchte, du Russische Kirche, denn der Ruhm Gottes erglänzte in dir!" Freut euch und frohlocket, die ihr ihre treuen Kinder seid! Unsere Kirche hat nun die Wahrheit der Worte Christi bestätigt: "Ich werde Meine Kirche errichten, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen".
Die Pforten des Hades versuchten und versu-chen nun schon seit tausend Jahren, sie zu über-wältigen. Zu ihrem jetzigen Jubiläum setzte der Widersacher Gottes die letzten ihm zur Verfügung stehenden Kräfte ein, um die Kirche vom Ange-sicht der Erde zu tilgen, wobei er schon im Voraus den Zeitpunkt ihrer völligen Vernichtung bestimm-te.
Mit dem Jahr 1917 begannen wütende, un-barmherzige, nie dagewesene Verfolgungen ge-gen die Gläubigen der Russischen Kirche. Millio-nen von ermordeten, zu Tode gequälten, in Ver-bannung und Lagern umgekommenen Bischöfen, Priestern, Mönchen und Nonnen, gläubigen Lai-en, wurden bis dahin ungekannten Repressionen seitens der militanten Gottlosen ausgesetzt. Doch die Kirche überdauerte auf dem Blut der Märtyrer.
Die Russische Kirche heute - das ist zunächst das grenzenlose Meer der Gläubigen unseres Lan-des, die um Christi und Seiner Wahrheit willen dul-den und verfolgt werden, der Priester, die in die Katakomben ihrer Herzen gingen, der Väter und Mütter, die durch ihre Gebete ihre Kinder von der Gottlosigkeit und dem Unglauben retten, der Kin-der, der Glaubenszeugen, aller in Ohnmacht Star-ken, deren die gegenwärtige Welt nicht würdig ist.
Sie und wir, die wir sie lieben, leider außerhalb unseres Vaterlandes, sind die Russische Kirche, über der der Ruhm Gottes im tausendsten Jahr ihres Daseins leuchtet.
Wir glauben, daß jene Stunde nicht fern ist, da die zeitgenössischen Verfolger ähnlich wie Julian der Apostat zu Christus sagen: Du hast uns be-siegt, Mann aus Galiläa! Dann wird die Russische Kirche wiedererstehen, gereinigt durch die Verfol-gungen, reingewaschen durch das Blut der Märty-rer, wie eine wunderbare Braut Christi, in Kleidern, die aus den unbeschreiblichen Leiden ihrer treuen Kinder gewebt sind, welche mit dem Apostel aus-rufen: Dies ist der Sieg, der die Welt überwand - unser Glaube!".
Und erst dann wird die selbständige Existenz der Auslandskirche und des Konzils Russischer Bischöfe außerhalb der Grenzen unserer Heimat beendet sein. Doch solange Bekenner des christ-lichen Glaubens in Gefängnissen und Lagern schmachten und sterben, solange die kirchliche Führung des Moskauer Patriarchats mit Sprach-losigkeit geschlagen ist und die Wahrheit nicht sa-gen kann, fühlen wir, die russischen Bischöfe im Ausland, die uns übertragene furchtbare Verant-wortung für die gesamte Kirche.
Sind wir doch in den Tagen des historischen Jubiläums die einzigen Bischöfe, die die innere Freiheit der Kirche bewahrt haben, als ein Gött-liches Geschenk des Heiligen Geistes, ohne das die Kirche undenkbar ist. In der Verwaltung ihres freien Teils, nämlich im Ausland, sind wir von nie-mandem abhängig, und niemand kann uns dazu zwingen, gegen unser pastorales Gewissen zu handeln. Wir sind im Besitz der von Gott gegebe-nen Freiheit und kennen daher keine Kompromis-se mit den Feinden der Wahrheit Christi, und die Hand der Gottlosen kann uns vorläufig nicht errei-chen.
Wir sind die einzigen russischen Bischöfe, de-ren Stimme die freie Stimme der vielleidenden Mutterkirche sein kann und muß und tatsächlich ist, im Gegensatz zu der lügnerischen Propaganda der Unterdrücker unserer Heimat und der kirch-lichen Führung des Moskauer Patriarchats.
Wir sind die einzigen russischen Bischöfe, die die kanonische Reinheit der Weihen von den großen russischen Hierarchen bewahrten, und niemals dafür die Erlaubnis oder gar den Befehl von den Feinden der Kirche erhielten.
Wir sind die einzigen russischen Bischöfe, die die Wahrheit über die Lage der Kirche in der Hei-mat sprechen, wodurch wir das Schicksal unserer Glaubensbrüder dort erleichtern und worin wir un-sere Pflicht vor der Kirche sehen. Wir legen frei Zeugnis ab von den Märtyrern und Bekennern un-serer Zeit, von ihren Leiden und ihrem Mut, ohne durch Schweigen über sie die Kirchengeschichte der letzten Jahrzehnte zu entstellen.
Wir sind die einzigen russischen Bischöfe, die die kanonische Ordnung auf Grund des Erlasses des Heiligsten Patriarchen Tichon vom 20. Novem-ber 1920 bewahrten. Wir lassen uns ausschließ-lich von unserem pastoralen Gewissen leiten, wenn wir Bischofskonzile einberufen, in welchen wir die höchste Autorität der Kirche sehen; wir wählen konziliar und frei das Haupt der Kirche - den Metropoliten und die Diözesanbischöfe, entschei-den alle Fragen der Verwaltung der Kirche und ihrer Diözesen, die sich in allen Ländern der freien Welt befinden, in denen selbstlose und unbe-stechliche Priester die ihnen treuen Gemeinden umsorgen.
Wir sind die einzigen russischen Bischöfe, die es wagten, die neuen Märtyrer und Bekenner un-serer Kirche zu verherrlichen, da in der Heimat noch niemand das tun konnte und kann. Und in dieser heiligen Sache erhielten wir volle Unterstüt-zung, Mitgefühl und Verständnis der Geistlichen und Gläubigen, die diese Verherrlichung längst er-wartet hatten.
Indem wir so von uns sprechen, wollen wir uns nicht loben, denn dies wäre eine Torheit. Nicht durch unseren Verstand und unsere Mühen er-hielten wir die Freiheit des Wortes und der Hand-lung im pastoralen Dienst - sondern so war über uns der Wille Gottes, damit wir im Ausland das be-wahrten, was in der Heimat zu bewahren nicht möglich war. Wir aber können uns nur ob unserer Schwäche loben.
Die Freiheit der Kirche ist undenkbar in einem Land, in welchem der Atheismus Staatsreligion ist, in welchem alle Informationsmittel nur den Atheis-ten gehören, in welchem die Vertreter des Mos-kauer Patriarchats rechtlose Sklaven ihrer Sklaven-halter bleiben.
"Ein Gefühl von Verwunderung und Bitterkeit", schreiben Priester und Gläubige in der Heimat, "rief bei vielen die Botschaft des Patriarchen und seiner Synode aus Anlaß des 70. Jahrestages der Oktoberrevolution hervor, die die Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat in Gestalt einer idealen Symphonie darstellt. Aus diesem Send-schreiben weht der Geist von politischem Anachro-nismus". Als ob es, fügen wir von uns aus hinzu, in den schrecklichen Zeiten der Leninschen und Sta-linschen Verfolgungen und Terrorherrschaft ge-schrieben sei.
Und dies jetzt, wo "im Land", wie dieselben Gläubigen schreiben, "schon öffentlich über die Verbrechen Stalins gesprochen wird, über die un-schuldigen Opfer der Willkür, über die Unzulässig-keit des Verrats.. des Gedenkens von Millionen von Märtyrern und Bekennern des Glaubens, die nicht nur der Russischen Kirche, sondern der gan-zen christlichen Welt zum Ruhme dienen".
Und weiter schreiben sie: "wir befürchten, daß ... auch jetzt die Kirchenleitung die historischen Gegebenheiten nicht zur Verbesserung der Lage der Kirche nutzt und die Feierlichkeiten des gros-sen Jubiläums der tausendjährigen Wiederkehr der Taufe Rußlands auf formal-pompöse Veran-staltungen beschränkt und die Möglichkeit vorbei-ziehen läßt, dieses große Datum durch den Be-ginn einer wahren kirchlichen Wiedergeburt zu begehen" (Schreiben an Patriarch Pimen vom 18. November 1987).
Dies sprechen nicht wir aus dem Ausland, son-dern das sagen Priester und Gläubige in der Hei-mat, die sich in denselben Bedingungen der Un-freiheit und Unterdrückung befinden wie die Lei-tung des Moskauer Patriarchats. Wir aber müssen und werden für sie beten und bereiten uns auf ein würdiges Begehen des großen Jubiläums vor. Uns ist mehr gegeben, von uns wird auch mehr ge-fordert.
Wir alle sind Kinder der Russischen Kirche, wir sind Leib vom Leib der Heiligen Märtyrer, wir müs-sen uns ihnen würdig erweisen. Entfernen wir uns von den Versuchungen des offenen und heim-lichen Bösen, das gegen uns kämpft, hüten wir uns davor, das Recht der Erstgeborenen der Söhne der Kirche und die Freiheit in Christus für ein Linsengericht schnell vergänglicher Genüsse und Annehmlichkeiten des Lebens und sündiger Freuden zu verkaufen. Entfliehen wir dem Zorn, der Verurteilung, Streit und Zwiespalt, um nach dem Wort des Apostels "in demselben Geist und demselben Sinne" (1.Kor.1,10) zu verweilen.
Dafür beten wir - die Hirten auf dem Bischofs-konzil des Jubiläumsjahres im vollen Bewußtsein all unserer Verantwortung für die Kirche. Wir beten um unsere vollkommene Einmütigkeit, in der die Kraft und die Wahrheit der Kirche beschlossen ist, und um das feste Bestehen in der Wahrheit Christi.
Damit wir - die Hirten - unseres hohen Dienstes würdig seien, der uns durch die Vorsehung Gottes anvertraut ist, und, während wir andere belehren, nicht selbst auf beiden Beinen hinken. Wir beten darum, daß auch ihr - die Kinder der Russischen Kirche durch Gebet und Glauben die Versuchun-gen dieser Welt besiegt, in Not und Verfolgung, die ihr im Namen Christi auf euch nehmt, den Triumph Seiner Wahrheit auf der Erde und den Lohn des Himmels erwartet.
Vitaly, Metropolit von New York und Ostamerika
Antonij, Erzbischof von Los Angelesund Süd-Kalifornien
Antonij, Erzbischof von Genf und Westeuropa
Antonij, Erzbischof von Westamerika und San Fran-cisco
Paul, Erzbischof von Sydney und Australien und Neuseeland
Laurus, Erzbischof von Syracuse und Dreifaltig-keits-Kloster
Erzbischof Seraphim
Alipij, Bischof von Chicago und Detroit
Mark, Bischof von Berlin und Deutschland
Hilarion, Bischof von Manhattan
Bischof Konstantin
Bischof Gregor
Bote 1988-5
Aus dem Leben der Diözese
Am 22. Juli zelebrierte Bischof Mark mit dem Münchener Klerus eine Panichida auf dem Friedhof "Am Perlacher Forst" für Alexander Schmorell, ein Mitglied unserer Münchener Gemeinde. Als Medizinstudent gründete Alexander Schmorell im Jahre 1942 zusammen mit anderen Studenten der Münchener Universität die Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Im Februar 1943 wurden die Mitglieder durch die Gestapo verhaftet, nachdem sie in der Universität Flugblätter gegen das Nazi-Regime verteilt hatten. Sie wurden vom Volksgerichtshof zum Tod durch das Fallbeil verurteilt. Ale-xander Schmorell wurde am 13.7.1943 hingerichtet, nachdem ihm am Tag zuvor der Vorsteher der Münchener Gemeinde, der spätere Erzbischof Alexander, die Beichte abgenommen und die Kommunion gereicht hatte. Die Machthaber hatten Va-ter Alexander als Geistlichen aufgetragen, Alexander Schmorell dazu anzuhalten, um Gnade zu bitten. Dies lehnte er jedoch ab.
Zu der Panichida hatten sich außer dem Bruder des 1917 in Orenburg in Rußland geborenen Ale-xander Schmorell und dessen Familie zahlreiche Mitglieder der Münchener Gemeinde, besonders aus der studentischen Jugend eingefunden.
Am 1./14. August wurde während der Göttlichen Liturgie in der Hl. Nikolaus-Kathedrale zu München der Diakon Elias Jones, aus England, zum Priester geweiht. Vater Elias ist 44 Jahre alt, Lehrer an einer High School, mit einer Krankenschwester verheiratet und hat zwei Adoptivsöhne. Bisher war Vater Elias als Diakon in East Anglia aktiv. Er sammelte um sich die in der Provinz verstreuten Orthodoxen und führte Engländer, die an der Orthodoxie interessiert waren, zur Kirche. Er zelebriert auf Englisch, aber auch auf Slawisch und Griechisch. In einem kleinen Dorf erwarb die Gemeinde von Vater Elias eine leerstehende evangelische Kirche, in der ein Ikonostas sowie andere Gegenstände eingerichtet wurden, die in einer Orthodoxen Kirche nötig sind. Nach der Weihe verbrachte Vater Elias einen Monat in der englisch-sprachigen monastischen Bruderschaft in Brookwood, wo er täglich den gesamten Gottesdienst Zyklus zelebrieren konnte.
Bote 1988-5
Jubiläumsfeier in Frankfurt
Vom 6. bis 9. Juli fand in Frankfurt die reguläre Diözesanversammlung der Deutschen Diözese statt. Am 6. Juli um 17.00 Uhr zelebrierte Bischof Mark mit den Geistlichen der Deutschen Diözese einen Bittgottesdienst an Alle Heiligen des Russi-schen Landes im Frankfurter Bartholomäus-Dom im Zentrum der Stadt. Durch diesen Bittgottesdienst wurde der Auftakt zur Eröffnung der Ausstellung im Historischen Museum gegeben. Der Dom war überfüllt - es waren sowohl Orthodoxe wie auch Andersgläubige in großen Scharen gekommen, und viele standen noch auf der Straße. Vor dem Altar waren Ikonen und Kerzenständer aus unserer St. Nikolaus-Kirche in Frankfurt aufgestellt. Vor Beginn des Bittgottesdienstes begrüßte uns der römisch-katholische Weihbischof Walter Kam-pe aus Limburg als Hausherr des Domes und wies in seiner Ansprache auf die traditionell engen his-torischen Beziehungen zwischen der Stadt Frankfurt und Rußland hin. Der Bittgottesdienst wurde von einem kräftigen Chor unter der Leitung von Xenia Hoffmann gesungen.
