Predigt zum 17. Herrentag nach Pfingsten, Herrentag nach Kreuzerhöhung (Gal. 2:16-20; Mk. 8:34-9:1) (01.10.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
wenden wir uns heute der Lesung aus dem Apostelbuch zu, die wie diejenige vom Herrentag vor Kreuzerhöhung dem Galaterbrief entnommen ist: „Weil wir aber erkannt haben, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir dazu gekommen, an Jesus Christus zu glauben, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus, und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird niemand gerecht. Wenn nun auch wir, die wir in Christus gerecht zu werden suchen, als Sünder gelten, ist dann Christus etwa Diener der Sünde? Das ist unmöglich! Wenn ich allerdings das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, dann stelle ich mich selbst als Übertreter hin. Ich aber bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, Der mich geliebt und Sich für mich hingegeben hat“ (Gal. 2:16-20).
Dieser Abschnitt steht im direkten Zusammenhang mit dem brüderlichen Tadel des Apostels Paulus an die Adresse Petri, der sich in Antiochia zu heuchlerischem Verhalten hinreißen ließ. Hatte Petrus zuvor noch die Gemeinschaft mit den Heidenchristen gepflegt, zog er sich nach Ankunft der Judenchristen aus Jerusalem demonstrativ von den vom Heidentum Bekehrten zurück, „weil er die Beschnittenen fürchtete. Ebenso unaufrichtig wie er verhielten sich die anderen Juden, so dass auch Barnabas durch ihre Heuchelei verführt wurde“ (Gal. 2:12b-13). Hier nun setzt der Apostel Paulus mit seiner Argumentation an, wonach der Mensch durch den Glauben an Jesus Christus gerecht wird, und nicht durch Werke des Mosaischen Gesetzes, durch die niemand gerecht wird (s. 2:16). Diese Darstellung kann, wenn sie willkürlich aus dem Gesamtzusammenhang des Neuen Testamentes genommen wird, missverständlich und verführerisch sein (wie auch Mk. 16:16). Denn der Apostel verleugnet keineswegs die Askese, die zur Erlangung der Gnade des Heiligen Geistes förderlich und notwendig ist (s. Gal. 5:24-25). Er warnt jedoch vor dem Rückfall in die Zeit vor der Gnade (s. Joh. 1:17; vgl. Röm. 6:14-15; Gal. 5:18). Dass aber „der Glaube ohne Werke nutzlos ist“ (Jak. 2:20), steht auch für ihn außer Zweifel. Der substanzielle Inhalt des Glaubens ist entscheidend, nicht die externe Form (s. 1 Kor. 13:1-13; 2 Tim. 3:5). Auch Abraham, der vor dem Gesetz lebte, wurde nicht durch das Gesetz der Werke, sondern durch „das Gesetz des Glaubens“ (Röm. 3:27) gerecht – Er folgte dem Ruf Gottes, verließ das Haus seines Vaters, in dem noch der Glaube an den Einen Gott bewahrt wurde, verließ seine traute Heimat, um nach Kanaan zu gehen, um mitten unter heidnischen Stämmen zu leben; er glaubte Gott, dass er mit hundert Jahren noch einen Erben aus dem Schoß seiner neunzigjährigen Frau erhalten wird, und brachte diesen schließlich Gott als Opfer dar. Er glaubte mit allen Fasern seiner Seele, und nicht wie unsere kirchenfernen getauften Zeitgenossen „im Herzen“. Es reicht nicht aus, „nur zu glauben“, genauso wenig wie es genügt, „ein guter Mensch“ zu sein, um gerettet zu werden. Um sich davon überzeugen zu können, muss man nur das Neue Testament ganzheitlich gelesen haben.
Archimandrit Kleopa (Ilie, +1998), ein rumänischer Heiliger der jüngeren Vergangenheit, der sowohl die Heilige Schrift als auch die Werke der heiligen Väter bestens kannte, räumt mit dem verbreiteten Irrtum auf, Altruismus, Humanismus und Philanthropie seien identisch mit der Lehre Christi. In der Parabel vom Weltgericht werden die Gerechten zwar für ihre Werke der Barmherzigkeit gesegnet und die Sünder für ihre Herzlosigkeit verdammt (s. Mt. 25:31-46), doch gibt es hinreichend andere Stellen, welche die Aussagen des besagten Gleichnisses ergänzen. Es wird hier zwar die Liebe zu den Mitmenschen betont, ohne die es keine Gottesliebe geben kann (s. Mt. 25:40,45), aber anderswo stehen Aspekte im Vordergrund, die einen „Glauben im Herzen“ ad absurdum führen: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt. 5:20); außerdem gehört das Himmlische Königtum denen, die „arm im Geiste“ (s. Mt. 5: 3), also vor Gott demütig sind, sowie denjenigen, welche „um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden“ (5:10). Es werden darüber hinaus nur die in das Königtum der Himmel eingehen können, die rein im Herzen bleiben wie die Kinder (s. Mt. 18:3-4; 19:14; Mk. 10:14-15; Lk. 18:16-17). Wer sich diese Worte nicht beherzigt und weiter nach den „Gesetzen dieser Welt“, die „im Argen“ liegt (1 Joh. 5:19), lebt, der sollte sich die Worte des Apostels Paulus dringlichst zu Herzen nehmen: „Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige, noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben“ (1 Kor. 6:9-10). Und er ergänzt an anderer Stelle: „Denn das sollt ihr wissen: Kein unzüchtiger, schamloser oder habgieriger Mensch – das heißt kein Götzendiener – erhält ein Erbteil im Reich Christi und Gottes. Niemand täusche euch mit leeren Worten: All das zieht auf die Ungehorsamen den Zorn Gottes herab“ (Eph. 5:5-6). In der Apokalypse lesen wir schließlich: „Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner – ihr Los wird der See von brennendem Schwefel sein. Dies ist der zweite Tod“ (Offb. 21:8). Wie viele Warnungen benötigen die Christen denn noch, damit sie dem Tod der Seele entgehen wollen?!.. Amen.