Predigt zum 1. Herrentag der Großen Fastenzeit / Triumph der Orthodoxie (Hebr. 11:24-26,32-12:2; Joh. 1:43-51) (21.03.2021)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Fasten ist für uns Christen ein wesentlicher Bestandteil unserer Frömmigkeit und gründet, wie alles in unserer Kirche, auf dem Fundament der Heiligen Schrift (s. Ex. 34:28; 2 Kön. 12:15-17f; 3 Kön. 19:8; Neh. 9:1f; Est. 4:3; Ps. 34:13; 68:11; 108:24; Jes. 58:6-8; Jer. 36:6-7; Dan. 9:3; Joel 1:14; 2:12-15; Jona 3; Sach. 8:19; Mt. 4:2; 6:17-18; 9:14-15; 17:21; Mk. 2:18-20; 9:29; Lk. 2:37; 5:33-35; Apg. 10:30; 13:3; 14:23; 1 Kor. 7:5; 2 Kor. 6:5; 11:27). Fasten ist das am meisten bewährte Mittel, um Gott für die menschlichen Verfehlungen milde zu stimmen – zur Versöhnung mit Gott; es ist die unerlässliche Bedingung zur Gewährleistung der Hoheit des Geistes über das Fleisch – zur Abtötung der Seelen verderbenden Begierden und Leidenschaften; es ist die optimale Vorbereitung auf den Empfang der göttlichen Gnade – zum Aufstieg zu Gott.
Beim Fasten trennt sich gewissermaßen die Spreu vom Weizen: Wer fastet, ist natürlich noch nicht automatisch auf dem Weg des Heils, weil es auch ein Gott nicht gefälliges Fasten gibt (s. Jes. 58:3-5; Jer. 14:12; Sach.7:5; Mt. 6:16; Lk. 18:12). Dennoch ist das (richtige) Fasten ein untrügliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Nachfolge Christi. Die Einhaltung der Fastentage und Fastenzeiten gilt hierfür als Lackmustest. Wer im Kleinsten treu und zuverlässig war, wird es auch dann sein, wenn der Glaube schwersten Prüfungen unterzogen wird (s. Mt. 25:21,23; Lk. 19:17). Enthaltsamkeit stärkt den Willen und erzieht dazu, nicht seinem (fleischlichen) Willen zu folgen, sondern die Befolgung des Willens des Herrn anzustreben. Sie ist zudem Ausdruck der Aufrichtigkeit unserer Absicht, die im Paradies begangene Ursünde unseres Stammvaters zu revidieren. Orthodoxe Christen, die (ohne naheliegenden Grund) nicht fasten, sind wie Vegetarier, die ihre Mittagspause am Bratwurststand verbringen. Wir orientieren uns allzu oft an weltlichen Gepflogenheiten, anstatt uns an die kirchlichen Regularien zu halten. „Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht darum kümmert und nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen. Wer aber, ohne den Willen des Herrn zu kennen, etwas tut, was Schläge verdient, der wird wenig Schläge bekommen. Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen“ (Lk.12:47-48). Wollen deshalb so viele getaufte orthodoxe Christen heute eingedenk der soeben angeführten Worte des Herrn lieber den Willen des Herrn gar nicht wissen, um statt vieler nur wenige Schläge zu bekommen?.. Dabei gibt es doch den seligmachenden Weg der Befolgung der Gebote des Herrn und der Einhaltung der Satzungen der Kirche. Man kann doch auch mal den Teufel mit dessen eigenen Waffen schlagen – etwa dadurch, dass man statt sich im Internet das Hirn verkleistern zu lassen, sich zur Abwechslung mal etwas für die Seele Erbauliches z.B. auf dem Orthodoxen Medienkanal (www.orthodoxinfo.de) ansieht.
In der Apostellesung zum Triumph der Orthodoxie schöpfen wir viel Zuversicht aus dem eindrucksvollen Beispiel der unzähligen Heiligen, welche keine Not, kein Leid und keine Schmach scheuten, um an der Herrlichkeit Christi teilhaben zu können. Ihnen sollen wir darin im Geiste nacheifern, wenn es darum geht, die Mühen und Entbehrungen der Fastenzeit nicht nur „zu überstehen“, sondern mit großer Freude und mit Gewinn für die Seele zu gestalten. Es liegen noch fünf Fastenwochen als Vorbereitung auf die Große Woche und die Feier der Auferstehung Christi vor uns. Wir haben eine riesige Schar an Heiligen, die uns auf diesem Weg begleiten wird: ohnehin ist jeder Tag mehreren Heiligen (durch die „unbeweglichen“ Gedenktage im Minaion) gewidmet, dazu kommen die besonderen Heiligengedenktage der Großen Fastenzeit (durch die „beweglichen“ Gedenktage im Triodion). Selbst wenn sichtbar nur zwei oder drei an einem Werktag in der Kirche zum Gebet versammelt sein sollten, ist die Kirche unsichtbar vollbesetzt mit Engeln und Heiligen, dann ist der Herr Jesus Christus mitten unter ihnen (s. Mt. 18:20). „Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Lasst uns mit Ausdauer in den Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; Er hat angesichts der vor Ihm liegenden Freude das Kreuz auf Sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und Sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt“ (Hebr. 12:1-2). Wenn wir also mit dem Herrn Jesus Christus, das große Ziel der Auferstehung vor Augen habend, „in den Wettkampf laufen“ wollen, müssen wir uns mit allen unseren geistlichen Kräften aus der irdischen, zeitlichen und materiellen Sphäre zurückziehen und mit dem spirituellen Auge die andere Welt schauen. Das ist doch im Wesentlichen Sinn und Zweck der Fastenzeit und überhaupt jeglicher asketischer Anstrengung. Dabei helfen uns die unergründlich tiefen Hymnen und Gebete des Gottesdienstes aus dem Fastentriodion, das aufrichtige Beichten und der Empfang der Heiligen Gaben während dieser geheiligten Zeit. Und wenn wir das richtig und konsequent tun, werden wir auch nach Beendigung der Fastenzeit immerfort das Verlangen haben, unserem Herrn Jesus Christus durch die Absage an die Eitelkeit dieser Welt nachzufolgen. Es ist eine überirdische Freude, die wir anstreben, die nichts mit den nichtigen Annehmlichkeiten dieser Welt zu tun hat. Auf diesem Weg werden uns die alljährlichen Gedenktage der „Fasten-Heiligen“ (Theodoros des Rekruten, Gregorios Palamas, Johannes Klimakos, Andreas von Kreta und Maria von Ägypten) wegweisend bestärken, die alle trotz extremer äußerer Umstände geradezu überschäumten vor Freude (s. 2 Kor. 7:4) angesichts der spürbaren, realen, gelebten Gemeinschaft mit Christus, dem Erlöser. Amen.
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2021
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