Um 18.00 Uhr wurde die reichhaltige Ausstellung zum 1000-jährigen Jubiläum der Russischen Orthodoxen Kirche im Museum unweit des Doms eröffnet. Die Ausstellung wurde von dem Städtischen Museum in Zusammenarbeit mit unserer Frankfurter Gemeinde erarbeitet. Bei ihrem Aufbau war Frau Monika Gräfin Ignatiew besonders aktiv. Für die Ausstellung wurden reichste Materialien gesammelt, die verschiedene Seiten des Lebens der Russischen Orthodoxen Kirche wiederspiegeln, wie z.B. liturgische Gefäße aus verschiedenen Jahrhunderten, Evangeliarien, priesterliche und bischöfliche Gewänder, Kreuze, ein Taufbekken, Kirchenfahnen, Ikonen, liturgische No-ten, Photographien, Karten und Skizzen, die die wichtigsten Etappen der Verbreitung des Christentums in Rußland darstellen. Zu der Ausstellung wurde ein hervorragender Katalog mit dem Titel "Tausend Jahre christliches Rußland - zur Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche" vom Ver-lag Aurel Bongers herausgegeben. In diesem Sammelband ist neben den Abbildungen wertvoller Ikonen und anderer Exponate eine große Zahl äußerst informativer Artikel über die Geschichte der Russischen Kirche, über die Orthodoxe Kirche allgemein, über den Glauben, den Gottesdienst, die Architektur,das Mönchtum u.s.w. abgedruckt. Die Ausstellung war bis An-fang Oktober geöffnet und zog eine große Zahl von Menschen an, die sich für unsere Kirche interessieren.
Am selben Abend um 19.30 Uhr gab der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt einen Empfang im Römer. Der Empfang wurde durch gegenseitige Begrüßungen im Kaisersaal eröffnet, in dem in früheren Jahrhunderten deutsche Kaiser gekrönt wurden. Danach wurde den Teilnehmern an der Diözesanversammlung und geladenen Gästen im Ratskeller des Römers ein Imbiß gereicht.
Am 7. Juli um 7.oo Uhr wurde in der Hl. Nikolaus Kirche in Frankfurt der Morgengottesdienst und die Liturgie gefeiert. In die Liturgie wurden Bitten aus dem Bittgottesdienst vor Beginn eines guten Werkes eingefügt. Hiermit begann die Diözesan-versammlung. Nach der Begrüßung durch Bischof Mark folgte sein Referat über das Leben der Diözese während des zurückliegenden Zeitraums. Ebenso wurde der Bericht der Revisionskommis-sion der Diözese verlesen. Am Nachmittag hielt der Hypodiakon Gleb A. Rahr einen Vortrag über die Lage der Russischen Orthodoxen Kirche im Jubi-läumsjahr. Weiterhin folgten die Berichte der Pries-ter und Kirchenältesten über die Gemeinden der Deutschen Diözese, und am Abend fand in der Katharinenkirche im Stadtzentrum ein Konzert des Kirchenchores unter Leitung von X.B. Hoffmann statt.
Der folgende Tag be-gann wiederum mit dem Morgengottesdienst und der Liturgie, wonach die Berichte der Priester und Kirchenältesten fortge-setzt wurden. Nach dem Mittagessen hielt Erzpries-ter Ambrosius Backhaus einen Vortrag zu dem The-ma "Wie müssen sich Geistliche gegenüber Aids-Kranken verhalten?", und Dr. G. Seide gab einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung der Deutschen Diözese. An diesem Abend gab der Kirchenchor ein Konzert in Bad Homburg. Diese Konzerte wurden von einem er-klärenden Kommentar seitens des Vorstehers der Frankfurter Gemeinde, Erzpriester Dimitrij Ignatiew, begleitet. Vater Dimitrij erklärte in kurzen Worten den gesamten Verlauf und die Bedeutung des orthodoxen Gottesdienstzyklus, wo-bei er grundlegende Informationen auch über die Kirchenmusik, die Architektur und Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche gab. Die Konzerte zogen viele Zuhörer an. Der Erlös der Konzerte ist für die Unterstützung unserer Klöster im Heiligen Land bestimmt.
Am Sonnabend, den 9. Juli fanden nach der göttlichen Liturgie die Wahlen zum Diözesanrat, Geistlichen Gericht und Revisionskommission der Diözese statt.
Der Diözesanrat besteht nunmehr aus: Erz-priester Ambrosius Backhaus, Erzpriester Dimitrij Ignatiew, Priester Nikolaj Artemoff, Dr. G. Seide, W.W. von Lewin und W.A. von Kutsche. Im Falle der Verhinderung oder des Ausscheidens eines dieser Mitglieder wurden als Ersatzleute gewählt Diakon Nikolaj Wiese, M.W. Gorachek, G.A. Rahr. Das geistliche Gericht besteht aus: Erzpriester Ambrosius Backhaus, Erzpriester Dimitrij Ignatiew und Priester Bozidar Patrnogic. In die Revisions-kommission wurden wiedergewählt Erzpriester Alexander Nelin, Diakon Georgij Kobro und T.I. Eberhardt - zum Ersatz Erzpriester Paul Echinger und Michael Konias.
Am Sonnabend begann um 18.00 Uhr der fest-liche Abendgottesdienst, zu dem S.E. Antonij, Erzbischof von Genf und West-Europa mit seinem Protodiakon Piotr Figurek angereist war. Es wurde ein Gottesdienst zelebriert, der speziell zur Feier des Tausendjährigen Jubiläums der Taufe Rußlands verfaßt worden war. Die Litia vollzog Bischof Mark mit allen Geistlichen, und zum Polyeleon tra-ten beide Bischöfe in die Mitte der Kirche. Am Sonntag vormittag vollzogen beide Bischöfe die Liturgie unter Konzelebration aller Geistlichen der Deutschen Diözese. Während des kleinen Einzuges wurde der Priester Benedikt Lohmann mit der Kamilawka ausgezeichnet und die Priester Seraphim Korff und Slavcho Panev mit der Skufia. Am Ende der Liturgie predigte Erzbischof Antonij.
Nach dem Bittgottesdienst wandte sich Bischof Mark mit einer kurzen Predigt an die Anwesen-den. Darauf brachte er die Dankbarkeit der Diözese und der Frankfurter Gemeinde gegenüber der Stadt Frankfurt und besonders dem Stadtkämmerer, Dr. Gerhardt, zum Ausdruck, der durch lange Jahre hindurch unsere Kirche beim Bau und Ausmalung der Kirche Hilfe leistete, und überreichte ihm eine Ikone des Hl. Nikolaus, des Himmlischen Beschützers dieser Gemeinde. Weiterhin überreichte Bischof Mark Segensurkunden an einige Personen, die sich im Zusammenhang mit der Ausstellung und den Jubiläumsfeierlichkeiten in Frankfurt besonders bemüht hatten: Matuschka M. Ignatiewa, Fürstin Tatjana Metternich, X.B. Hoffmann, Ehepaar Meier und Julia Oswalt. Dabei verwies der Bischof darauf, daß all diese Unternehmungen nur dank der Initiative des Vorstehers der Gemeinde, des Erzpriesters Dimitrij Ignatiew möglich wurden. Nach dem Gottesdienst begaben sich die Gemeindemitglieder und Gäste in einen nahegelegenenSaal zu einem Empfang.
Bote 1988-5
Aus anderen Diözesen
Großbritannien
Am 17. Juli beging die Diözese von Großbritan-nien die Feierlichkeiten zum Tausendjährigen Ju-biläum der Taufe Rußlands. In der Maria Entschla-fens Kathedrale in London zelebrierte der Hoch-geweihte Mark, Bischof von Berlin und Deutsch-land und Großbritannien den Abendgottesdienst und die göttliche Liturgie unter Konzelebration des aus dem Lesnaer Frauenklosters in Frankreich angereisten Archimandriten Arsenij, des gesamten Klerus der britischen Diözese und des Priesters Ni-kolaj Artemoff aus Deutschland. Nach der Liturgie und dem Bittgottesdienst fuhren die Gläubigen in ein Gebäude der Universität, wo ein festlicher Em-pfang für 250 Personen vorbereitet war. Unter den Gästen befanden sich der Bürgermeister von Ken-sington, des Teils von London, in dem sich unsere Kathedrale befindet, Vertreter des anglikanischen Bischofs von London und andere kirchliche Wür-denträger. Nach dem Mittagessen hielt Priester Ni-kolaj Artemoff einen Vortrag in englischer Sprache über den geistlichen Weg des russischen Volkes.
USA
Am 24. Juli wurde die Gedächtniskirche des Hl. Wladimir auf dem Wladimir-Berg in der Nähe der Stadt Jackson im Staat New Jersey eingeweiht. Der Bau dieser Kirche war vor fast 50 Jahren unter dem damaligen Erzbischof von Ostamerika Vitalij(Maximenko) begonnen worden. Ein großer Teil der Ausmalung wurde von dem unlängst geweih-ten Bischof Daniel angefertigt. Am Tag des Hl. Vla-dimir, dem 15./28. Juli, feierten fast alle Bischöfe unserer Kirche hier die Gottesdienste mit einer großen Zahl von Priestern und Diakonen haupt-sächlich aus Ostamerika. Der hervorragende Ge-sang des Chors unter Leitung von Piotr Fecula ver-lieh den Gottesdiensten besondere Feierlichkeit. Während dieser Tage fand in der Stadt Lakewood bei der Hl. Alexander Newskijkirche ein Jugend-treffen statt. Vorträge hielten der Hochgeweihte Antonij, Erzbischof von Los Angeles und Südkali-fornien, Bischof Mark und Priester Piotr Perekres-tov. Auf die Vorträge folgten lebhafte Diskussio-nen, und die Jugend stellte viele Fragen aus den verschiedensten Gebieten des kirchlichen und religiösen Lebens. An dem Treffen nahmen über 250 Jugendliche teil, von denen über 40 speziell aus Kalifornien gekommen waren. Das Treffen war ausgezeichnet organisiert unter der Leitung des Vorstehers der Gemeinde in Lakewood, Erzpries-ter Valerij Lukjanov und seines Sohnes, des Protodiakons Sergij. Am Sonntag, den 31. Juli fand wiederum ein festlicher Gottesdienst in der Gedenkkirche auf dem Wladimirberg statt. Es zelebrierten alle Bischöfe, die zum Bischofskonzil angereist waren und ebenso eine große Zahl von Priestern und Di-akonen. Dieses Mal fanden die Geistlichen schon nicht mehr genügend Platz im Altarraum. Deshalb wurde in der Mitte der Kirche ein besonderer Altar aufgebaut, so daß die gesamte Kirche als Altar diente, während die Gläubigen außerhalb der Kir-che standen. Die Kommunion wurde aus drei Kel-chen gereicht. Unter den Gläubigen waren sehr viele Jugendliche zu bemerken. Nach der Liturgie begaben sich die Geistlichen und Gläubigen in einer Prozession zu einem nahegelegenen See, wo die Wasserweihe vollzogen wurde. In einem großen Zelt wurde nach dem Gottesdienst das Mit-tagessen für die Ehrengäste gereicht, während die anderen Gläubigen aus Feldküchen verpflegt wur-den. Trotz der ungewöhnlichen Hitze hatten sich über dreitausend Gläubige eingefunden.
Zwei Tage später, am 2. August, begann das Bischofskonzil seine Arbeit, worüber wir getrennt berichten. Am Sonntag, den 7. August, fand in der Synodalkathedrale in New York ein feierlicher Got-tesdienst statt, während dessen der Vorsitzende der Bischofssynode, Metropolit Vitalij, auf Für-sprache von Bischof Mark den Kleriker der Deutschen Diözese, Mönchsdiakon Agapit, für seine eifrige Erfüllung der ihm auferlegten kirchlichen Tätigkeiten in den Stand eines Archidiakons erhob.
Bote 1988-5
Bischofskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland
Bischofskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland
Das Bischofskonzil der Russischen Orthodo-xen Kirche im Ausland, das aus dem gesamten Episkopat der Auslandskirche besteht und ihre höchste administrative und gesetzgebende In-stanz ist, tagte in New York vom 2. bis 9. August 1988. Die Einberufung des Konzils war auf den Zeitpunkt der allgemeinen Feierlichkeiten der Russischen Auslandskirche zu dem bedeutsamen tausendjährigen Jubiläum der Taufe Rußlands an-beraumt worden - dem 31. Juli in der Gedächtnis-kirche des Hl. Apostelgleichen Großfürsten Vla-dimir in Jackson, New Jersey, und dem 7. August in der Synodalkathedrale des Zeichens der Aller-heiligsten Gottesmutter in New York.
Zum Konzil fanden sich folgende Bischöfe ein: der Vorsitzende des Bischofs-Synods - der Höchstgeweihte Metropolit von Ostamerika und New YorkVitaly, die Höchstgeweihten Erzbischöfe Antonij von Los Angeles und Süd-Kalifornien, Antonij von Genf und Westeuropa, Antonij von Westamerika und San Francisco, Paul von Sydney und Australien und Neuseeland, Laurus von Syracuse und Dreifaltigkeits-Kloster, Erzbischof Seraphim und die Hochgeweihten Bischöfe Alipij von Chicago und Detroit, Mark von Berlin und Deutschland, Hilarion von Manhattan; Bischof Konstantin und Bischof Gregor.
Vor Beginn des Konzils, am Tag des Hl. Pro-pheten Elias, dem 20. Juli/ 2. August, zelebrierte S.E. Bischof Mark die Göttliche Liturgie, bei der be-sondere Gebete um die Hilfe Gottes zum erfolgrei-chen Beginn einer guten Sache eingefügt wur-den. Am Abend wurde das Bischofskonzil in der-selben Synodalkathedrale in Anwesenheit der Wundertätigen Ikone der Gottesmutter von der Wurzel von Kursk eröffnet. Diese erste Sitzung war öffentlich, so daß Laien daran teilnehmen konn-ten. Nach den Gebeten erklärte der Vorsitzende, der Höchstgeweihte Metropolit Vitaly, das Konzil für eröffnet und wandte sich mit einer kurzen Ansprache an die Anwesenden, in welcher er das Leben der Russischen Auslandskirche in der Zeit zwischen dem vorigen Konzil (1986) und dem jet-zigen umriß. Der Protopresbyter Alexander Kiselev hielt sodann einen Vortrag: "Die Bedeutung der Taufe Rußlands für die Geschichte und Kultur des russischen Volkes". Darauf hielt der Höchstge-weihte Erzbischof Antonij von Los Angeles einen Vortrag über die Starzen von Optina, in welchem er viele Zeugnisse über ihre Vorausschau und Wun-dertätigkeit anführte. Während der folgenden Sit-zungen des Konzils wurde die Diskussion über die Verherrlichung der Synaxis (der gesamten Schar) der Starzen von Optina fortgeführt. Zwei Bischöfe erhielten den Auftrag, ihnen einen Gottesdienst zu verfassen und ihre Ikone zu malen, und es wur-de beschlossen, die Verherrlichung im Hl.-Dreifal-tigkeits-Kloster in Jordanville voraussichtlich in zwei Jahren vorzunehmen.
