Predigt zum 6. Sonntag nach Pfingsten über die Heilung des Gelähmten (Röm 12,6-14; Mt 9,1-8), 20.07.2025
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Liebe Brüder und Schwestern,
die Lesung aus dem Matthäus-Evangelium, die wir heute, am sechsten Sonntag nach Pfingsten, über die Heilung des Gelähmten gehört hatten, dürfte uns sehr bekannt vorkommen. Richtig, in der Großen Fastenzeit, am zweiten Sonntag, berichtet der Evangelist Markus etwas ausführlicher darüber, wie die vier Freunde des Gelähmten das Dach des Hauses abdecken, um dessen Bahre an der Menschenmenge vorbei in das Haus herunterzulassen. Christus zeigt seine Göttlichkeit in der sofortigen Heilung des Gelähmten und zieht dabei den Unwillen der Schriftgelehrten auf sich, weil dies an einem Sabbat geschah.
In der heutigen Apostellesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer bekommen wir Hilfestellung, wie wir unser Leben gestalten sollten.
Zuerst geht er auf die Vorzüge eines jeden ein, auf die Gnadengaben, wie er schreibt:
„Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben nach der uns gegebenen Gnade, so lasst sie uns gebrauchen: Es sei Weissagung, in der Entsprechung zum Glauben; es sei Dienst, im Dienen; es sei, der lehrt, in der Lehre; es sei, der ermahnt, in der Ermahnung; der abgibt, in Einfalt; der vorsteht, mit Fleiß; der Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit.“
Das erinnert uns an das Gleichnis von den Talenten im Evangelium, welches Christus seinen Jüngern gab. Nutzen wir das, worin wir besonders gut sind, zur Ehre Gottes, zur Liebe zu den anderen Menschen. Wir sind nicht allein auf der Welt, wir leben in einer Gesellschaft.
Christus spricht zu uns im zwölften Kapitel des Lukas-Evangeliums:
„Jedem aber, dem viel gegeben ist – viel wird von ihm verlangt werden; und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man desto mehr fordern.“ (Lk 12,48)
Die guten Eigenschaften, die Stärken, die wir haben, sind uns von Gott mitgegeben worden. Wer reich damit ausgestattet wurde, von dem wird auch mehr verlangt, als von demjenigen, der mit weniger beschenkt wurde. Alle sind unterschiedlich, auch in dem, was genau ihre individuellen Stärken sind – und so besteht auch die Möglichkeit in Abhängigkeit davon, sich maximal ins Leben für andere, für Gott, für die Gemeinschaft und die Kirche einzubringen. Und, das ist auch sehr wichtig, wir ergänzen einander! Wir sind in der Lage, die Schwächen anderer in Liebe zu kompensieren. Und damit kommen wir auf den nächsten Hinweis des Apostels:
„Die Liebe sei ungeheuchelt! Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten! In der Bruderliebe seid herzlich zueinander, in Ehrerbietung einer dem anderen vorangehend; im Fleiß nicht säumig, brennend im Geist; dem Herrn dienend.“
Worte, die für sich selbst sprechen. Der Apostel Paulus ist in einigen seiner Briefe für uns heute schwer zugänglich, seine Gedanken nicht immer einfach und benötigen eines tiefgreifenden Hintergrundwissens oder die Kenntnis von den Auslegungen der Kirchenväter. Diese Worte sind dagegen glasklar, erläutern uns, worin wir unser Tun ausrichten sollten, was wir meiden müssen, wie wir vorgehen sollten und - warum.
Weitere Ratschläge, die Paulus uns mitgibt:
„In Hoffnung freut euch; in Bedrängnis harrt aus; im Gebet haltet an; an den Bedürfnissen der Heiligen nehmt teil; nach Gastfreundschaft trachtet!“
Hoffnung und Standhaftigkeit sind Eigenschaften, die wir besonders dann aufbieten müssen, wenn wir in schwierige Lebensumstände geraten – beide werden durch den Glauben gespeist. Das Gebet hilft uns, diesen zu bewahren und mit Gottes Hilfe diese Lebensumstände zu meistern.
Doch wir leben nicht nur für uns selbst. Mit dem Hinweis auf die Gastfreundschaft und die Unterstützung anderer weist uns der Apostel auf diesen Umstand hin. Das ist für viele selbstverständlich, wenn auch nicht immer für alle.
Der abschließende Satz hat es allerdings in sich, hier braucht es schon einen tiefen Glauben und ein gewisses Maß an Erkenntnis:
„Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht!“
Das ist auf den ersten Blick starker Tobak. Wie bitte – wenn ich von jemandem verfolgt werde, wenn ich von jemandem missachtet werde, wenn mir jemand Schlechtes will, dann soll ich ihn auch noch segnen? Dann soll ich ihn nicht verfluchen?
Wie geht das denn jetzt zusammen? Das ist doch völlig entgegen dem menschlichen Verstand, gegenüber dem, wie unser gesellschaftliches Leben „normalerweise“ funktioniert!
Genau das ist der Punkt: normalerweise. Wenn wir mit irdischer Vorgehensweise herangehen, dann geht das nicht. Hier müssen wir uns davon verabschieden und eine andere Vorgehensweise, eine menschliche, eine christliche, eine gottgewollte wählen. Es gibt eine schöne kleine Geschichte dazu, die uns hier auf die Sprünge hilft:
„Eines Tages stritten der Wind und die Sonne miteinander, wer von ihnen mehr Macht über die Menschen ausüben könne. ‚Siehst du diesen Mann da unten?‘ fragte der Wind: ‚Ich werde ihm binnen einer Minute Hut und Mantel entreißen.‘ Der Wind legte also kräftig los. Aber je heftiger er pfiff, desto fester drückte der Mann mit der Hand seinen Hut auf den Kopf und knöpfte mit der anderen rasch seinen Mantel zu. Da gab der Wind schließlich auf. Dann war die Sonne an der Reihe. Sie begann freundlich zu lächeln und zu strahlen. Und es wurde im gleichen Moment so schön warm, dass der Passant von sich aus bald Hut und Mantel auszog.
Kraft induziert Gegenkraft, so kennen wir es auch schon aus der Physik. Dies lässt sich im Sinne dessen, wie in der Geschichte beschrieben, nur dadurch aufbrechen, indem wir selbst den ersten Schritt tun und freundlich die Hand ausstrecken, denn sonst werden wir lange warten können, dass sich die Einstellung des anderen sich uns gegenüber ins Positive wendet.
Zusammengefasst:
Nutzen wir aktiv und mit Fleiß die Gnadengaben, die Talente, die uns Gott gegeben hat zum Wohle der Menschen um uns herum und folglich auch zu unserem eigenen!
Haben wir in unserem Tun Glauben, Liebe, Standhaftigkeit!
Seien wir barmherzig nicht nur unseren Freunden gegenüber sondern auch denen, die uns verfolgen!
Amen.