Jeder Bischof stattete dem Konzil einen Bericht über seine Diözese ab, in dem er über das Leben der Diözese berichtete und darüber wie vor Ort die Tausendjahrfeiern der Taufe der Rus' begangen wurden oder werden.
Eine wichtige Entscheidung des Konzils für das kirchliche Leben in Südamerika stellte der Be-schluß über die Ernennung des Hochgeweihten Bischofs Alipij, der z.Zt. die Diözese von Chicago und Detroit leitet, auf das Bistum von Argentinien und Paraguay, das seit dem Tod des Hochgeweih-ten Bischofs Innokentij verwitwet war (im ortho-doxen Sprachgebrauch heißt es tatsächlich nicht verwaist, sondern verwitwet, Anm. d. Red.). Bi-schof Alipij wird den Titel des Bischofs von Buenos Aires und Argentinien-Paraguay erhalten. Das Konzil beschloß auch, Bischof Alipij in den Rang eines Erzbischofs zu erheben und ihm die geist-liche Leitung der kleinen Diözese von Chile zu übertragen, die durch Beschluß des Konzils mit der von Argentinien und Paraguay vereint wurde. Die Diözese von Chicago und Detroit dagegen wird unter der bischöflichen Führung des Hochge-weihten Erzbischofs Laurus mit der von Syracuse und Dreifaltigkeits-Kloster vereint. Die Gemeinden im Staat Colorado werden der leichteren Betreu-ung wegen der Diözese von West-Amerika ange-gliedert. Das Bischofskonzil wies auf die beson-dere Notwendigkeit der baldigen Schaffung eines finanziellen Fonds zur Unterstützung der Bischöfe und der notleidenden Priester in den armen Län-dern Südamerikas hin.
Das Bischofskonzil wählte auch den Erzpriester Dimitrij Alexandrov, einen bekannten Ikonenmaler und Kenner des altrussischen Kirchengesangs, der in dem Ort Churaevka, im Staat Connecticut unweit der Stadt New York wohnt, zum Kandidaten für das Bischofsamt. In der Mönchsweihe im Drei-faltigkeits-Kloster in Jordanville erhielt Vater Dimitrij den Namen Daniel zu Ehren des Hl. Propheten Gottes Daniel. Die Weihe des Priestermönchs Da-niel zum Bischof von Erie und Vikarbischof des Vorsitzenden des Bischofs-Synods, fand am 1/14. August 1988 in der Synodal-Kathedrale in New York statt. Der neue Bischof wird Metropolit Vitaly bei der Betreuung der Ostamerikanischen und New Yorker Diözese unterstützen. Daneben wur-de ihm auch die Betreuung der Gemeinden des Alten Ritus übertragen, deren größte sich in der Stadt Erie im Staat Pennsylvanien befindet.
Viel Zeit wurde während des Konzils der Unter-suchung der Lage der Kirche in der Sowjetunion gewidmet. In dieser Frage hielten Vorträge der Erz-priester Viktor Potapov, Priester Vladimir Schiba-jew und Helena G. Koschevnikova, eine Mitarbei-terin des Keston College in England - einer Orga-nisation, die die Lage der Gläubigen hinter dem Ei-sernen Vorhang untersucht. Vater Viktor Potapov, der Vorsteher der Kathedrale des Hl. Johannes des Vorläufers in Washington, ist durch seine re-gelmäßigen Rundfunksendungen in die UdSSR über die Stimme Amerikas bekannt. Diese Sen-dungen sind unter den Gläubigen in der Sowjet-union sehr beliebt, da sie mitunter die einzige In-formationsquelle über die orthodoxe Lehre und das kirchliche Leben in der Heimat wie auch im Ausland bilden. Kürzlich wurde Vater Viktor von dem Sender Stimme Amerikas als Korrespondent zur Reportage über die Jubiläumsfeierlichkeiten, die vom Moskauer Patriarchat aus Anlaß des tau-sendjährigen Jubiläums der Taufe Rußlands veran-staltet wurden, in die Sowjetunion geschickt. Ihm gelang es, zahlreiche einzelne Gläubige und Ver-treter der inoffiziellen kirchlichen Öffentlichkeit zu treffen. Der nächste Vortragende, Priester Vladimir Schibajew, der vor kurzem mit seiner Familie ins Ausland ausreisen konnte und in Westeuropa unter dem Omophor von Erzbischof Antonij Zu-flucht fand, beschrieb den traurigen Zustand des kirchlichen Lebens in der Sowjetunion, wo die Lei-tung des Moskauer Patriarchats weiterhin ein zahmes und gefügiges Instrument der gottlosen Regierung bleibt. Jetzt wie nie zuvor bedürfen die Bewohner unserer leidenerfüllten Heimat der geistlichen Nahrung, religiöser Literatur, die die grundlegendsten Kenntnisse über die orthodoxe Glaubenslehre vermittelt, aber auch die Falschheit des Weges der Anpassung und des Kompromis-ses darlegt, des sog. Sergianertums, den das Mos-kauer Patriarchat immer noch beschreitet.
Das Verhältnis unserer Russischen Auslands-kirche zur jetzigen Führung des Moskauer Patriar-chats kann man mit den Worten der Jubiläumsbot-schaft des Bischofskonzils zusammenfassen: "So-lange Bekenner des christlichen Glaubens in Ge-fängnissen und Lagern schmachten und sterben, solange die kirchliche Führung des Moskauer Pa-triarchats mit Sprachlosigkeit (Un-glasnost) ge-schlagen ist und die Wahrheit nicht sagen kann, fühlen wir, die russischen Bischöfe im Ausland, die uns übertragene furchtbare Verantwortung für die gesamte Kirche... Wir sind die einzigen russischen Bischöfe, deren Stimme die freie Stimme der viel-leidenden Mutterkirche sein kann und muß und tatsächlich ist, im Gegensatz zu der lügnerischen Propaganda der Unterdrücker unserer Heimat und der kirchlichen Führung des Moskauer Patriar-chats".
In Beantwortung der Anfragen vieler Gläubiger der Russischen Auslandskirche hinsichtlich unse-res Verhältnisses zu den kürzlich vom Moskauer Patriarchat erklärten Verherrlichungen neuer Heili-ger gab der Bischofssynod in Erfüllung der Kon-zilsbeschlüsse auf seiner Sitzung vom 28. Juli/10. August folgende Erklärung: "Wir erkennen wohl an, daß die vom Moskauer Patriarchat unlängst verherrlichten neun Personen tatsächlich gerechte und gottgefällige Menschen waren und einige schon lokal verehrt wurden, während die Hl. Xenia durch unser Bischofskonzil besonders feierlich verherrlicht wurde, können aber die jetzigen Akte der Verherrlichung von Heiligen durch das Mos-kauer Patriarchat nicht anerkennen, welches die Verherrlichung der Hl. Neomärtyrer und Bekenner Rußlands verschwieg, die Gott sei dank durch uns im Ausland verherrlicht wurden, mit der Anerken-nung deren Heiligkeit jedoch jegliche wahre Kon-zilstätigkeit auch in unserer Heimat beginnen müßte".
Bei derselben Synodalsitzung wurde eine Er-klärung darüber verabschiedet, daß die Russische Auslandskirche entgegen Gerüchten, die in eini-gen kirchlichen und gesellschaftlichen Kreisen verbreitet werden, keine Vertreter oder Beobach-ter zu den vom Moskauer Patriarchat veranstalte-ten Jubiläumsfeierlichkeiten oder zu dessen Lan-deskonzil in die Sowjetunion entsandte. Einige Mitglieder unserer Kirche, die bei diesen Feierlich-keiten anwesend waren, fuhren auf eigene Ini-tiative in die UdSSR - sie vertraten jedoch nicht die Auslandskirche oder irgendeinen ihrer Hierarchen.
Die Rechtsanwältin des Bischofssynods, Hele-na Zezulina, legte dem Konzil einen Bericht über die juristischen Angelegenheiten unserer Kirche vor, insbesondere über die Beziehungen zwi-schen der Russischen Auslandskirche und der Je-rusalemer Abteilung der Orthodoxen Palästinage-sellschaft. Diese Frage wird durch ein israelisches Schiedsgericht entschieden werden. Hinsichtlich des Gymnasiums des Hl. Sergius verbleibt diese Schule aufgrund eines Vertrags zwischen dem Bi--schofssynod und der Schulleitung lediglich bis zum Ende des Schuljahres 1988/89 im Gebäude des Bischofssynods. Im Staat Massachusetts muß-te die Kirche zur gerichtlichen Verteidigung des Kirchenbesitzes der Auferstehungsgemeinde in Woucester greifen, der in ungesetzlicher Weise von einer Personengruppe besetzt gehalten wird, die sich von der Russischen Auslandskirche ge-trennt und einem griechischen altkalendarischen Bischof unterstellt hat.
Der Vertreter des Kongresses Russischer Ame-rikaner, Petr Nikolaeviç Budziloviç, berichtete dem Konzil über die Ziele und Nöte des Kongresses. In letzter Zeit nahmen Fälle von anti-russischen Ver-öffentlichungen in der amerikanischen Presse be-deutend zu. Der Kongreß Russischer Amerikaner ist bemüht, derartigen Angriffen durch Veröffent-lichungen zur Verteidigung des russischen Na-mens zu begegnen und wahrheitsgetreue Infor-mationen über unsere Heimat und das russische Volk zu liefern. Die Leitung des Kongresses bittet die Kirche um Hilfestellung bei seiner Tätigkeit. Das Bischofskonzil gab der Leitung des Kongres-ses Russischer Amerikaner in Anerkennung des-sen positiver Tätigkeit den Segen, sich mit einer Darstellung der Wünsche des Kongresses über die jeweiligen Diözesanbischöfe an die Vorsteher unserer Gemeinden zu wenden und je nach den örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten um Unterstützung zu bitten.
Ebenso folgten Vorträge über den Zustand der kirchlichen Schulen und die Jugendarbeit über Sommerlager, die alljährlich von der Organisation Russischer Pfadfinder durchgeführt werden. Sol-che Lager werden alljährlich auch von anderen Jugendorganisationen veranstaltet. Der Vortra-gende, Pfadfinderführer Alexej F. Zacharin, be-merkte, daß viele russische Kinder nur in den Som-merlagern Berührung mit der Kirche haben. Die Leiter widmen der Erziehung der Kinder im ortho-doxen Geist viel Zeit, lehren sie die Kirche zu lie-ben und sich nicht zu schämen, sich als Russen zu bezeichnen.
Der Priester Georgij Kallaur, der die Haushalts-angelegenheiten des Synods leitet, berichtete dem Konzil über die Wirtschafts- und Finanzlage des Bischofssynods. Im allgemeinen bleibt die Fi-nanzlage des Synods angespannt angesichts der hohen Lebenskosten und großer Ausgaben zum Unterhalt des administrativen Zentrums unserer Kirche. Im Laufe der letzten Jahre wurden an dem Synodalgebäude grundlegende Reparaturen vor-genommen, die nur dank der Opferbereitschaft vieler orthodoxer Russen in verschiedenen Län-dern möglich waren. Es bleibt jedoch noch eine beachtliche Zahl von nicht durchgeführten In-standsetzungsarbeiten an dem Haus, wofür wie-derum große Hilfe der Gläubigen der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland benötigt wird.
Am letzten Tag des Bischofskonzils erstattete der neue Leiter der Russischen Geistlichen Mis-sion in Jerusalem, Vater Archimandrit Alexij, Be-richt über die Mission und das Leben unserer Klös-ter im Heiligen Land. Vater Alexij empfing seiner-zeit die Mönchsweihen im Dreifaltigkeits-Kloster in Jordanville und durchlief bis zu seiner Ernennung auf den Posten in Jerusalem seine pastorale Tätig-keit in der Gemeinde in Sydney in Australien. Bis zu seiner Ernennung leisteten im Heiligen Land die Erzpriester Valerij Lukianov und Vladimir Ska-lon wichtige Arbeit als zeitweilige Vertreter des Lei-ters der Mission. Derzeit kompliziert sich ständig die politische und wirtschaftliche Lage in Israel, und das erschwert das Leben der Nonnen in unse-ren Klöstern. Es gibt jedoch auch viel Erfreuliches. Zum Beispiel wurde im Kloster der Hl. Maria Magda-lena in Gethsemane, das in diesem Jahr das hun-dertjährige Bestehen seiner Kirche feiert, eine große Zahl von Renovierungsarbeiten in Angriff genommen. Es wurde ein neues großes Refekto-rium für die Nonnen eingerichtet mit einer prakti-schen und gut ausgestatteten Küche. Ebenso wurden Werkstätten zum Nähen eingerichtet, in denen die Schwestern an Aufträgen für Gewänder arbeiten können. Unlängst wurde in Gethsemane die Arbeit zur Renovierung des Glockenturms auf-genommen.
Am 3. August fand in dem Gewölbe unter der Kirche von Gethsemane die Beerdigung der Prinzessin Alice, der Mutter des englischen Prinzen Philipp, statt. Die orthodoxe Prinzessin, die ihr Leben als Nonne beschloß, hatte in ihrem Testament bestimmt, daß sie in der Kirche begraben sein wollte, in welcher die Reliquien ihrer Ver-wandten, der Neumärtyrerin Großfürstin Elisabeth Feodorovna ruhen. In dem Kloster auf dem Ölberg wurde eine neue Ikonenwerkstatt eingerichtet. He-bron, wo sich das russische Männerkloster der Hl. Vorväter befindet, ist wegen der ständigen Unru-hen in der Stadt der schwierigste und gefährlichste Platz, da in dieser Gegend derzeit die Polizei nicht tätig ist. Dieser Umstand macht das Leben der klös-terlichen Bruderschaft sehr beschwerlich. In Jeri-cho mit seinem tropischen Klima wurde der Obst-garten der Mission in hervorragende Ordnung ge-bracht, als Erzpriester Valerij Lukjano den Posten des Leiters der Mission verwaltete. Dieser Garten beliefert jetzt regelmäßig unsere Klöster mit Obst. Wegen der Unruhen in den Gebieten westlich des Jordan (Westbank) ist die Schule in Bethanien seitens der israelischen Regierung seit Dezember 1987 wie alle arabischen Schulen geschlossen. In dieser Zeit wurden in ihr Reparaturarbeiten vorge-nommen und ein neuer Saal gebaut. Der Schule kommt eine große Bedeutung als Zentrum unserer Wohltätigkeit unter der arabischen Bevölkerung zu. Bei den Renovierungsarbeiten, die in diesem Jahr in der Russischen Geistlichen Mission durch-geführt wurden, halfen Pilger aus dem weiten Aus-tralien und Seminaristen des 4. Jahrgangs des Geistlichen Seminars am Dreifaltigkeitskloster in Jordanville.
Im Juli d.J. mußte der Leiter der Mission in Je-rusalem auf Veranlassung des Patriarchats von Je-rusalem für kurze Zeit eine kleine kirchliche Dele-gation aus Moskau zur Besichtigung der Kirche in das Kloster von Gethsemane einlassen. Keine der Nonnen traf sich mit diesen Besuchern. In der fol-genden Woche veröffentlichte die Zeitung "Jeru-salem Post" einen desinformierenden Artikel über die angeblich historische Begegnung zwischen Vertretern der Auslandskirche und des Moskauer Patriarchats, mit dem Kommentar, daß durch die-sen Besuch die zwei "konkurrierenden russischen Kirchen einen Schritt zur Herstellung der Harmo-nie" unternommen hätten. Das Bischofskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland lehnt eine derartige Auslegung kategorisch ab und er-klärt, daß solange im Moskauer Patriarchat keine grundlegenden Veränderungen seines Verhält-nisses zur Sowjetmacht durchgeführt und einige wichtige Mängel im kirchlichen Leben nicht besei-tigt werden, wie z.B. die Negierung des Märtyriums der millionenfachen Schar von Neumärtyrern und Bekennern Rußlands und die Begeisterung für die schädliche ökumenische Häresie, auch nicht die Rede von der Herstellung einer Übereinkunft mit dem Moskauer Patriarchat sein kann.
Zum Abschluß des Bischofskonzils im Jubilä-umsjahr 1988 wurde am 28. Juli / 10. August im Saal des Konzils von dem Hochgeweihten Erz-bischof Antonij von Genf und West-Europa ein Dankgottesdienst zelebriert. Nach dem Moleben gratulierte Erzbischof Antonij dem Vorsitzenden, dem Höchstgeweihten Metropoliten Vitalij, und wünschte ihm und dem gesamten geheiligten Bi-schofskonzil "viele Jahre".
(Mitteilung der Kanzlei des Bischofssynods)
Bote 1988-5
Resolution des Seminars derUnabhängigen Religiösen Bewegung,
welches der Tausendjahrfeier der Taufe Rußlands gewidmet war
Wir, Geistliche und Laien verschiedener christ-licher Konfessionen, Vertreter unabhängiger reli-giöser Organisationen und Publikationen ziehen durch die nachstehende Resolution die Bilanz der Arbeit unseres Seminars.
Das Seminar, das in Moskau vom 7. bis zum 9. Juni 1988 stattfand, und das durch eine Initiativ-gruppe und dem "Bulletin der christlichen Öffent-lichkeit" organisiert und der Tausendjahrfeier der Taufe Rußlands gewidmet war, beleuchtete umfas-send die verschiedenen Aspekte des gegenwär-tigen Daseins der Kirche unter den Bedingungen des sowjetisch-atheistischen Staates.
Die Notwendigkeit, ein unabhängiges Seminar durchzuführen, ergab sich einerseits aus dem Fehlen positiver Veränderungen in der gegenwärtigen Situation der russisch-orthodoxen Kirche sowie anderer christlicher Konfessionen in der UdSSR, und andererseits aus dem Bewußtwerden der Doppeldeutigkeit der offiziellen Feierlichkeiten anläßlich des lichten Jubiläums der Taufe Rußlands auf dem Hintergrund einer maßlosen Einschränkung der Rechte der Gläubigen.
In den Diskussionen der Probleme, die im Se-minar behandelt wurden, herrschte der Geist brü-derlichen Einvernehmens und der Aufrichtigkeit in den ausgesprochenen Meinungen.
Wir waren uns darin einig, daß die wichtigsten Probleme des Daseins der Kirche in der UdSSR nach wie vor die folgenden sind:
- die Unmöglichkeit für die höchste kirchliche Hierarchie, über die anstehenden Probleme des Lebens der Kirche zu sprechen,
- die absolute Machtlosigkeit der Kirche in Sa-chen des Schutzes der Gewissensgefangenen,
- die demutsvolle Unterordnung der höchsten kirchlichen Hierarchie unter die diskriminierende Religionsgesetzgebung vom Jahre 1929,
- die Isolation der höheren Geistlichkeit von der christlichen Herde,
- die religiöse Ungebildetheit der Bevölkerung.
Auf der Grundlage des Obengesagten wenden wir uns an die Hierarchen der russisch-orthodoxen Kirche und an die Führung der christlichen Kon-fessionen in der UdSSR mit folgenden Vorschlä-gen:
- öffentliche Verurteilung der Verfolger der Kirche;
- Unterstützung der Forderung der Öffent-lichkeit, die politischen Gefangenen und Gewis-sensgefangenen, welche für den Glauben verfolgt wurden, sofort freizulassen und zu rehabilitieren;
- Unterstützung der Rückgabe an die Kirche al-ler unrechtmäßig ihr weggenommenen Gotteshäu-ser und jedweden Eigentums, sowie Bau neuer Gebetshäuser, mit der Hilfe seitens des Staates und der UNESCO;
- Rückkehr zum Altartisch Gottes aller unrecht-mäßig davon losgerissenen Geistlichen;
- Sicherung der realen Wirksamkeit der Regeln der Ökumenischen Konzile und der Heiligen Vä-ter;
- Publikation der Akten des Landeskonzils von 1918 als eines Konzils welches besiegelt wurde durch die Versammlung der Märtyrer und Beken-ner, und Ausarbeitung eines neuen Kirchensta-tuts in Übereinstimmung mit den Bestimmungen und Entschließungen dieses Konzils;
- Rückgabe an die Kirche und den Patriarchen der Petitionspflicht vor der Staatsmacht;
- Bitte an die Regierung der UdSSR über eine bedeutende Kürzung der Besteuerung der Kirche mit der Perspektive einer völligen Steuerfreiheit für die Kirche;
- Förderung einer breiten Publikation und Ver-breitung unter den Gläubigen der gesamten not-wendigen geistlichen Literatur und in erster Linie der Bibel; Legalisierung des religiösen Selbst-verlages;
- Einsatz für die Wiederherstellung öffentlicher Diözesanbibliotheken;
- Anfrage bei der Regierung über die Überlas-sung an die christlichen Kirchen in der UdSSR ei-nes eigenen Fernsehkanals sowie eines eigenen Allunions-Radioprogramms;
- Hinzuziehung zur aktiven kirchlichen Arbeit von Laien der russischen orthodoxen Kirche, die zu verschiedenen Arten des Dienstes geeignet sind, einschließlich der Predigt und des Lehrens (gemäß dem Segen des Bischofs);
- Vergrößerung der Anzahl der Diözesen und der Bischöfe;
Zum Zwecke der effektivsten Verwirklichung dieser von uns ausgesprochenen Vorschläge sind wir, die Teilnehmer des Seminars uns in unserem Bestreben einig entsprechend unserer christli-chen Pflicht, von der Regierung der UdSSR zu for-dern:
- in Übereinstimmung mit dem Gesetz vom 30. Juni 1987 ist das in Vorbereitung befindliche Pro-jekt einer neuen Religionsgesetzgebung zur öf-fentlichen Diskussion im Volke freizugeben unter Einbeziehung der Vorschläge, die in der Erklärung der christlichen Öffentlichkeit an das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR vom 12. September 1987 aufgestellt wurden, und unter welcher mehr als 3.000 Unterschriften stehen;
- die Freilassung und Rehabilitierung aller so-wjetischen Gefangenen und Gewissensgefange-nen, die für den Glauben in Lagern, Gefängnissen, Psychokliniken sowie anderen Strafanstalten lei-den;
- die Rückgabe an die Kirche aller unrechtmäßig konfiszierten Bibliotheken;
- Abschaffung des Genehmigungsgesetzes der Registrierung religiöser Gemeinden und des-sen Ersatz durch Registrierung aufgrund einfacher Erklärung;
- die Legalisierung der wahren orthodoxen Kir-che (Katakombenkirche) mit Einbezug der Forde-rungen ihrer Mitglieder;
- die Wiederherstellung des legalen Status der Griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine;
- mit Rücksicht auf die Realien der atheistischen Gesellschaft wenden wir uns ebenfalls an die Re-gierung der UdSSR mit der Forderung, das reli-giöse Motiv als ausreichende Begründung zur Emigration aus der UdSSR anzuerkennen; zu-gleich rufen wir die religiöse Weltöffentlichkeit da-zu auf, bei der Ausarbeitung eines entsprechen-den staatlichen Mechanismus zu helfen.
Wir sind der Auffassung, daß die Durchführung solcher Seminare der geistlichen Wiedergeburt des Volkes nutzt. Wir kamen überein, das Seminar zu einer ständigen Einrichtung zu erklären (so daß es nicht seltener als einmal in 3 Monaten tagt) und treten vor den Behörden als Bittsteller auf, uns das Recht einzuräumen, einen Saal für die Arbeit des Seminars zu mieten. Zum Zwecke der Organi-sierung der folgenden Seminare stellen wir eine Arbeitsgruppe auf.
Wir sind der Auffassung, daß die Durchführung solcher Seminare die Meinungsäußerung der christlichen Öffentlichkeit über alle wichtigen Fra-gen, die ihre Vertreter bewegen, unterstützt. Wir beten für alle Verfolgten und in Fesseln liegenden Brüder und Schwestern in Christus und rufen den Segen Gottes auf ein jedes eifernde Werk zur Herrlichkeit Gottes herab.
Mit Liebe im Herrn. Amen.
Moskau, den 9. Juni 1988
Bote 1988-6
An die gottesfürchtigen Gläubigen
der Deutschen Diözese
Mark, Bischof von Berlin und Deutschland
"Um unseretwillen wurdest Du in die Krippe der Wortlosen gelegt, langmütiger Heiland, da Du freiwillig Kind warst: Hirten besangen Dich ja mit den Engeln und riefen: Ehre und Preis dem auf Erden Geborenen, Der das Wesen der Erdgeborenen vergöttlichte, Christus unserem Gott".
Durch Seine Geburt unter uns Erdgeborenen heiligte unser Herr Jesus Christus nicht einfach uns und unsere Natur, sondern "vergöttlichte das Wesen der Erdgeborenen". Hierdurch zerstörte Er die Trennwand, die uns vom Augenblick des Sündenfalls des ersten Menschen an vom himm-lischen Vater trennte. Dennoch leiden wir im Laufe unseres ganzen Lebens unter Trennungen. Wir fühlen zahllose Trennwände zwischen Völkern, Parteien, Familien. Geteilt ist die Welt, geteilt auch der Mensch in sich selbst. Der Mensch trennte sich von Gott und wurde sich selbst fremd. Die mensch-liche Zwiespältigkeit, der stete Kampf in ihm zwi-schen Gut und Böse, zwingen ihn häufig dazu, das eine zu wünschen und zu sagen, aber etwas ganz anderes zu tun.
Teilungen entstehen aus unseren Sünden, aus unserem Widerstand gegen das Heilswirken Gottes. Ja, die Hirten besangen Ihn mit den En-geln. Propheten, Apostel und alle Heiligen lobprie-sen Ihn, aber wir vergessen nicht nur, das Er uns die Würde von Söhnen und Brüdern verlieh, nein, wir weisen diesen Gedanken selbst aktiv von uns. Dieses unser Verhalten ist schwer verständlich, wenn wir sehen, daß die ganze Schöpfung das Geschehene verstand.
"Der Du die ganze Erde unfaßbar auf den Was-sern befestigtest, Dich sah das Geschöpf, wie Du in der Höhle geboren wurdest, und erzitterte in Furcht, indem es dir zurief: niemand ist heilig außer Dir, o Herr". Diese Worte aus dem Kanon des Vorfestes zu Christi Geburt werden fast wörtlich am Großen Sonnabend gesungen: "Der Du die ganze Erde unfaßbar auf den Wassern befestigtest, Dich sah das Geschöpf, wie Du auf der Schädelstätte hingst, und erzitterte in Furcht, indem es Dir zurief: niemand ist heilig außer Dir, o Herr". Die geringe Veränderung des Textes weist auf die große Bedeutung des Geschehenen hin. Der Herr wurde um unseretwillen in der ärmlichen Höhle von Bethlehem geboren, nahm unseren Leib an, vergöttlichte ihn und "vernichtete" durch ihn auf der Schädelstätte, in Golgotha "die Feindschaft" (Eph. 2, 15) unter uns.
Der Herr nahm unseren Leib an, wurde Mensch und vergöttlichte dadurch den Menschen, denn Er schuf "in Sich Selbst einen neuen Menschen, in-dem Er Frieden stiftete" (Eph. 2,15).
Ja, wir können unsere Trennungen überwin-den, doch nur durch die Einigung in Seinem Lei-be, indem wir als den Eckstein Christus Selbst an-nehmen, als Fundament des Friedens Seine Pro-pheten, Apostel und alle Heiligen. In ihnen teilte Er uns Seinen Frieden mit, Seine Liebe, schuf in uns "einen neuen Menschen". Wie leicht können wir diesen Frieden erreichen! Die Apostel, Propheten und alle Heiligen stehen uns bei, freuen sich mit uns über unsere Fortschritte, kreuzigen sich mit uns in den Verfolgungen, leiden mit uns in unse-ren um Christi willen aufgenommenen Leiden. Würden wir uns nur dessen bewußt, daß wir ihnen Brüder in Christus sind, sind wir doch "Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes" (Eph. 2,19).
Und deshalb müssen wir zunächst die Tren-nung von Gott überwinden, unsere Entfremdung von Ihm. Das Wort Gottes selbst, Christus, wurde um unseretwillen in die Krippe gelegt - für uns Wortlose, die wir in unseren Sünden den Tieren gleich werden. Höhle und Golgatha, Krippe und Kreuz sind eins um unseres Friedens willen, denn der in der ärmlichen Höhle geborene Gottmensch Jesus Christus vernichtete nicht nur die Feind-schaft, vielmehr tötete Er sie - Er versöhnte uns "mit Gott durch das Kreuz" (Eph. 2, 16). "In einem Leibe" versöhnte uns der Herr mit Gott. In diesen Leib müssen unsere Leiber eingehen, gereinigt durch Buße - und dies ist unser Kreuz, auf dem wir die Feindschaft töten.
Allzu oft denken wir, daß die Rettung nur auf geistlichem Wege zu erreichen ist, und zwar meis-tens durch irgendeinen abstrakten Vorgang, per-sönliche Gedankengänge, anstelle des ganzheit-lichen, uns alle umfassenden kirchlichen Gewis-sens, das in dem einen Leib atmet. Doch eben deshalb müssen menschlicher Geist und Leib durch das Feuer der Buße gehen. Ein zügelloser und unzüchtiger Leib taugt nicht einmal als Höhle zur Geburt des Heilands. Und wo findet sich der ungeläuterte Geist, der es wagt, sich im Gebet an den Herrn zu wenden, ohne sich durch die Buße zu reinigen? Dies betrifft jeden von uns persönlich. Es betrifft uns alle gemeinsam. Nur der gemein-schaftliche Geist und der allumfassende Leib der Kirche ermöglichen unsere Rettung. Die Bereit-schaft, die Feindschaft auf dem Kreuz zu töten, schafft in uns das geistliche und leibliche Bethle-hem.
Am Ende dieses Jubiläumsjahres der tausend-jährigen Wiederkehr der Taufe Rußlands empfin-den wir mit besonderem Schmerz die furchtbare Wunde an unserem Leib, dem Leib der Russi-schen Kirche: die Unterwürfigkeit eines Teils des Episkopats und die Zusammenarbeit einer kleinen Gruppe von Geistlichen unserer Kirche in Rußland mit den gottlosen Machthabern. Diese Wunde muß unseren ganzen Leib vergiften. Es steht uns nicht an, jene schwachen Menschen zu verurteilen - sie sündigen auf diesem Gebiet, und wir...? Doch müssen wir die Sünde in unserem Leib verurteilen, indem wir die Feindschaft töten und in die Eini-gung der Heiligen Kirche eingehen. Nur so kön-nen wir kühn die Sünden an den Pranger stellen, die Sünde der Besudelung unseres gemeinsa-men kirchlichen Leibes. Ohne dies kann er die Feindschaft nicht töten, sondern er verstärkt sie nur. In der lichten Nacht der Geburt Christi fühlen wir deutlich, daß es keine Gemeinschaft zwischen Licht und Finsternis geben kann. Deshalb wenden wir uns mit inbrünstigen Gebeten an den zu Beth-lehem geborenen Gottessohn, damit Er Selbst un-sere Wunden heile, damit Er uns Kraft und Kühn-heit schenke, die wir brauchen, um Ihn zum Eck-stein unseres Lebens zu machen und wahre Mit-bürger der heiligen Apostel, Propheten und aller Heiligen, insbesondere aber aller Heiligen des rus-sischen Landes und der uns zeitlich am nächsten stehenden Neomärtyrer zu werden. Nehmen wir in unsere Herzen die Schädelstätte auf, um der ret-tungbringenden Höhle würdig zu werden!
Christus vergöttlichte durch Seine Geburt "das Wesen der Erdgeborenen". Werden wir uns die-ser unserer großen Würde bewußt und zerschmet-tern wir durch das Zeichen des Kreuzes alle feind-lichen Kräfte!
Zum Fest der Geburt Christi 1988
Mark, Bischof von Berlin und Deutschland
Bote 1988-6
Aus dem Leben der Diözese
Vom 16. bis 18. September feierte die Christi-Auferstehungs-Gemeinde in Baden-Baden das 1000-jährige Jubiläum der Taufe Rußlands.
Schirmherr über die-se Feierlichkeiten war der Oberbürgermeister der Stadt Baden-Baden, Dr. Carlein, und Fürst A. Gedroitz aus Brüssel. Am Freitag Abend, den 16. September, eröffnete Bischof Mark die Feierlichkeiten durch einen Bittgottesdienst an alle Heiligen des russischen Landes und ein kurzes Wort zur Einführung. Der Oberbür-germeister der Stadt Baden-Baden, Dr. Carlein, und Fürst Gedroitz begrüßten ebenfalls die Versammelten. Nach einigen Gesängen des Chores unter Leitung von Xenia B. Hoffmann las der Hypodiakon Gleb A. Rahr das Festreferat zum Thema "Die Russische Orthodoxe Kirche und der Sowjetstaat". Nach einer kurzen Pause hielt Dr. G. Seide den zweiten Vortrag über "die Situation der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland". Der Abend wurde durch einen Empfang abgeschlossen. Am Sonnabend den 17. September zelebrierte der Hochgeweihte Bischof Mark unter Konzelebration des Klerus aus den nahegelegenen Gemeinden in unserer Kirche der Verklärung des Herrn in Baden-Baden die göttliche Liturgie.
Am Nachmittag wurden Vorträge zu folgenden Themen gehalten: "Zur Situation der Geistlichen in der Sowjetunion" (Priester Nikolai Artemoff); "Rus-sische Orthodoxe Kirche im russischen Kaiserreich und unter sowjetischer Herrschaft" (Dr. Gerd Strik-ker); "Christliche Motive in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts" und "Die Ikone als Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes" (Erzpriester Dr. Ambrosius Backhaus). Am Sonntag, den 18. September wurden nachmittags die Vorträge fortgesetzt: "Christentum in der Sowjetunion" (Elena Wargaftik, Deutsche Welle); "Symbolik der Ikonen" (Adam Russak); "Baden und Rußland" (Dr. Maria Deppermann); "Russische Literaren und Baden-Baden" (Swanhild Mozgovoy). Gleichzeitig mit den Vorträgen wurde eine Ikonenausstellung verschiedener zeitgenössischer Ikonenmaler und eine Ausstellung der Bilder von Ilja Glasunov und Victor Tzwetkov eröffnet. Die Ausstellung war für Besu-cher bis zum 18. Oktober zugänglich.
Initiatoren der Baden-Badener Feierlichkeiten waren zwei junge Gemeindemitglieder, die Ärzte Michael von Solodkoff und Konstantin Mossitschkin. Als Zeichen der Dankbarkeit überreichte ihnen Bischof Mark nach der göttlichen Liturgie Segens-urkunden, wobei er anmerkte, daß sich die Dankbarkeit der Diözese ebenso auf ihre Ehefrauen und all jene erstreckt, die zum Gelingen dieses wichtigen Ereignisses beitrugen. Ebenso wurde die Kirchenälteste, Frau Maria Landzianowski, mit einer Segensurkunde für ihre jahrelangen selbst-losen Mühen zum Wohl der Gemeinde in Baden-Baden ausgezeichnet.
Am Sonnabend und Sonntag, den 1. und 2. Oktober, fanden feierliche bischöfliche Gottesdienste in der Gemeinde des Hl. Nikolaus in Düs-seldorf statt. Nach der göttlichen Liturgie über-reichte Bischof Mark dem Kirchenältesten der Düs-seldorfer Gemeinde, Dr. Konstantin W. von Karmasin und seiner Gattin Xenia, der Kassenführerin, Frau Natalia Polo, der Vorsitzenden der Schwesternschaft, Olga Kaiser und dem Chorleiter Victor Gerasimetz, wie auch dem Kirchenältesten der Kölner Gemeinde des Hl. Panteleimon, Wladimir W. von Lewin, Urkunden, die von dem Bischofssynod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland anläßlich der 1000-jahrfeier herausgegeben wurden. Nach der Liturgie richtete die Schwesternschaft einen Empfang für 250 Personen aus. Während des Empfangs hielt Gleb A. Rahr einen Vortrag über die Bedeutung der Taufe Rußlands für das russische Volk.
Die Gemeinde der Hl. Maria Magdalena in Darmstadt beging das 1000-jährige Jubiläum mit einem bischöflichen Gottesdienst am Sonnabend, den 22. Oktober. Mit dem Hochgeweihten Bischof Mark zelebrierten die Geistlichen der umliegenden Gemeinden. Es sang der Chor unter Leitung von Xenia Hoffmann. Die nahegelgene evangelische Gemeinde lud die Geistlichen und Gläubigen zu einem Mittagessen im Gemeindehaus. Am Nachmittag gab der Chor ein kurzes Konzert in der Kirche des Elisabethen-Stiftes. Darauf folgte ein Vortrag von Bischof Mark über die Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Jubiläum in Rußland und im Ausland und ein Vortrag von Adam Russak über die russi-sche Ikonographie. Als Zeichen der Dankbarkeit für seine langjährigen Mühen zum Wohle der Russischen Orthodoxen Kirche in Darmstadt über-reichte Bischof Mark dem Initiator dieser Feierlichkeiten, Pfarrer Dr. Manfred Knodt, die silberne Medaille unserer Diözese.
In Verbindung mit dem Patronatsfest der deutschsprachigen Gemeinde des hl. Großmärty-rers Demetrios von Saloniki führte die Kölner Universität mit der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland am 7. und 8. November ein Symposium zum Thema des Tausendjährigen Jubiläums der Taufe Rußlands durch. Am Nachmittag des 7. November vor dem Abendgottesdienst und am 8. November nach der Liturgie hielten bekannte For-scher Vorträge, die der Einführung und Verbreitung des Christentums in Rußland, wie auch der gegenwärtigen Lage der Russischen Kirche in der Heimat und im Ausland gewidmet waren. Die Leitung des Symposiums lag in den Händen des Direktors des Slavischen Instituts der Kölner Universität, Prof. W. Kasack. Bei der Eröffnung des Sym-posiums zelebrierte Bischof Mark einen Bittgottesdienst an alle Heiligen des Russischen Landes, und zum Abschluß hielt Priester Nikolaj Artemoff einen Dankgottesdienst.
Die Vigil und Liturgie zum Feiertag des Hl. Demetrios wurde in deutscher Sprache gefeiert mit dem Hochgeweihten Bischof Mark zelebrierten die ortsansässigen Geistlichen. Der Chorleiterin, Frau Ariadna von Obuch, wurde eine Segensurkunde überreicht.
Am 2./15. November beging die Hl. Nikolaus Gemeinde in Stuttgart das 1000-jährige Jubiläum der Taufe Rußlands durch einen feierlichen bischöfli-chen Gottesdienst. Mit Bischof Mark zelebrierten Erzpriester Miodrag Gli³ic, der Vorsteher der Christi-Verklärungs Gemeinde in Baden-Baden, Priester Vitaly Gavriliuk aus Regensburg, Priester Nikolai Arte-moff aus München, Priester Slavcho Panev aus Kassel, Priester Josif Wowniuk aus Erlangen, Priestermönch Andrej Biron, Priester Slawomir Iwaniuk aus Darmstadt, Archidiakon Agapit, Diakon Georgij Kobro. Nach der Liturgie folgte ein Empfang mit Vorträ-gen von G. A. Rahr über die Lage der Kir-che in Rußland im Jubi-läumsjahr und G. Seide über die Geschichte der russischen orthodoxen Gemeinde in Stuttgart. Für eine reiche und schmackhafte Bewirtung sorgte Irina Mosiç-kina. Unter den Gläubi-gen befanden sich auch Mitglieder einiger anderer Gemeinden unserer Diözese, Vertreter der Landes-regierung von Baden-Württemberg, und Vertreter der Evange-lischen und der Rö-misch-Katholischen Kirche und der Stadt Stuttgart.
Bote 1988-6
Aus anderen Diözesen:
Nominierung und Weihe
des Bischofs Daniel von Erie
Am Sonnabend, den 31. Juli/ 13. August 1988, wurde in der New-Yorker Kathedrale des Zeichens der Gottesmutter von der Wurzel von Kursk der Ri-tus der Nominierung des Priestermönches Daniel zum Bischof von Erie vollzogen. Die Nominierung wurde von dem Vorsitzenden des Bischofssynods der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, Metropolit Vitalij, geleitet, dem der Erzbischof Antonij von West Amerika und San Francisco, Bischof Alipij von Chicago und Detroit und Bischof Hilarion von Manhatten assistierten. Am folgenden Tag, Sonntag den 1./14. August, wurde von den selben Bischöfen während der göttlichen Liturgie die Weihe des Priestermönches Daniel zum Bischof von Erie vorgenommen.
Bischof Daniel, mit weltlichem Namen Dimitrij Borisoviç Alexandrov, wurde am 2./15. September 1930 in Odessa geboren. Sein Vater war Boris Iwanovic Alexandrov, seine Mutter Elena Dimitrijevna Alexandrova, geb. Fürstin Maxutova. Sowohl von väterlicher als auch von mütterlicher Seite gehör-ten die Familien zum Militär, und beide Großväter wie auch der Vater des Bischofs Daniel kämpften in der Weißen Armee. Dimitrij Petroviç Maxutov, einer der Vorfahren des Bischofs Daniel, war der letzte Gouverneur von Alaska, in dessen Zeit Alaska von Rußland an die Vereinigten Staaten verkauft wurde.
Die Familie des Bischofs Daniel erlitt während der Zeit der Sowjetherrschaft schwere Verfolgungen. Die Bolschewisten verziehen ihnen die Teilnahme an der Weißen Bewegung nicht, und im April 1938 wurde sein Vater verhaftet und offensichtlich auch bald umgebracht.
Der künftige Bischof wurde am 21. September/4. Oktober 1930 vom Klerus der Kirche des Hl. Dimitri von Rostow auf dem 2. christlichen Friedhof in Odessa auf dem Namen dieses Heiligen getauft. Die Zeit war für gläubige Menschen schwer, in den Schulen wurde Atheismus gepredigt, doch die Großmutter führte Dimitrij in die Kirche, in die Ka-thedrale von Odessa, die in der Folge zerstört wurde.
Während der Krieges war Odessa von den Ru-mänen besetzt; zu Beginn des Krieges war nur noch eine Kirche in der Stadt geöffnet, doch auch dort fanden keine Gottesdienste statt, da der Priester verhaftet war. Während des Krieges, als sich die Umstände veränderten, waren in der Stadt über 30 Kirchen unter dem Schutz der Rumänische Regierung geöffnet. Es ergab sich die Möglichkeit aktiv an dem kirchlichen Leben teilzunehmen, und Anfang 1944 erfüllte Dimitrij Borisoviç bereits die Pflichten eines Psalmisten an der Kirche der hll. Victor und Vissarion. In dieser Zeit hatte der junge Psalmenleser zum ersten Mal die Möglichkeit, durch die "Vita" und die "Sendschreiben" des Protopopen Avvacum, die auf ihn einen großen Eindruck ausübten, mit dem Altgläubigentum bekannt zu werden. Er sympathisierte mit ihnen, konnte ihnen jedoch nicht in allem zustimmen und suchte nach einer Lösung dieser Fragen. Zur gleichen Zeit begann er sich für die Ikonenmalerei zu interessieren, da seine Mutter begann Ikonen zu malen, die in den neueröffneten Kirchen gebraucht wurden.
In Frühjahr 1944 mußte die Familie mit den Deutschen über Bessarabien nach Rumänien ausreisen. Auf dem Weg halfen ihnen gute Men-schen; unter ihnen waren auch Altgläubige, die wünschten, daß Dimitrij Borisoviç bei ihnen blieb, um "altgläubiger Pope" zu werden.
Im Sommer 1944 versah er den Dienst als Altarjunge in der russischen Gesandtschaftskirche in Wien unter Bischof Leontij von Zitomir und später unter Metropolit Anastasij und anderen Hierarchen, die aus Belgrad mit der Ikone der Gottesmutter von der Wurzel von Kursk aus Belgrad nach Wien kamen.
Nach Kriegsende erfüll-te er die Aufgaben eines Psalmisten in der Kirche im Flüchtlingslager bei Feldkirch in Österreich und später in der russischen Kirche in Bern. 1949 reiste er in Vereinigten Staaten aus zum Großvater, Fürst D. D. Maxutov.
Seine Grundschulbildung erhielt der künftige Bischof in verschiedenen Schulen, in Bern besuchte er das Städtische Gymnasium, und später die High School in Vineland in New Jersey. 1952 trat er in das Geistliche Seminar am Dreifaltigkeits-kloster in Jordanville ein, das er 1958 abschließt. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit der Ikonenmalerei unter Leitung von Pimen Maximoviç Sofronov. Der künftige Bischof malte in den Vereinigten Sta-aten viele Kirchen aus. Besonders zu vermerken ist die Ikonenwand der Hl. Vladimir-Gedächtniskirche in Jackson und die Ikonenwand der Dreifaltigkeitskirche in Astoria N.Y. Auch führte er den Bau der Kathedrale des Hl. Johannes des Vorläufers in Washington zu Ende.
In dieser ganzen Zeit vernachlässigte er sein Studium des Altgläubigentums nicht, wobei er sich auch mit dem Znamennij (Neumen) Gesang be-schäftigte. Im Laufe der Zeit gelangte er zu der Überzeugung, daß die Lösung der Altgläubigen-Frage im Einheitsglauben liegt, d.h. in der Anerkennung der Rechtmäßigkeit verschiedener Riten in einer Kirche unter unbedingter Voraussetzung der Einheit des Glaubens. Zur Arbeit auf diesem Gebiet erhielt er den Segen von Metropolit Anastsij und Erzbischof Johannes (Maximoviç).
Dimitrij Borisovic wurde 1950 von Erzbischof Vitalij (Maximenko) zum Lektor geweiht, am 1. August 1965 wurde er von Erzbischof Nikon zum Diakon und eine Woche darauf von Metropolit Philaret zum Priester geweiht.
1966-67 baten ihn die Altgläubigen aus West Canada, ihr Bischof für das Ausland zu werden. Da jedoch die altgläubige Hierarchie von Belaja Kriniza nicht kanonisch ist, lehnte er diesen Vorschlag ab. 1973 wandten sich mit einer analogischen Bitte die Altgläubigen aus Australien an ihn, aber sie wollten, daß er in Rumänien eingesetzt werde, womit er nicht einverstanden war, während sie eine Wei-he von der Russischen Auslandskirche unter Hinweis auf die nicht aufgehobenen Bannsprüche ablehnten. Die letzteren wurden von dem Konzil 1974 aufgehoben, und obwohl die australischen Altgläubigen weiterhin eine Weihe seitens der Auslandskirche ablehnten, schloß sich eine große Gemeinde von priesterlosen Altgläubigen in der Stadt Erie (Pennsylvanien) im Jahr 1983 der Auslandskirche an.
Bischof Daniel erwarb eine Druckerei in der Hoffnung Texte der Kirchenväter in slawischer Sprache zu sammeln und sie in Form einer "Slawi-schen Patrologie" zu veröffentlichen.
Zur Nominierung und Weihe von Bischof Daniel kamen Gläubige aus der Gemeinde in Erie unter der Führung ihres Priesters, Vater Pimen Simon.
In Beantwortung der Begrüßungen seiner Mit-brüder bemerkte der neugeweihte Bischof Daniel besonders, daß er als seine Aufgabe nicht nur die Betreuung der mit der Kirche vereinten Altgläubi-gen Gemeinden ansieht, sondern auch die weite-re Vereinigung von Altgläubigen mit der Auslandskirche über den Einheitsglauben. Er beschloß, seine Kräfte diesem Werk zu widmen, und es bleibt zu hoffen, daß er es mit Gottes Hilfe in Ehren zu Ende führen wird.
Am 8. und 9. Oktober zelebrierte Bischof Mark einen festlichen Gottesdienst aus Anlaß der Tausenjahrfeier der Taufe Rußlands zusammen mit Erzbischof Antonij von Genf und unserem Klerus in Österreich in unserer Gemeinde in Wien. Da die Gemeinde nur über eine kleine Kirche verfügt, fand die Liturgie in der benachbarten katholischen Kirche statt. Zu der Liturgie hatte sich viele Hunderte versammelt. Beide Bischöfe predigten während der Liturgie - Erzbischof Antonij in russi-scher, Bischof Mark in deutscher Sprache. Nach dem Mittagessen folgte ein kleines Konzert des Chores unter Leitung von Xenia Hoffmann, sowie Vorträge zu Themen des Millenniums von Diakon Georg Kobro und Dr. G. Seide.
Bote 1988-6
Die Kirche der Hlg. Maria Magdalena
in Jerusalem
Die schöne Kirche der Hlg. Maria Magdalena mit ihren vergoldeten Kuppeln und den orthodoxen Kreuzen ist ein Wahrzeichen Jerusalems. Leider war ihr Glockenturm baufällig geworden, so daß Wasserschäden bis ins Innere der Kirche Zerstö-rungen verursacht haben. Die Glocken durften wegen Einsturzgefahr des Turmes jahrelang nicht mehr geläutet werden.
Ein "Hilferuf" um Spenden hat ein vielfältiges Echo gefunden, wobei sehr viele kleine Spenden ebenso kostbare "Bausteine" geworden sind, wie einzelne sehr große, für die an dieser Stelle noch einmal in aller Herzlichkeit gedankt werden soll.
In besonderer Weise muß des verstorbenen Alt-Erzbischofs Joseph Kardinal Höffner gedacht werden, der noch kurz vor seinem Tod veranlaßt hat, daß eine sehr beachtliche Spende dem Leiter der Russischen Geistlichen Mission in Jerusalem zur Verfügung gestellt wurde. Dem Erzbistum Köln, sowie ihren Jerusalemer Mitarbeiter sei aus tiefem Herzen gedankt.
1988 war nicht allein das Gedenkjahr der Taufe der Rus', sondern es wurde auch durch die 100-Jahrfeier seit der Erbauung der Kirche der Heiligen Maria-Magdalena gekennzeichnet. Zu dieser Feier kam der Höchstgeweihte Metropolit Vitalij und Erzbischof Lavr, aus Jordanville, die von der Äbtissin des Gethsemane-Klosters, Matuschka Theodosia, in aller Feierlichkeit empfangen worden sind.
Von dem inzwischen vollkommen erneuerten Turm klang das große Glockengeläut!
Es wurden sehr feierliche Gottesdienste von Seiner Eminenz Vladyka Vitalij und Seiner Exzellenz Erzbischof Lavr zelebriert, mit dem herrlichen Chor der Nonnen sowie der 52 Pilger, die gerade dort zu Gast waren.
Eine 100-Jahrfeier - der Besuch des Höchstge-weihten Metropoliten Vitalij in "ihrem" Nonnenkloster - ein Fest, nach dem alle in der Heiligen Kommunion vereinigt waren. Der Höhepunkt eines reichen Lebens, das Matuschka Theodosia unserem Herrn geschenkt hat. Von kleiner Statur strahlte sie Autorität aus. Sie war voller Güte und Geduld beim Zuhören. Ihr Herz gehörte ebenso allen, die ihrer Fürsorge und Umsicht im Kloster anvertraut waren, wie den vielen Pilgern, die aus aller Herren Länder in dieses schöne stille Kloster am Abhang des Öl-berges gekommen sind.
Am Tag nach den großen Feierlichkeiten hat Matuschka Theodosia einen Herzanfall erlitten. Trotz aller Fürsorge der Spezialärzte im Hospital ist sie getröstet und mit der Heiligen Kommunion versehen, am folgenden Abend ganz ruhig hinüber-gegangen in Sein Reich. Sie ist eingeschlossen in die Gebete aller, die ihr begegnen durften.
Bote 1988-6
Orthodoxes theologisches Seminar am Kloster des Hl. Hiob von Poçaev
Am Samstag, den 13. (26.) November 1988 fand im Kloster des Hl. Hiob von Poçaev, München (Obermenzing) die 3. Veranstaltung des Orthodoxen Seminars statt. Nachdem im Frühjahr Prof. Dr. Johannes Panagopoulos im Kloster zu Gast war und Vater Ambrosius (Backhaus) den diesjährigen Fürbittgottesdienst zum Wintersemester für Studenten besucht hatte, konnten die Teilnehmer des Seminars diesmal Erzpriester Vater Georgios Metallinos begrüßen. Vater Georgios, welcher einen Lehrstuhl an der Theologischen Fakultät in Athen innehat, kam auf Wunsch vor allem der studentischen Jugend unserer Gemeinde nach München.
Nach der Feier der Göttlichen Liturgie und einem gemeinsamen Essen in der Trapeza des Klosters sprach Vater Georgios zuerst über die Bedeutung und Rolle der Orthodoxen Kirchengemeinde und am Nachmittag über die Hll. Väter innerhalb der kirchlichen Tradition. Im Anschluß an diese Vorträge nahmen sich die 18 Teilnehmer und Gäste ausführlich Zeit, um Fragen an Vater Georgios zu stellen bzw. eigene Eindrücke und Überlegungen zu äußern.
Das Orthodoxe Theologische Seminar am Kloster des Hl. Hiob findet unter Leitung S.E. Bischof Mark, des Bischofs der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland statt und ist Bestandteil der Ausbildung und Lehre unse-rer Kirche. In Ermangelung sonstiger kirchli-cher Ausbildungsmög-lichkeiten für interessierte orthodoxe Christen in Deutschland, soll das Seminar neben den schon vorhandenen Formen des geistlich-kirchlichen Lebens (Liturgie, Gottesdienste etc.) und neben den schon vorhandenen Unterrichtsformen (für Kinder und Jugendliche; Sprachunterricht, alljährliches Jugendtreffen) für eine weitere Möglichkeit sorgen, mit dem Leben und der Geschichte der Hl. Kirche vertraut zu werden. Das Seminar wendet sich deshalb vor allem an orthodoxe Gläubige. (Ka-techumenen bzw. nichtorthodoxe Interessenten bedürfen zur Teilnahme des ausdrücklichen Segens von Bischof Mark bzw. die Empfehlung eines anderen orthodoxen Priesters.)
Das Seminar findet alle zwei Monate statt und wird durch die Gemeinden unserer Diözese und durch weitere Spenden der Teilnehmer finanziert.
Weitere Informationen über:
Kl. des Hl. Hiob von Poçaev,
Schirmerweg 78,
8000 München 60,
Tel. 089/ 834 89 59
oder André Sikojev,
St.-Martin-Str. 48,
8000 München 90,
Tel. 089/ 691 20 70.
Bote 1988-6
Unsere Kirche in der Heimat
Kürzlich erhielt die zur Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland gehörige Deutsche Diözese ein mit dem 8. November 1988 datiertes Schreiben aus Moskau. Es enthält den Hilferuf von Galina Melniçukovskaja, der Ehefrau des Priesters Vadim Melniçukovskij und Mutter von fünf Kindern...
"Meine Angelegenheit ist sehr ernst und betrifft in erster Linie die physische und moralische Gesundheit meiner fünf Kinder. Ihr Zustand zwingt mich, mich zu melden.
Ich bin die Frau eines orthodoxen Geistlichen, des Erzpriesters Vadim. 10 Jahre tragen wir freudig den Gehorsam. Wir leben in Moskau. Alles wäre gut, nur ist der Ehemann und Vater der Kinder weit. Er dient "fernab der Heimat". Nacheinander trug er den Dienst in den Diözesen von Irkutsk, Ka-linin,Çeboksary, Brjansk, Kostroma, und jetzt in der Diözese Mittelasien. Alle Gemeinden waren und sind ärmlich sowie in schwer zugänglichen Orten. Etwa drei Jahre lang versuchen wir nun einen Platz in Moskau oder der Umgebung von Moskau zu be-kommen, aber vergeblich. Überall begegnen uns Grausamkeit und Gleichgültigkeit. Nach Moskau kann man nur für Geld oder über Beziehungen kommen.
Jetzt ist die Geduld versiegt, das Leben aber geht weiter und die Kinder wachsen. Wir haben schriftliche Absagen aus dem Gebiet von Moskau, aus Tula, aus Rjazan', Gorkij, Jaroslawl', Penza, Saratow, Stawropol', Vladimir. Patriarch Pimen hat unsere Fototelegramme nicht beantwortet. Der Sekretär des Allerheiligsten, Vater Matvej Stadnjuk ließ uns nicht hoffen, als wir vorsprachen. Jetzt warten wir auf die schriftliche Absage.
Was ist los? Weshalb gefällt mein Mann der Obrigkeit nicht? Die Antwort ist einfach: er ist ein ehrlicher Hirte, und er will keinerlei Kompromisse mit den Machthabern eingehen.
Es ist sehr seltsam, daß in der UdSSR, wo die Ehrlichkeit als Haupttugend gelten soll, gerade diese am Anfang aller Nöte steht. Wahrlich, "Ver-stand bringt Kummer" (Anspielung auf ein bekanntes Theaterstück von Gribojedov - Anm.d. Übers.) aber Wahrheit bringt auch Kummer. Jetzt sind wir in einer Notlage. Die Sachen sind verkauft oder im Pfandhaus. Wir hungern. Das ist eine offensichtliche Diskriminierung, nicht gegenüber anderen Nationalitäten, sondern gegenüber einem ehrlichen Menschen. Solche Familien wie die unsrige gibt es viele. Das ist ein weiterer Grund, der mich bewog, die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. Machen Sie meinen Brief bekannt, so helfen Sie meinem Mann, eine Anstellung in Moskau zu erhalten, mir - meinen Mann, meinen Kindern - ihren Vater wiederzuerhalten. Sie sind unse-re letzte Hoffnung! Um unserer Kinder willen, helfen Sie uns, ich bitte Sie und hoffe.
Galina - Vadim Melniçukovski
UdSSR - Moskau
ul. Çkalova d. 14/16 kv. 67, Tel. 297 07 37
(Vorwahl aus der Bundesrepublik Deutschland: 007-095)
Ein Telefongespräch mit Galina Melniçukovskaja half, Einzelheiten zu klären. Die Priesterweihe er-hielt Vadim Melnicukovski im Jahre 1978. Er ist 1941 in Moskau geboren, lernte im medizinischen Institut, arbeitete in der pharmazeutischen Industrie. Als ein junger Arbeiter wegen mangelhafter Sicherheitstechnik am Arbeitsplatz starb und dieser Fall vertuscht werden sollte, begann Vadim Sergeeviç zu protestieren. Er erhielt Drohungen per Telefon, dann wurde er entlassen. Er bestand die Examen zum Eintritt in das Seminar von Sergiev Posad, wurde aber nicht aufgenommen. Freunde rieten ihm, nach Irkutsk zu fahren. Dort erhielt er die Priesterweihe und begann seine Priesterlaufbahn unter Erzbischof Serapion von Irkutsk. Er zelebrierte in Çita und wurde dann nach Ulan-Ude geschickt.
Später erhielt er eine Gemeinde in der Diözese von Kalinin, was seinem Wohnort näher ist. Dort wurde er entlassen, weil er konsequente Ehrlichkeit an den Tag legte.Vater Vadim, der nicht trank und die Gottesdienste nicht kürzte wurde bei dem Vorsteher der Kirche in Kimra, Vater Ioann Basjuk unbeliebt. "Einmal machte sich Vater Vadim auf den Weg aus Kimra nach Moskau. Auf dem Bahnhof mußte er auf den verspäteten Zug 4 Stunden warten, da kam eine alte Kirchgängerin aus seiner Gemeinde auf ihn zu und sagte: Vater, ich wohne hier gleich um die Ecke, kommen Sie mitzu mir, um zu warten, statt daß Sie hier frieren. Vater Vadim ging mit. Glaich nach ihm kommen zwei junge Mädchen vulgären Aussehens ins Haus, stellen Vodka auf den Tisch mit kleinen Nachspeisen. Sogleich folgen einige Milizionäre und nehmen Vater Vadim mit, versuchen Anzeichen von Trunkenheit nachzuweisen und halten ihn eineige Stunden lang fest. Ein Telefongespräch mit dem Vorsteher - und Vater Vadim ist entlasen. "
In der Diözese von Çeboksary, wo er eine Anstellung erhielt, zelebrierte er fast 4 Jahre ohne Urlaub. Als er nach dem ersten Urlaub zurückkam, fand er an seinem Platz einen anderen Priester vor. Man erklärte Vater Vadim, er habe keine stän-dige Zuzugsgenehmigung, er hätte eben die Moskauer aufgeben müssen (was nichts Gutes verspricht). Er wechselte in die Brjansker Diözese, hielt jedoch weniger als einen Monat lang Gottesdienste, weilder Vorsteher Pavel Samçuk (heute Bischof von Orel und Brjansk)Vater Ioann Basjuk anrief und von diesem hörte, er solle Vater Vadim "sofort hinauswerfen"...
"Im Mai 1987 fand er in der Diözese von Kostroma eine Stelle und hielt einen Monat lang Gottesdienste in einer Kirche zu der er von der Stadt Buja aus 40 km hin und 40 zurück zu Fuß zurücklegen mußte. Dann wurde er in das Dorf Ivankovicy versetzt, wo es außer der Kirche noch zwei Häuser gab. Von der Bushaltestelle aus muß man dorthin 15 km zu Fuß gehen."
Von Anfang des Jahres 1987 bat Vater Vadim viele Male um eine Gemeinde, die nicht allzu weit von Moskau entfernt wäre, damit er seine Familie sehen könnte, von der er nun praktisch 10 Jahre getrennt ist. Er wandte sich an sieben Diözesen (die von Moskau, Rjazan', Tula, Vladimir-Suzdal', Jaroslav, Gor'kij, Saratov), und überall nur die eine Antwort: es gibt keine Stellen. Der einzige Ort, wo er schließlicheine Anstellung fand ist Galljaaral, 400-500 km von Ta³kent entfernt. Wochentags fährt er oft noch nach Samarkand, um den dortigen Priester, der oft krank ist, zu vertreten. Er lebt am Rande des Existenzminimums, weil er den Großteil seines Lohnes - 150 Rubel - an die Familie schickt.
Seine Familie sieht er zwei Mal im Jahr für eine Woche. Die Tatsache, daß Vater Vadim extern Theologie studiert, gibt ihm immerhin diese Mög-lichkeit, zu den Examen nach Moskau zu kommen. Das letzte Mal sahen die Kinder ihren Vater im Mai, als Vater Vadim diesmal - im Spätherbst - nach Moskau kam, erkannte ihn die zweieinhalb Jahre alte Tochter Joanna nicht.
"Es ist wie Gefängnis oder Verbannung, - sagt seine Frau, - man schickt ihn immer weiter und weiter von der Familie, vom Zuhause weg, d.h. die Kin-der wachsen ohne Vater auf. Das ist doch ein soziales Problem - die 'Vaterlosigkeit' (bezotcov³çina)... hier aber wird die Vaterlosigkeit produziert, wäh-rend der Vater lebt. Das darf doch nicht sein." Der ältere Sohn steht in Ausbildung, ist ins Moskauer Konservatorium eingetreten. Galina kann ihn auch nicht allein zurücklassen, um mit den Kleinen zum Vater zu ziehen. Die Familie hat Schulden: einen Sachwert von 4000 Rubel im Pfandhaus. Gläubige Menschen helfen. Was Matuischka Galina selbst betrifft, so ist zu bedenken, daß wegen einer Unaufmerksamkeit der Ärzte ihr einjähriger Sohn Roman im Krankenhaus starb (1974). Um die neuge-borene Agafija, der bei der Transfusion versehentlich die falsche Blutgruppe eingeleitet worden war, mußte sie hart kämpfen, bis eine zweite Transfusion ermöglicht wurde. In den Schulen wurde den Kindern das Leben unmöglich gemacht, sobald sich herausstellte, daß ihr Priester ist, und das - 1987. Aus vielen solchen Details fügt sich das Leben. Und so ergibt sich: "Meine Lage ist so aussichtslos, daß ich mich entschloß, diesen Brief zu schreiben... (Kindergeschrei im Hintergrund) ... schwer ist das. Ich weiß gar nicht, wie lange wir kei-ne Äpfel gegessen haben. Meine Kinder sehen überhaupt kein Obst. Wir essen bloß Kartoffeln und Brot... Verstehen Sie meine Lage?"
Im System des Moskauer Patriarchats ist das kein Einzelfall. Aus Kreisen des Moskauer Patriarchats ist zu hören, daß etwa 70 Priester auf eine Anstellung in Moskau warten. "Ungenehme" kommen gar nicht auf die Warteliste. Versetzungen nach Mißfallen sind an der Tagesordnung.
Priester Georgij Edelstein wurde z.B. suspendiert, weil er junge Familien aus Moskau zur Mitarbeit in der Gemeinde in den Ferien, zur Restaurierung des Gebäudes motiviert hatte. Dies in einer verfallenden Dorfgemeinde, wo die Abendgottesdienste von ca. 12 Gläubigen, die sonntäglichen Gottesdienste von etwa 35 Personen aus der umliegenden Gegend besucht wurden.
Im übrigen ist hierbei der Unterschied zwischen ländlicher Gegend und Stadt (wo in einer Kirche 3-7 Priester Dienst tun) zu bedenken. Nach den Angaben des Moskauer Konzils von 1988 gibt es im Moskauer Patriarchat 6674 Priester, also ohnehin weniger als Kirchen. Jetzt, so sagt man, werden viele Kirchen geöffnet... Aber Stellen gibt es, wie es aussieht, keine? Wieviele Kirchen von den 6893 des Moskauer Patriarchats befinden sich wohl in einer Lage wie die, in die Vater Vadim und Vater Georgij geschickt wurden?... In wievielen kann ein vollständiger Gottesdienstzyklus nicht gewährleistet werden? Und wo liegen die Ur-sachen dafür?
Als die Suspendierung Vater Georgijs aufgehoben wurde, die ( über den Bischof als verlängertem Arm) durch den "Bevollmächtigten für Religionsangelegenheiten" unrechtmäßig erfolgt war, fand Vater Georgij in ähnlicher Weisebis 1988 nirgends mehr eine Anstellung...
Ein anderes Beispiel: In Frunze legten in der Auferstehungskirche der Priestermönch Leonid (Groschev) und Priester Vladimir Cvetkow am Versöhnungssonntag vor der Osterfastenzeit 1987 ein Reuebekenntnis vor den versammelten Gläubigen ab, sie hätten sich schlecht um die Belange der Gläubigen und deren Evangelisation gekümmert. Sie begannen mit Religionsunterricht in den Familien, Krankenbesuchen, stellten Listen auf - begannen also eine regelrechte pastorale Gemeindearbeit, u.a. richteten sie ein großes Taufbecken ein zur Kinder- und Erwachsenentaufe durch vollständiges Untertauchen (wie es sich nach den Kanones gehört). Priester Vladimir wur-de suspendiert. Priestermönch Leonid wurde 300 km weit von Frunze wegversetzt. Aber die Gläubi-gen begannen, das vollständige Untertauchen bei der Taufe zu verteidigen und gegen den Priester, der die unvollständige Form der Taufe wiederein-führen wollte, entschieden zu protestieren, sie verlangten auch, daß das gegen Vater Vladimir verhängte Zelebrationsverbot aufgehoben wer-den sollte. Schließlich hatten ihre Bitten insofern Erfolg, daß der Bischof die Suspendierung aufhob: Vater Vladimir zelebriert jetzt in der Gemeinde von Suljukta - 530 km von seinem früheren Wohn-ort entfernt.
In diesem größeren Zusammenhang ist auch der vorliegende Hilferuf einer Frau und Mutter zu sehen, in dem es heißt: "Solche Familien wie die unsrige gibt es viele. Das ist ein weiterer Grund, der mich bewog, die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. Machen Sie meinen Brief bekannt..."
Namen und Alter der Kinder: Mark (geb. 1971), Anastasija (1977), Agafja (1980), Juliana (1984), Joanna (1986).
Presserat der Diözese
Bote 1988-6
Russische Orthodoxe Kirchen in Deutschland
Im Zusammenhang mit der Tausendjahrfeier der Taufe Rußlands räumt die Redaktion des "Boten" den russisch-orthodoxen Kirchen in Deutschland einen gewissen Platz ein. Damit erhellt sie die ausgiebige, teilweise missionarische Aktivität unserer Kirche außerhalb der Grenzen Rußlands. Es wird die Mitglieder unserer Diözese interessieren, die Geschichte unserer Kirchen, von denen viele im letzten oder gar vorletzten Jahrhundert erbaut wurden, kennenzulernen. Bei der Beschreibung dieser Kirchen, schenken wir dem Umstand, ob sie uns momentan zugänglich sind oder nicht, wie beispielsweise die Kirchen in den sowjetisch besetzten Teilen Deutschlands, keine Beachtung - alle diese Kirchen gehören zu unserer Diözese.
Das grundlegende Material, das für diese Rubrik unserer Zeitschrift ausgewertet wurde, ist das Buch des Erzpriesters Maltzev, des langjährigen und sehr regen Priesters der russischen Botschaft in Berlin zu Ende des vergangenen und Beginn unseres Jahrhunderts.
Das Buch erschien bei der Bruderschaft des Hl. Wladimir. Wir behalten Stil und Sprache dieses Bu-ches weitgehend bei und fügen nur am Ende der einzelnen Artikel neuere Daten hinzu.
AUGSBURG
Kreis Schwaben in Bayern. Ehemals (vor dem Petersburger Frieden 1805) freie Reichsstadt mit Handelsbeziehungen zu Moskau (bekannt unter dem Namen Auschporka) und Byzanz. Mit dem Namen Augsburg verbindet sich das bekannte Bekenntnis (Confessio Augustiana) auf dem Reichstag 1530 das von Primus Truber im Buch "Artikel des wahren Glaubens" zusammen mit dem sächsi-schen und dem württembergischen Bekenntnis ins Slawische übersetzt wurde.
Gemäß Erlaß vom 1. Oktober 1859 wurde an die zum Friedenskongress ernannte Adelsgesandtschaft die ehemalige Feldkirche des kroati-schen Regiments der kaiserlichen Armee, die der Hl. Dreifaltigkeit geweiht war, zusammen mit Abt Narkis Kwetkij und Iwan Iwanow nach Augsburg geschickt. Im Jahre 1762 wurden jene ebenso wie die Feldkiche dem Fürsten Dmitri Michajlioviç Golicyn, der einen Priester und eine Kirche verlangt hatte, nach Wien geschickt.
Neben den erwähnten Kirchenleuten, die ein Gehalt von 100 Rubeln bezogen, ist auch noch der Hieromönch Varlaam Majevskij (mit einem Gehalt von 300 Rubeln) vom ehemaligen kroatischen Regiment der kaiserlichen Armee, genannt.
BADEN-BADEN
Kirche der Verklärung des Herrn. Die erste Initiative zur Verwirklichung der Idee der Einrichtung von orthodoxen Gottesdiensten in der Muttersprache in Baden Baden, stammt von Minister Sto-lypin, der am großherzoglich badischen Hofe lebte und der Fürstin E. E. Trubeckaja, geborene Fürstin Belloselskij-Belosserskij.
Im Jahre 1858 mietete man in einem Privathaus eine Wohnung an, in der eine aus Stuttgart stammende Feldkirche eingerichtet wurde.
Diese Kirche, die während eines Kuraufenthalts ihrer Hoheiten des Zaren Alexander II und der Zarin Maria Alexandrowna in Wildbad, Kissingen und Schwalbach gedient hatte, war bei der Stuttgarter Kirche in Verwahrung und man lud in der Sommersaison zur Verrichtung der Gottesdienste darin die Geistlichen, unter der Leitung des Erzpriesters I.I. Bazarow, der Hofkirche ihrer Hoheit Olga Nikolajevna, der Erbprinzessin und späteren Königin von Württemberg ein.
Die provisorische Kirche befand sich in der Lichtenthalterstraße, Maison de la poste aux lettres und der Priester wohnte im Hause des Dentisten Meier, vis à vis de L'Hotel à la cour de Darmstadt.
Danach diente 16 Jahre lang als Raum für die Kirche ein angemietetes Haus, in der Schillerstras-se 5, das durch die Bemühungen von A. A. Vasilçikov eingerichtet wurde.
Die Beiträge verwaltete Baron Mühlens, dessen Frau Jekaterina Iwanowna orthodox war. Außer ihnen, den oben erwähnten N. A.Stolypin und A. A. Vassilçikov mit Gemahlin spendeten der durchlauchtigste Fürst V.A. und Fürstin E. A. Men³ikov und die Fürstin Gagarin, die Gräfin E. K. Chreptoviç Sophia Jak. Afrosimova, geb. Druschinina, deren Schwester Nad. Ja. Druschinina und andere.
Die Gottesdienste hielten die Gemeindepries-ter der Karlsruher Hofkirche der Großfürstin Maria Maximilianowna, Prinzessin von Baden, Erzpriester Ioann Wass. Tomatschew (1866-1893) und Georgij Semjonoviç Morozov, die nun schon verstorben sind.
Im Jahre 1880 nahm sich Großherzogin Maria Maximilianowna, Prinzessin von Baden der Sache des Kirchenbaus an und anstelle des Leiters der kirchlichen Angelegenheiten, des Barons J. F. Mühlens, der die Pflichten des Kirchenältesten aus Anlaß seiner Abreise nach Rußland abgab, wurde ein besonderes Komitee, das mit der Leitung des Neubaus der Kirche betraut wurde, ernannt. Die Hauptmitglieder des Komitees waren Baronin Barbara Sergejewna Plessen, geb. Fürstin Gagarin und der Ingenieur a. D. V. I. Potemkin unter dem Vorsitz des Kirchenvorstehers, Erzpriester A. A. Ismailow. Die Fürstin Tatjana Sergejewna Ga-garina bot zum Kirchenbau ein eigenes Grund-stück als Schenkung an, das wegen der Entfernung jedoch nicht angenommen wurde.
Die örtliche Stadtverwaltung wünschte zur Errichtung einer Kirche beizutragen und kam der russischen Kolonie ihrerseits zu Hilfe und bot der hohen Schirmherrin der zu errichtenden Kirche ein Grundstück, das der Stadt gehörte sowie das Holzbaumaterial als Schenkung an.
Das Geschenk der Stadt in Form einer Schenkung, ein Grundstück aus städtischem Besitz, in der Lichtenthalerstraße 74 wurde angenommen. Aus diesem Anlaß wurde ein besonderer Vertrag mit der Stadtverwaltung zu folgenden Bedingungen geschlossen:
1) Das von der Stadtverwaltung zum Bau der Kirche unentgeltlich überlassene Grundstück zusammen mit dem darauf zu errichtenden Kirchengebäude müssen im Besitz der Stadt Baden Baden bleiben.
2) Im Falle der Beendigung der Gottesdienste, nachdem die Russen Baden Baden verlassen haben, verpflichtet sich die Stadt, das gesamte Kirchenvermögen zu inventarisieren, aufzubewahren und in diesem Falle für dessen Unversehrtheit und Unantastbarkeit zu bürgen sowie gleichfalls das Kirchengebäude zu renovieren und zu diesem Zwecke die Zinsen des unantastbaren Kirchenka-pitals, das beim örtlichen Bankhause von F. S. Meier deponiert war, zu nutzen.
In der Folge erachtete man die Übergabe der Kirche in die Hände von Andersgläubigen als nicht wünschenswert. Daher nahmen die Russen über ihre gewählten Vertreter noch 1892 Verhandlungen über die Auflösung des Vertrages und die Ablösung der Kirche zusammen mit dem ihnen überlassenen Grundstück, auf dem sie stand, auf.
Im Juni 1893 fand die Angelegenheit dank der persönlichen Teilnahme und der Einflußnahme des Großherzogs von Baden und seiner königli-chen Gemahlin unter der Mitwirkung der hohen Schirmherrin der Kirche damit ein Ende, daß die Stadt Baden Baden unsere eigene Kirche zusammen mit dem von ihr zuvor geschenkten Grundstück, auf dem die Kirche erbaut wurde, für 10.000 Mark verkaufte.
Auf diese Weise steht die russisch orthodoxe Kirche nunmehr auf russischem Boden. Weiterhin wurde kraft der örtlichen Gesetze, die vorschreiben, daß es für jegliche Immobilie einen Verantwortlichen zu geben habe, die Kirche ihrer kaiserlichen Hoheit der Großherzogin Maria Maximilia-nowna übereignet.
Die eifrige Gönnerin und wahre Eigentümerin der Kirche vermachte als ewiges Kapital für die Kir-che 150.000 Mark und unterstellte sie mit dem gesamten Besitz und dem Kapital der vollen Leitung des Heiligen Regierenden Synods. Der Bau der Kirche vollzog sich nach folgendem Plan:
Aus Rußland ließ man Photographien verschiedener Kirchen und Zeichnungen und Skizzen von Professor P.V.Storm kommen, auf deren Grundlage der Baden Badener Vertragsarchitekt Belzer mit einem Mitglied des Kirchenkomitees, dem Ingenieur V.I.Potemkin einen Plan für die Kirche er-arbeitete. Nach Beschaffung des Baumaterials fand schließlich am 12.August 1881 mit dem Segen des Höchstgeweihten Metropoliten Isidor die feierliche Grundsteinlegung unter dem Beisein ihrer kaiserlichen Hoheiten der Großfürstin Olga Fjo-dorowna und ihrer kaiserlichen Kinder, der Groß-fürsten Alexander und Sergeij Michajloviç sowie einer großen Anzahl Russen, die sich zu dieser Zeit in Baden Baden aufhielten, statt.
Im Frühjahr 1882 war das Kirchengebäude errichtet und schon überdacht. Man mußte nun an die Innenausstattung der Kirche gehen, wofür Gott selbst, so könnte man sagen, einen Landsmann, den Fürsten Grigorij Grigorjewiç Gagarin, den frü-heren Vizepräsidenten der St. Petersburger Akademie der Künste, schickte, der auch seine Dienste antrug, und anbot, die Kirche unentgeltlich mit eigenen Malereien auszugestalten.
Dieses unvorhergesehene Angebot wurde na-türlich dankbar akzeptiert und so war die russische Kirche dank dem Fürsten und Maler unter Mithilfe des Malers und Dekorateurs Schwarzmann zum September 1882 vollkommen fertiggestellt. Der Bau kostete 108.169,31 Mark, wobei der Betrag von 7000,00 Mark, der bei der Kollekte fehlte, von Prinzessin Maria Maximilianowna abgedeckt wurde. Am 16./28. Oktober 1882 wurde mit dem Segen vom 14. April des Metropoliten Isidor die Kirche feierlich von Erzpriester A. A. Ismailow, assistiert von S.G.Ljubimov, dem Helfer des Kirchenvorstehers der Stuttgarter Hofkirche, mit Vr. Grigorij Rumelioti, einem Ieromönch der rumänischen Kir-che zu Baden Baden und G. S. Morosow, dem Diakon der Stuttgarter Hofkirche sowie dem Psalmisten G.E.Ostroumnyj (aus Karlsruhe und jetzt Erzpriester in Cannes und K. J. Sileckij (aus Stuttgart, jetzt Erzpriester in Kopenhagen) eingeweiht.
Bei der gesamten frohen Kirchenfeier nahm die Gönnerin, ihre kaiserliche Hoheit, Großherzogin Maria Maximilianowna, ihr königlicher Gemahl Wilhelm, Prinz von Baden, seine kaiserliche Hoheit Großfürst Nikolai Nikolajeviç der jüngere, Vertreter ihrer Hoheit, der Kaiserin Auguste von Deutschland, Hofdame Gräfin Brandenburg und der Kam-merherr ihrer Hoheit, Graf Fürstenstein, der kaiserlich russische Ministerpräsident am großherzoglich badischen Hofe, Koloschin, der Sekretär der kaiserlich russischen Botschaft Fürst Gorçakov, Fürst und Fürstin Men³ikov, Baron und Baronin von Plessen, der großherzogliche Stadtdirektor von Heder, Oberbürgermeister Henner, Bürgermeister Seefels, anglikanische und altkatholische Geistliche, Vertreter der russischen Kolonie sowie der Repräsentanten der obersten Baden Badener Gesellschaft und der Architekt der Kirche Belzer, teil.
Bei einem Besuch der Baden Badener Kirche am 18./11. Oktober 1899 durch den Kaiser, seine Gemahlin und Großfürstin Maria Maximilianowna, fanden Malerei und die Ornamente der Kirche die besondere Aufmerksamkeit und die Zustimmung seiner Hoheit. Besonders gefielen die weichen Töne der Kirchenmalerei, die für die Farbgebung fast aller Wandmalereien des Fürsten und Malers Gagarin charakteristisch sind und die auch bei he--ller Beleuchtung nur halb im Licht zu sein scheinen. Beim Anblick der niedrigen Ikonostase und der noch niedrigeren königlichen Pforte, bemerkte seine Hoheit: "Bei uns ist es gerade so, wie in den alten Kirchen - es wird doch auch heute ebenso die königliche Pforte auf der Ostseite eingerichtet und den Betenden die Sicht auf die Zelebranten nicht genommen." Im Altar richtete seine Hoheit die Aufmerksamkeit auf die Kopie einer alten Darstellung der Kommunion unter zwei Gestalten, die aus der Kiewer Sophienkathedrale stammt, und brachte zum Abschluß der Besichtigung seinen allgemeinen Eindruck von der Kirche, die mit ihrer anheimelnden Atmosphäre und künstlerisch-hei-ligen Pracht zum Beten stimmt, mit den Worten zum Ausdruck: "Ich habe schon viel von der russi-schen Kirche von Baden Baden gehört, und habe nunmehr aus eigenem Ansehen einen wundervollen Eindruck erhalten." Schon als sich der Herr-scher der Kirche näherte, widmete er auch dem Mosaik der Verklärung des Herrn, das von dem venezianischen Künstler Salviati nach einer Zeichnung von G.G.Gagarin gefertigt wurde und sich am Giebel über dem Hauptportal befindet, besondere Aufmerksamkeit.
Die Orginalzeichnung des Fürsten, Malers und großen Kenners der Ikonenmalerei, nach denen die Ornamente der orthodoxen Kirche zu Baden Baden ausgeführt wurden, übergab man noch auf Weisung weiland Kaiser Alexanders III. der kaiserlichen Eremitage zu St. Petersburg.
Kirchenvorsteher war im Jahre 1905 Erzpriester Nikolaj Petroviç Apraksin aus der Diözese Simbirsk, der 1874 sein Studium an der St. Petersburger Geistlichen Akademie mit dem Grad eines Kandidaten beendete, für sieben Jahre zum Psalmisten der Pariser Kirche bestimmt wurde, dort 1882 für dieselbe (Kirche) die Priesterweihe empfing, 1888 zum Erzpriester erhoben wurde, 1901 nach Genf und 1903 nach Baden Baden versetzt wurde.
Von 1882 bis 1901 übersetzte er ins Tschechische: die Göttliche Liturgie, die Katechese, ein Gebetbuch und den Kanon des Andreas von Kreta; von 1894 bis 1902 nahm er an der Zusammenstellung des tschechisch-russischen Wörterbu-ches von I. Rank, der Herausgabe des Neuen Testaments durch den Synod in Kirchenslawisch und Tschechisch teil, überarbeitete und näherte die tschechische Übersetzung dem Kirchenslawi-schen an. Am 27. Januar 1903 wählte ihn der Rat der St. Petersburger Geistlichen Akademie zum Ehrenmitglied, was der Hl. Synod bestätigte. Dank seiner Bemühungen wurde die wunderschöne Kirche von Karlsbad, die am 28. Mai/3.Juni 1897 eingeweiht worden ist, errichtet.
Psalmist war Matweij Alexejeviç Kedrov aus der Diözese Orlov, der 1885 die St. Petersburger Geistliche Akademie mit dem Grad eines Kandidaten beendete und im gleichen Jahr zum Psalmisten an die Karlsruher Hofkirche berufen wurde. Neben der russischen Kirche in Baden Baden wurde auf dem Michaelisberge von dem rumänischen Fürsten M.Sturdsa eine wunderschöne rumän-sche Kirche eingerichtet, in der der Fürst selbst, seine Gemahlin und ihr Sohn ruhen. Man dachte 1865 daran, anstelle einer eigenen russischen Kirche sich am Bau der rumänischen zu beteiligen, dort seinen eigenen Altar zu haben oder besser drei Altäre zu haben, "von denen einer für Gottesdienste in Moldavisch oder Walachisch, einer für Gottesdienste in Russisch und der dritte für Griechisch, der Muttersprache aller orthodoxen Kirchen gedacht wäre". Das war die Idee von Erzpriester Vr. I. I. Bazarov.
So verhielt es sich mit unserer Kirche in Baden Baden vor dem ersten Weltkrieg. Bei Kriegsausbruch verließen die Russen das nunmehr feindliche Deutschland. Die Kirchen wurden geschlossen und die Schlüssel an den spanischen Bot-chafter übergeben. Und erst im Jahre 1920, als sich hunderte von Flüchtlingen in Deutschland befanden, wurden sie wieder geöffnet. Aus dem Kriegsgefangenenlager kam Priester Michail Stefirtza, der die Baden Badener Gemeinde bis zu seinem Tod 1979 betreute. In den letzten Jahren sei-nes Lebens - er starb mit 96 Jahren - betrieb Stefirtza eine doppelte Politik. Einerseits brach er die Beziehungen zur deutschen Diözese nicht ab, andererseits liebäugelte er mit dem Moskauer Patriarchat und verabscheute gleichzeitig die Sowjetmacht. Ein derartiges Spiel konnte kaum ohne Auswirkungen auf seine eigene Lage bleiben. Besonders unsicher wurde seine Lage, als der kurz zuvor aus sowjetischer Gefangenschaft entlasse-ne Hauptmann der deutschen Wehrmacht und leidenschaftliche Gefolgsmann Moskaus, ein gewisser Werner Günther Kirchenältester wurde. Er versuchte sofort auf betrügerische Weise die Kirche auf den Namen der Gemeinde umzuschreiben, was ihm aber nicht gelang. Darauf schickte Moskau einen Priester, um Stefirtza zu "helfen", den dieser aber nicht akzeptierte.
Nach Stefirtzas Tod spaltete sich die Gemeinde in moskautreue Mitglieder und jene, die der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland die Treue hielten. Seit dieser Zeit versuchte die Diözese, in Baden Baden die Ordnung wiederherzustellen. Es begann ein Gerichtsverfahren. Die beiden ersten Instanzen bestätigten die Rechtmäßigkeit unseres Besitzanspruches auf die Kirche, wir mußten uns aber verpflichten auch den Moskautreuen ein Mitbenutzungsrecht einzuräumen. Kürzlich ent-schied nun der Bundesgerichtshof, daß die Kirche ausschließlich durch unsere Gemeinde zu nutzen ist. Damit wurde nach langen Jahren die Ordnung in Baden Baden wiederhergestellt.
Das Kirchengebäude befindet sich in traurigem Zustand. Wegen des langwierigen Gerichtsverfahrens waren die Renovierungsarbeiten blockiert. Jetzt endlich können wir an die Arbeit gehen. Der Kostenvoranschlag von 1986 für die Renovierung beläuft sich auf 250.000,00 DM.